TE OGH 2010/9/22 8Ob162/09w

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Veröffentlicht am 22.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des H***** E*****, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, Masseverwalter Mag. Werner Seifried, Rechtsanwalt in Judenburg, über den Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 14. Oktober 2009, GZ 32 R 113/09a-72, womit über Rekurs des Schuldners der Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom 4. September 2009, GZ 11 S *****-67, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Schuldner beantragte am 23. 4. 2008 die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, die Annahme eines Zahlungsplans und die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens im Falle des Scheiterns dieses Zahlungsplans. Er gab eine Erklärung gemäß § 199 Abs 2 KO ab. Das Erstgericht eröffnete mit Beschluss vom 2. 6. 2008 das Schuldenregulierungsverfahren. Es entzog dem Schuldner die Eigenverwaltung und bestellte einen Masseverwalter.

Nach Verwertung seines Vermögens beantragte der Schuldner am 25. 3. 2009 die Annahme eines geänderten Zahlungsplans. Zu der zur Abstimmung über diesen Zahlungsplan anberaumten Tagsatzung am 29. 5. 2009 erschien weder der Schuldner noch sein Vertreter, sodass das Erstgericht mit Beschluss aussprach, dass der Zahlungsplan gemäß § 145 Abs 3 letzter Satz KO als zurückgezogen gilt. Am 19. 6. 2009 (ON 57) beantragte der Schuldner (neuerlich) die Durchführung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Am 7. 7. 2009 (ON 61) beantragte er abermals die Annahme eines Zahlungsplans sowie - wiederum - die Durchführung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Er gab eine Erklärung gemäß § 199 Abs 2 KO ab.

Das Erstgericht wies den Antrag des Schuldners auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens ab. In der Begründung seiner Entscheidung nahm es ausdrücklich auf die Anträge auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens vom 23. 4. 2008 (ON 1) und vom 19. 6. 2009 (ON 57) Bezug. Der Zahlungsplan gelte als zurückgezogen, sodass ein Abschöpfungsverfahren nicht einzuleiten sei.

Das Rekursgericht „bestätigte“ diesen Beschluss über Rekurs des Schuldners mit der Maßgabe, „dass eine Entscheidung über die Anträge des Gemeinschuldners auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens (mit Restschuldbefreiung) vom 23. 4. 2008 (ON 1) und vom 19. 6. 2009 (ON 57) zu unterbleiben hat“.

Gegenstand der erstgerichtlichen Entscheidung seien nur die beiden Anträge des Gemeinschuldners auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens in ON 1 und ON 57, nicht aber sein Antrag ON 61. Über diesen dritten Antrag werde vom Erstgericht im weiteren Verfahren zu entscheiden sein. Zur Klarstellung werde der Umfang der bekämpften Entscheidung in Form einer Maßgabebestätigung eindeutig dargelegt.

Über einen Antrag auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens sei erst zu entscheiden, wenn einem Zahlungsplan die Bestätigung versagt worden sei, was auch eine Abstimmung über diesen voraussetze. Der Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans habe infolge des unentschuldigten Nichterscheinens des Gemeinschuldners und seines Vertreters zur Konkurstagsatzung am 29. 5. 2009 als zurückgezogen zu gelten. Weder sei es daher zu einer Abstimmung über diesen Zahlungsplan noch zu einer Versagung der Bestätigung gekommen. Aufgrund der subsidiären Natur des Abschöpfungsverfahrens habe daher eine Entscheidung über den Antrag auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens zu unterbleiben; der in der zweitinstanzlichen Rechtsprechung ebenfalls vertretenen Auffassung, ein solcher Antrag sei zurückzuweisen, werde nicht gefolgt. Der Einwand des Gemeinschuldners, wonach die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach Nichtannahme des Zahlungsplans bzw Versagung der Bestätigung nur auf Antrag eines Konkursgläubigers abzuweisen sei, sei hier nicht zielführend, weil nicht ein Einleitungshindernis gemäß § 201 Abs 1 KO zu beurteilen sei, sondern schon die Voraussetzungen des § 200 Abs 1 KO nicht gegeben seien. Im Übrigen gehe es nicht um die Abweisung der Anträge, sondern um das Unterbleiben einer Entscheidung darüber.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Die hier erfolgte Maßgabebestätigung werfe „die Frage auf, ob die erstgerichtliche Entscheidung zur Gänze bestätigt“ worden sei und daher ein Revisionsrekurs iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Das Rekursgericht halte es für geboten, den Revisionsrekurs zuzulassen, weil in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage noch nicht beurteilt worden sei, ob der Antrag auf Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens nach Zurückziehung eines Antrags auf Annahme eines Zahlungsplans zurückzuweisen sei oder ob eine Entscheidung darüber zu entfallen habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Schuldners mit dem Antrag, das Abschöpfungsverfahren einzuleiten; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

1. Auf das vorliegende Verfahren sind - mit Ausnahme der in § 273 Abs 8 IO genannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen - noch die Bestimmungen der KO vor Inkrafttreten des IRÄG 2010 BGBl I 2010/29 anzuwenden (§ 273 Abs 1 IO).

2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde. Gemäß der nach § 273 Abs 8 IO hier schon maßgebenden Bestimmung des § 252 IO findet diese Bestimmung auch im Insolvenzverfahren Anwendung (vgl RIS-Justiz RS0044101). Im Falle eines mit einer „Maßgabe“ bestätigten erstinstanzlichen Beschlusses kommt § 528 Abs 2 Z 2 ZPO allerdings nur dann zum Tragen, wenn die „Maßgabe“ nur der Verdeutlichung der Entscheidung des Erstgerichts dient, deren Rechtskraftwirkung aber nicht berührt. Entfalten aber infolge der „Maßgabe“ die Entscheidungen der ersten und der zweiten Instanz unterschiedliche Rechtsfolgen, ist § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht anwendbar (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 Rz 119; 8 Ob 288/00m).

Zunächst ist daher zu klären, ob das Rekursgericht mit seiner Entscheidung den erstinstanzlichen Beschluss bestätigt hat.

3. Nach den auf Seite 4 der Rekursentscheidung angestellten Überlegungen der zweiten Instanz dient die der Bestätigung beigefügte „Maßgabe“ der Klarstellung des Umfangs der bekämpften Entscheidung. Diese beziehe sich nämlich nur auf die Anträge des Schuldners ON 1 und ON 57, nicht aber auf den Antrag ON 61, der daher im weiteren Verfahren zu behandeln sein werde. Isoliert betrachtet, spräche dies für die Annahme einer (die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ausschließenden) Vollbestätigung mit der (an sich selbstverständlichen) Beifügung, dass sich die Wirkung der Entscheidung nur auf die genannten Anträge beziehe, über die daher nicht (neuerlich) zu entscheiden sei.

Die bereits oben wiedergegebenen weiteren Ausführungen des Rekursgerichts lassen aber klar erkennen, dass der Entscheidungswille des Rekursgerichts ein anderer war: Es billigt zwar die Auffassung des Erstgerichts, dass der (ursprüngliche) Antrag des Schuldners auf Annahme des Zahlungsplans als zurückgezogen zu gelten habe und infolge der subsidiären Natur des Abschöpfungsverfahrens die Einleitung eines solchen daher unzulässig sei. Wohl deshalb formulierte es seine Entscheidung in Form einer Bestätigung. Es vertrat allerdings die Auffassung, dass in einem solchen Fall der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nicht ab- oder zurückzuweisen sei, sondern dass eine Entscheidung über diesen Antrag zu unterbleiben habe. Deshalb fügte es seiner Entscheidung die oben wiedergegebene Maßgabe bei, dass über die vom Rekursverfahren erfassten beiden Anträge des Schuldners (endgültig) nicht zu entscheiden sei, was inhaltlich aber keine Bestätigung der Abweisung der Anträge darstellt, sondern in Wahrheit auf eine ersatzlose Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung hinausläuft.

Der Revisionsrekurs ist daher nicht absolut unzulässig; vielmehr hängt seine Zulässigkeit vom Vorliegen der in § 528 Abs 1 ZPO genannten Voraussetzungen ab, die hier aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen gegeben sind. Der Revisionsrekurs ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

4. Die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, das Erstgericht habe nur über die ersten beiden Anträge des Schuldners auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens, nicht aber über seinen dritten Antrag entschieden, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Schon im Spruch des erstgerichtlichen Beschlusses, in dem von „dem Antrag des Gemeinschuldners“ die Rede ist, fehlt es für eine solche Differenzierung an jeglichen Anhaltspunkten. Nichts anderes gilt für die Begründung des Beschlusses, in der angekündigt wird, nach dessen Rechtskraft den Konkurs aufzuheben, da kein Zahlungsplan zustande gekommen und kein Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden sei. Von einem noch offenen weiteren Antrag ist mit keinem Wort die Rede. In Wahrheit hat das Erstgericht ganz offenkundig - dem einheitlichen Charakter des Verfahrens entsprechend - über den (wenn auch wiederholt gestellten) Antrag des Schuldners, das Abschöpfungsverfahren einzuleiten, endgültig und umfassend entschieden. Dass es dabei - aus welchen Gründen immer - den in ON 61 gestellten Antrag auf Annahme eines (neuen) Zahlungsplans nicht beachtet hat, vermag daran nichts zu ändern.

5. Erscheint der Schuldner trotz öffentlicher Bekanntmachung zur Zahlungsplantagsatzung nicht und wird sein Fernbleiben nicht ausnahmsweise für gerechtfertigt erklärt, so gilt der Zahlungsplanantrag gemäß § 145 Abs 3 KO als zurückgezogen; die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens ist unzulässig (Kodek, Privatkonkurs Rz 392, nach dessen Rechtsauffassung in diesem Fall der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens abzuweisen ist). Die gegenteilige Auffassung des Revisionsrekurswerbers, der meint, dass in diesem Fall das Abschöpfungsverfahren einzuleiten sei, verkennt den subsidiären Charakter des Abschöpfungsverfahrens, das nur dann zulässig ist, wenn der Schuldner zunächst einen zulässigen Zahlungsplan vorgelegt, dieser aber nicht angenommen oder nicht bestätigt wurde (§ 200 Abs 1 KO; 8 Ob 342/98x; Kodek aaO Rz 523; Mohr in Konecny/Schubert, KO, § 200 Rz 2 ff). Legt der Schuldner einen Zahlungsplan vor, zieht er ihn aber wieder zurück (oder gilt der Zahlungsplan gemäß § 145 Abs 3 KO als zurückgezogen), ist das Abschöpfungsverfahren daher nicht zulässig.

6. Allerdings steht der Umstand, dass der Zahlungsplanantrag wegen des Nichterscheinens des Schuldners zur Zahlungsplantagsatzung als zurückgezogen gilt, der Vorlage eines neuerlichen Zahlungsplanvorschlags, der während des gesamten Verfahrens gestellt werden kann, nicht entgegen (Kodek aaO 335, 339, 392; Riel in Konecny/Schubert, § 145 Rz 17; aA Mohr aaO § 193 Rz 4, der sich allerdings zu Unrecht auf den Wortlaut des § 199 Abs 1 KO beruft und an anderer Stelle [aaO § 199 Rz 7 aE] offenbar selbst davon ausgeht, dass ein Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans bis zur Konkursaufhebung möglich ist). Von dieser Möglichkeit hat der Schuldner - wie er in seinem Revisionsrekurs zu Recht ausführt - hier Gebrauch gemacht, indem er am 3. 7. 2009 einen neuen Zahlungsplanvorschlag erstattete, der inhaltlich gegenüber jenem, der Gegenstand der Zahlungsplantagsatzung war, geringfügig verbessert war. Das Verfahren über diesen Vorschlag wurde bislang noch nicht eingeleitet. Über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens ist aber - wie ausgeführt - gemäß § 200 Abs 1 KO erst zu entscheiden, wenn einem Zahlungsplan, obwohl er zulässig (8 Ob 8/06v; Kodek, Privatkonkurs Rz 509) gewesen ist und die für das Verfahren geltenden Vorschriften beachtet worden sind, die Bestätigung versagt wurde, oder wenn ein zulässiger Zahlungsplan von den Gläubigern nicht angenommen wird (8 Ob 9/01h). Im Ergebnis erweist sich daher die Auffassung des Rekursgerichts, über den Antrag (bzw: in der Terminologie des Rekursgerichts: die Anträge) auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens hätte noch nicht entschieden werden dürfen, als zutreffend. Dies bedeutet, dass die Abweisung des Antrags auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens aufzuheben ist. Allerdings ist nicht - wie es das Rekursgericht (bezogen auf zwei der vom Schuldner gestellten Anträge getan hat) - mit einer ersatzlosen Aufhebung vorzugehen, weil ja das Verfahren fortzusetzen und letztlich über den Antrag des Schuldners auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens zu entscheiden sein wird. Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Schlagworte

Gruppe: Konkursrecht,Ausgleichsrecht

Textnummer

E95502

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00162.09W.0922.000

Im RIS seit

27.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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