Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei KR Ing. K***** K*****, vertreten durch Dr. Teja Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen 162.615,22 EUR und Feststellung (Gesamtstreitwert 262.615,22 EUR), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2009, GZ 8 Ra 70/09i-31, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zur Revision des Klägers:
Dem Kläger ist grundsätzlich dahin beizupflichten, dass der Begriff des „Geschäftszweigs“ nach § 7 Abs 1 AngG eng auszulegen ist (RIS-Justiz RS0027854) und darüber hinausgehende Beschränkungen der privaten Betätigungsfreiheit keine Erweiterung des Entlassungstatbestandes des § 27 Z 3 AngG bewirken können (RIS-Justiz RS0027828). Der Revisionswerber übersieht aber, dass sich die Beklagte nicht nur auf diesen Tatbestand, sondern auch auf den der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 dritter Fall AngG) gestützt hat (s AS 46, 47). Eine diesem Entlassungstatbestand unterliegende Treuepflichtverletzung kann auch bei indirekter Konkurrenzierung vorliegen, wenn der Angestellte ein bestimmtes Verhalten setzt, das ihn des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig macht (RIS-Justiz RS0027833). Dies hier anzunehmen ist nicht unvertretbar: Dem Kläger musste bei Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit für die „V*****“ bewusst sein, dass er damit für ein Unternehmen tätig wurde, das mit der Gewinnung von Holunderfarben im direkten Konkurrenzverhältnis zu einer Gesellschaft stand, die nicht nur eine wichtige Abnehmerin der Produkte der Beklagten ist, sondern deren Anteile auch von denselben Gesellschaftern (Familie P*****) gehalten werden. Dazu kommt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die „V*****“ versuchte, Rohstofflieferanten der Beklagten abzuwerben (vgl RIS-Justiz RS0027856). Das erst im Revisionsverfahren erhobene Vorbringen, „V*****“ sei auch ein potentieller Kunde der Beklagten gewesen, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich, ein Hinweis auf Urkunden kann entsprechendes Vorbringen nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0038037).
Die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die Berufsunfähigkeitspension aus dem von der Beklagten bei einem privaten Versicherer abgeschlossenen Versicherungsvertrag überhaupt nur im Falle der Auflösung des Dienstvertrags wegen Berufsunfähigkeit des Klägers anfallen sollte, steht mit dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung vom 10. 10. 1994 (Beil ./B) in voller Übereinstimmung und lässt keinen Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln erkennen.
Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Mängelrüge enthält im Wesentlichen die Anführung entweder im Berufungsverfahren nicht geltend gemachter oder vom Berufungsgericht verneinter Mängel, die somit in der Revision nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden können (Kodek in Rechberger ZPO3 § 503 Rz 8, 9).
Zur Revision der Beklagten:
Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofs sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181). Eine solche individuelle Fallgestaltung liegt hier vor: An die Stelle des Anspruchs aus der direkten Leistungszusage sollte der zukünftige Durchgriff des Klägers gegenüber dem Lebensversicherer treten, während die Beklagte unmittelbar nach Abschluss der Auflösungsvereinbarung vom 2. 3. 2007 keine Beiträge mehr leisten sollte. Selbst, wenn man den verbleibenden Anspruch des Klägers den für Betriebspensionen geltenden (Widerrufs-)Regeln unterwerfen wollte, ist die Auffassung des Berufungsgerichts jedenfalls vertretbar, dass die Treuepflichtverletzung nicht so gravierend war, dass sich die frühere Betriebstreue des Klägers als wertlos erwiesen hätte (RIS-Justiz RS0021478).
Schlagworte
11 Arbeitsrechtssachen,Textnummer
E95188European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:009OBA00015.10M.0929.000Im RIS seit
22.10.2010Zuletzt aktualisiert am
14.03.2012