Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der M***** M*****, AZ 7 P 225/10g des Bezirksgerichts Bregenz, über die Anzeige eines Zuständigkeitsstreits zwischen diesem Bezirksgericht und dem Bezirksgericht Traun in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Zur Führung der Sachwalterschaftssache ist das Bezirksgericht Traun zuständig.
Der Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 25. August 2010, mit dem die Übernahme der Verfahrensführung abgelehnt wurde, wird aufgehoben.
Text
Begründung:
Am 30. 7. 2010 langte beim Bezirksgericht Bregenz ein Bericht der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 27. 7. 2010 ein, mit dem die Anregung verbunden war, die Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens für die Betroffene zu prüfen. Diese hatte von Oktober 2003 bis Mai 2010 ihren Hauptwohnsitz im Sprengel des angerufenen Bezirksgerichts Bregenz. Am 28. 5. 2010 verlegte sie - nach den gespeicherten Meldedaten - ihren Hauptwohnsitz in den Sprengel des Bezirksgerichts Traun.
Mit Beschluss vom 3. 8. 2010 erklärte sich das Bezirksgericht Bregenz für die Verfahrensführung nicht zuständig und überwies das Sachwalterschaftsverfahren an das Bezirksgericht Traun. Begründend verwies es darauf, dass zur Führung des Pflegschaftsverfahrens bei fehlendem Aufenthalt der betroffenen Person im Inland das Gericht zuständig sei, in dessen Sprengel die betroffene Person ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe. Die Betroffene habe derzeit keinen Aufenthalt im Inland, ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt habe sich im Sprengel des Bezirksgerichts Traun befunden.
Mit Beschluss vom 25. 8. 2010 lehnte das Bezirksgericht Traun die Übernahme der Führung des Verfahrens mit der Begründung ab, aus dem Akt ergebe sich kein Hinweis auf einen gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Sprengel, zumal die Betroffene dort nicht einmal zwei Monate gewesen sei; auch ein Mietverhältnis spreche nicht zwingend dafür, es sei überdies unklar, woraus sich ein solches ergebe.
Das Bezirksgericht Bregenz legte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 109 Abs 1 JN ist zur Bestellung des Sachwalters das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat. Fehlt ein Aufenthalt im Inland, so ist das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Betroffene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (§ 109 Abs 2 JN).
Gemäß § 44 Abs 1 JN ist (unter anderem) im außerstreitigen Verfahren bei sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts diese auszusprechen und die Rechtssache an das örtlich oder sachlich zuständige Gericht zu überweisen. Der dieser Bestimmung entsprechende Überweisungsbeschluss ist unabhängig von seiner Zustellung an die Parteien (vgl RIS-Justiz RS0046363) für das Adressatgericht so lange maßgebend, als dieser nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird (RIS-Justiz RS0081664), sodass es seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig (zuletzt etwa 5 Nc 9/10h mwN). Das Gericht, an das überwiesen wurde, kann dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss - wie hier - noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses - eine Zustellung an die Betroffene unterblieb bislang - fasst (5 Nc 9/10h mwN). Auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses ist bei der Entscheidung nach § 47 JN daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte. Die gegenteilige Ansicht im Schrifttum lehnte der Oberste Gerichtshof mehrfach mit eingehender Begründung ab (5 Nc 9/10h mwN).
Der Beschluss des Bezirksgerichts Traun, mit dem es die Übernahme der Führung des Sachwalterschaftsverfahrens ablehnte, verletzte demnach die Bindungswirkung des vorausgehenden Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Bregenz, weshalb dieser - ohne auf die Frage nach dessen Richtigkeit einzugehen (RIS-Justiz RS0046391) - aufzuheben war.
Textnummer
E95387European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0040NC00021.10S.1005.000Im RIS seit
17.11.2010Zuletzt aktualisiert am
17.11.2010