TE OGH 2010/10/5 17Ob5/10z

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Veröffentlicht am 05.10.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. T***** Company, *****, 2. s***** GmbH, *****, beide vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, unter Mitwirkung von DI Dr. Elisabeth Schober, Patentanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** m.b.H., *****, vertreten durch Mayer & Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, unter Mitwirkung von DI Manfred Beer, Patentanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Antragsrückziehung, Beseitigung und Rechnungslegung (Streitwert im Sicherungsverfahren 150.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2010, GZ 1 R 173/09g-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§ 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO (§ 528 Abs 1 ZPO) kann nur dann vorliegen, wenn die Entscheidung gerade von deren Lösung abhängt; die in der Zulassungsbeschwerde angeführte Rechtsfrage muss daher präjudiziell sein (RIS-Justiz RS0088931; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 508a Rz 1; Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 60). Dies setzt bei Rechtsfragen des materiellen Rechts voraus, dass überhaupt eine zulässige und gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt. Denn sonst ist dem Obersten Gerichtshof die Prüfung der als erheblich bezeichneten Rechtsfrage jedenfalls verwehrt.

2. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine in zweiter Instanz unterbliebene oder nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0043573 [insb auch T3, T5, T8 und T30]; zuletzt etwa 4 Ob 93/09v, 17 Ob 27/09h, 6 Ob 197/08a und 10 ObS 5/10y). Denn das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof dient der Überprüfung der Entscheidung der zweiten Instanz. Diese Entscheidung kann von vornherein nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhen, wenn das Gericht die Rechtsansicht des Erstgerichts mangels gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge nicht überprüfen durfte und daher gar keine eigene rechtliche Beurteilung anzustellen hatte (E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 503 Rz 23; Zechner in Fasching/Konecny2 § 503 ZPO Rz 62; aus der Rsp etwa 8 ObA 109/97f und 10 ObS 5/99d). Das gilt nicht nur für Berufung und Revision, sondern auch für Rekurs und Revisionsrekurs iSd §§ 514 ff ZPO (Zechner in Fasching/Konecny2 § 520 ZPO Rz 31 mwN).

3. Der Grundsatz, dass eine in zweiter Instanz unterbliebene Rechtsrüge nicht nachgeholt werden kann, erfasst nicht nur Fälle, in denen die Rechtsrüge zur Gänze fehlte oder nicht gesetzmäßig ausgeführt war. Vielmehr obliegt es dem Rechtsmittelwerber, die erstgerichtliche Entscheidung in allen Streitpunkten, denen selbständige rechtserzeugende, rechtsvernichtende oder rechtshemmende Tatsachen zugrunde liegen, mit gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge zu bekämpfen. Unterlässt er das, kann er sein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht mehr auf diese Punkte stützen (E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 503 Rz 27; Zechner in Fasching/Konecny2 § 503 ZPO Rz 56; RIS-Justiz RS0043573 [T2, T29, T36, T43]; zuletzt etwa 2 Ob 231/08x, 2 Ob 24/09g und 4 Ob 93/09v).

Das gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in zweiter Instanz zwar den gemeinsamen Grund mehrerer Ansprüche bekämpft, zur Berechtigung der jeweils von weiteren rechtserzeugenden Tatsachen abhängenden (Teil-)Ansprüche aber nicht gesondert Stellung nimmt. In diesem Fall kann auch das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nur auf den mangelnden (gemeinsamen) Grund der Ansprüche gestützt werden. So nahm der Senat etwa eine unzulässigerweise nachgeholte Rechtsrüge an, wenn der in erster Instanz unterlegene Beklagte, der in der Berufung (nur) seine Unterlassungspflicht bestritten hatte, erstmals in der Revision (auch) die konkrete Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung rügte (4 Ob 379/87; 4 Ob 122/88; 4 Ob 53/90). Ebenso wenig konnte ein Beklagter, der in zweiter Instanz seine Haftung für einen Zugabenverstoß nur dem Grunde nach bekämpft hatte, in dritter Instanz wirksam vorbringen, dass das konkrete Verbot des Anbietens von Zugaben nicht gerechtfertigt sei (4 Ob 16/91 = ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille).

4. Im vorliegenden Fall macht die Beklagte als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass ihr nach 17 Ob 24/09t (= wbl 2010, 156 - Nebivolol) weder das Besitzen von Eingriffsgegenständen untersagt, noch der Nachweis einer bestimmten Antragsrücknahme aufgetragen werden dürfe. Das hatte sie jedoch im Rekurs gegen die schon vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung nicht geltend gemacht. Von Amts wegen hatte das Rekursgericht diese Punkte mangels insofern ausgeführter Rechtsrüge nicht aufzugreifen. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung, die eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO begründen könnte, liegt daher nicht vor.

5. Entgegen der Behauptung im Revisionsrekurs hat die Beklagte in ihrem Rekurs auch nicht geltend gemacht, dass das Erstgericht die einstweilige Verfügung nicht vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hatte. Ihr Antrag auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung richtete sich vielmehr an das Erstgericht, das darüber unter Bedachtnahme auf die zuletzt in 17 Ob 24/09t (Nebivolol) angestellten Erwägungen zu entscheiden haben wird.

6. Zur Zulässigkeit der Einschränkung eines Stoffschutzanspruchs auf einen „swiss claim“ hat der Senat in 17 Ob 26/08k (ÖBl 2009, 191 - Pantoprazol) ausführlich Stellung genommen. Auch im vorliegenden Fall führte die Einschränkung des Patents weder zu einer Erweiterung des Schutzbereichs noch zu einem Überschreiten der ursprünglichen Offenbarung (vgl zuletzt 17 Ob 24/09t - Nebivolol). Weshalb die Entscheidungen 17 Ob 41/08s und 17 Ob 43/08k diese Rechtsprechung „erheblich relativiert“ haben sollen, führt der Revisionsrekurs nicht näher aus.

Schlagworte

Nebivolol II,Gewerblicher Rechtsschutz,

Textnummer

E95255

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0170OB00005.10Z.1005.000

Im RIS seit

03.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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