TE OGH 2010/10/5 4Ob69/10s

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Veröffentlicht am 05.10.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Mag. C***** P*****, als Masseverwalter im Konkurs des H***** V*****, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.000 EUR sA und Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR; Gesamtstreitwert 22.000 EUR sA) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. September 2009, GZ 4 R 91/09w-18, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Februar 2009, GZ 19 Cg 75/08p-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil - unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung - wie folgt zu lauten hat:

1. Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, jene Leistungen, die vom Unternehmen der klagenden Partei im April 2008 ausgeführt worden sind, gegenüber dritten Unternehmen zu fakturieren.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 2.000 EUR samt 11,19 % Zinsen seit 29. 5. 2008 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Es wird festgestellt, dass der klagenden Partei im Konkurs über das Vermögen des H***** V***** zu ***** des Handelsgerichts Wien eine Konkursforderung in Höhe der mit 12.146,14 EUR (darin enthalten 1.727,62 EUR USt und 1.780,30 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen zusteht.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 176,04 EUR (darin enthalten 29,34 EUR USt) bestimmten weiteren Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und der Gemeinschuldner (in der Folge „Beklagter“ genannt) führ(t)en jeweils ein Unternehmen im Bereich Schwer- und Sondertransportbegleitung. Der vormalige Ehegatte der Klägerin hatte zunächst ein einschlägiges Einzelunternehmen betrieben und aufgrund finanzieller Schwierigkeiten im November 2006 seine Geschäftsbeziehungen und sein Know-how in das neu gegründete Unternehmen der Klägerin übergeführt. Im Februar 2008 wurde die Ehe geschieden. Mit 1. 4. 2008 schloss die Klägerin als Dienstgeberin einen Arbeitsvertrag mit ihrem geschiedenen Ehemann, der diesen am 28. 4. 2008 auflöste. Seither ist er beim Beklagten beschäftigt. Der Exgatte der Klägerin nahm für eine Begleitfahrt vom 13. 4. 2008 den Auftrag namens der Klägerin entgegen und gab ihn an den Beklagten als Subunternehmer weiter. Allerdings verrechnete der Beklagte über Veranlassung seines genannten Mitarbeiters am 1. 5. 2008 diese Fahrt dem Auftraggeber unmittelbar.

Die Klägerin begehrte, dem Beklagten zu verbieten, jene Leistungen, welche von ihrem Unternehmen im April 2008 ausgeführt wurden, gegenüber dritten Unternehmen zu fakturieren, sowie die Zahlung von 2.000 EUR an Schadenersatz. Gleichzeitig beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit dem Beklagten verboten werden sollte, den mit Rechnung vom 1. 5. 2008 fakturierten Betrag zu inkassieren. Aufgrund der Fehlverrechnung für die Begleitfahrt vom 13. 4. 2008 sei davon auszugehen, dass der Beklagte auch andere der Klägerin im relevanten Zeitraum (April 2008) erteilte Aufträge direkt fakturieren werde.

Der Beklagte wendete ein, er habe nur in einem einzigen Fall eine unrichtige Rechnung ausgestellt und sich dabei auf seinen Mitarbeiter verlassen. Es fehle an der Wiederholungsgefahr, weil es keinen weiteren Verstoß gebe.

Nach antragsgemäßer Erlassung der einstweiligen Verfügung (vom Beklagten unbekämpft) gab das Erstgericht dem Unterlassungsbegehren statt und wies das Zahlungsbegehren ab. Die Abweisung des Zahlungsbegehrens erwuchs in Rechtskraft. Die Ausstellung der Rechnung vom 1. 5. 2008 sei sittenwidrig und zu einer Beeinflussung des Wettbewerbs zugunsten des Beklagten geeignet. Die Wiederholungsgefahr sei nicht gänzlich ausgeschlossen, weil gleichartige Leistungen zumindest noch nicht verjährt seien.

Das Berufungsgericht wies auch das Unterlassungsbegehren ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Wenn das neuerliche Zuwiderhandeln nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten sei, sei es Sache des Klägers, in erster Instanz darzutun, dass die ernste Besorgnis künftigen Zuwiderhandelns dennoch fortbestehe, weil konkrete Umstände dies erwarten ließen. Im vorliegenden Fall würde eine weitere Fehlverrechnung nicht nur voraussetzen, dass der Beklagte im April 2008 weitere Subunternehmerleistungen für die Klägerin erbracht habe, sondern auch, dass er sie - atypisch - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz unfakturiert belassen habe, anstelle - wie auch sonst - die Rechnungen für die Leistungen des vorangegangenen Monats bereits mit dem Ersten des Folgemonats auszustellen. Dieser Beweis sei der Klägerin nicht gelungen, sodass der Unterlassungsanspruch mangels Wiederholungsgefahr fehl gehe. Die Revision sei zur Klärung der Beweislast und des Beweismaßes zulässig.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, dem Unterlassungsbegehren Folge zu geben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Während des anhängigen Revisionsverfahrens wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet, das Verfahren mit Beschluss des Erstgerichts unterbrochen und sodann auf Antrag des Masseverwalters fortgesetzt. Die Klägerin stellte ihr Kostenersatzbegehren auf ein Feststellungsbegehren um und nahm eine entsprechende Forderungsanmeldung im Konkurs des Beklagten vor.

Der Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil dem Berufungsgericht hinsichtlich der Wiederholungsgefahr eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist; sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das neuerliche Zuwiderhandeln nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten sei, zumal keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob der Beklagte alle Leistungen aus April 2008 seinen Auftraggebern gegenüber abgerechnet habe und auch Feststellungen zur Rechnungslegung des Beklagten im Allgemeinen fehlten. Die Annahme des Berufungsgerichts, wonach es atypisch sei, dass der Beklagte Leistungen aus dem relevanten Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (3. 12. 2008) unfakturiert habe lassen, sei daher unzutreffend. Das Berufungsgericht tätige damit indirekt neue ergänzende Feststellungen, die als Verfahrensmangel gerügt werden.

Dazu ist wie folgt auszuführen:

1. Unterlassungsansprüche nach dem UWG sind die Konkursmasse berührende Ansprüche, die nicht der Anmeldung unterliegen (Schubert in Konecny/Schubert § 6 KO Rz 5 mwN).

2. Grundsätzlich darf bei der Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden (RIS-Justiz RS0079782; RS0010497). Um die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu entkräften, hat der Beklagte nach ständiger Rechtsprechung besondere Umstände darzutun, die eine Wiederholung seiner Handlung als völlig ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei kommt es immer auf die Art des Eingriffs und die Willensrichtung des Störers an, für welche insbesondere sein Verhalten nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits wichtige Anhaltspunkte bieten kann. Maßgebend ist stets, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0037661; 4 Ob 124/09b uva).

3. Ist das neuerliche Zuwiderhandeln nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten, ist es Sache des Klägers in erster Instanz darzutun, dass die ernste Besorgnis künftigen Zuwiderhandelns dennoch fortbestehe, weil konkrete Umstände dies erwarten lassen (RIS-Justiz RS0012051).

4. Im konkreten Fall kann nicht davon die Rede sein, dass „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge“ nicht zu erwarten sei, dass der Beklagte auch in Zukunft seiner Unterlassungspflicht zuwiderhandeln werde. Aus dem bloßen Umstand, dass der Beklagte zwei Rechnungen (Beilagen ./D und ./2) für Leistungen aus April 2008 bereits am 1. 5. 2008 legte, kann noch nicht geschlossen werden, dass der Beklagte stets mit dem Ersten des der Leistung folgenden Monats und nicht auch später verrechnet. Es ist keineswegs atypisch, wenn Kaufleute erbrachte Leistungen mit Verzögerung in Rechnung stellen. Der vom Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung angenommene „gewöhnliche Lauf der Dinge“ ergibt sich daher hier (anders als etwa im Fall der Unternehmensveräußerung [vgl 5 Ob 658/83]) nicht zwanglos und ohne nähere Begründung. Es wäre vielmehr am Beklagten gelegen, Entsprechendes in erster Instanz darzutun. Seine Behauptung, er habe nur eine einzige Rechnung gelegt, reicht für die Annahme, er werde in Zukunft keine Rechnungen über Leistungen aus April 2008 legen, nicht aus. Das Erstgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Wiederholungsgefahr weiter besteht, weil gleichartige Leistungen zumindest noch nicht verjährt sind. Die Beweislast für den Wegfall der Wiederholungsgefahr trägt der Beklagte (RIS-Justiz RS0005402).

Das Unterlassungsbegehren der Klägerin erweist sich damit als berechtigt, weshalb das insoweit stattgebende Ersturteil wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO. Aufgrund der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beklagten und der Fortsetzung des Verfahrens hatte hinsichtlich der vor Konkurseröffnung entstandenen Kosten eine feststellende Kostenentscheidung zu erfolgen; über den Ersatz der danach aufgelaufenen Kosten (für die Bekanntgabe der Konkurseröffnung und die Umstellung des Kostenbegehrens) war ein Leistungsbefehl gegen den Masseverwalter zu erlassen (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 § 52 ZPO Rz 9).

Schlagworte

Begleitfahrt,Gewerblicher Rechtsschutz,

Textnummer

E95319

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00069.10S.1005.000

Im RIS seit

09.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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