Kopf
Das Landesgericht Leoben hat als Berufungsgericht durch die Richter Hofrat Dr. Gustav Krempl (Vorsitz), Mag. Harald Schellnegger und Dr. Robert Wrezounik in der Rechtssache der klagenden Partei I***** W*****, *****, vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in 8600 Bruck a.d. Mur, wider die beklagte Partei C***** M***** I***** G***** *****, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, wegen EUR 4.544,79 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck a.d. Mur vom 10.6.2010, 2 C 818/09 p-18, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird F o l g e gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin a b g e ä n d e r t , dass es zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 4.544,79 samt 4 % Zinsen seit 9.9.2009 zu zahlen sowie die mit EUR 2.392,79 (davon EUR 291,93 USt und EUR 641,20 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen; dies jeweils binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang.
2. Ein Zinsenmehrbegehren wird a b g e w i e s e n .“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.145,32 (davon EUR 108,72 USt und EUR 493,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin beabsichtigte, im Jahr 2002 Vermögen zu veranlagen. Über das Büro des AWD kam sie an den selbständigen Vermögensberater und Versicherungsmakler B***** S*****, der seit 2000 die Produkte der Beklagten vertreibt. Die Klägerin informierte ihn darüber, dass sie EUR 43.000,-- anlegen wolle und zwar auf verschiedene Arten, nämlich kurz-, mittel- und langfristig. Sie ließ sich von ihm ausführlich beraten. Sie wollte keine monatliche Rendite, sondern sollte es zu Einmalauszahlungen kommen, die Zugriffszeiten sollten unterschiedlich sein und bei einem Teil sollte die Flexibilität gewahrt bleiben. Sie strebte eine eher sicherheitsorientierte Veranlagung an und kamen für sie auch internationale Veranlagungen in Frage. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Lebensversicherung wurde ihr ein Prospekt überlassen und dieser genau durchbesprochen. Gegenstand des Verkaufsgespräches waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Funktion des Produkts. Es fanden vier bis fünf ausführliche Beratungsgespräche mit B***** S***** statt, bevor sich die Klägerin zum Abschluss dieser Lebensversicherung entschloss. Sie interessierte sich außergewöhnlich genau für die Veranlagung und hatte ein weit überdurchschnittliches Interesse an einzelnen Details. Bei Fragen, die B***** S***** nicht beantworten konnte, wandte sich dieser an die österreichische Niederlassung und Auskunft. S***** informierte die Klägerin dahin, dass sie bei dieser Lebensversicherung auch weniger herausbekommen könne, als sie einzahlt. Er wies sie ausdrücklich darauf hin, dass es nachteilig sei, wenn sie vorzeitig kündigt, da die Garantie nur dann greift, wenn sie den ganzen Anlagezeitraum im Pool bleibt. S***** informierte sie auch genau über die Abschlusskosten. Schließlich machte B***** S***** für die Klägerin drei Veranlagungen. Unter anderem wurden EUR 26.000,-- mit einer Laufzeit von 15 Jahren für die gegenständliche Lebensversicherung veranlagt. Die Klägerin hatte die Bestimmungen über die Marktpreisanpassung genau durchgelesen, diese jedoch als „schwammig“ empfunden. Sie war der Meinung, dass es sich um keine Hochrisikosache handelt und war sie im Beratungsgespräch dahin informiert worden, dass es „geglättete Kurven“ gibt. Für die Klägerin war aus den Unterlagen nie ersichtlich, wie die Marktpreisanpassung errechnet wird. Eine unverbindliche Musterberechnung erhielt sie nicht. Am 16.8.2002 unterfertigte sie den Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung „Wealthmaster Noble“ mit 15 jähriger Laufzeit. Bei Vertragsabschluss erhielt sie die Policenbedingungen (richtig) Beilage ./B (entspricht Beilage ./5), die Poolinformation Beilage ./C (entspricht Beilage ./3) und die Verbraucherinformation Beilage ./D (entspricht Beilage ./4). Im September 2008 erhielt sie von der Beklagten die Information zum Stand ihres Vertrages zum 10.9.2008 (Beilage . /F). Der Gesamtwert der zugeteilten Anteile wurde ihr zum 10.9.2008 mit EUR 25.128,53 mitgeteilt. Sämtliche ihr übermittelten Urkunden wurden von der Klägerin genau durchgelesen und aufbewahrt. Im März 2009 kündigte sie die Versicherung aufgrund schwerer finanzieller Probleme. Zuvor erkundigte sie sich nirgends, inwieweit sich eine Kündigung auf den Rückkaufwert auswirkt. Ihr war bekannt, dass zum Zeitpunkt ihrer Kündigung der Höhepunkte der Finanzkrise war. Sie befragte vor der Kündigung auch nicht ihren Vermögensberater, der sie dahin informiert hätte, dass ein Rückkauf zu diesem Zeitpunkt denkbar ungünstig ist. Nach Kündigung erhielt die Klägerin von der Beklagten das Schreiben vom 21.4.2009, Beilage ./G. In diesem wurden ihre Anteile mit einem Rücknahmepreis von 2,309, insgesamt mit einem Vertragswert von EUR 25.248,81 bewertet. Davon wurde eine „Marktpreisanpassung“ von EUR 4.544,79 und eine verbleibende Einrichtungsgebühr von EUR 1.750,-- in Abzug gebracht, sodass der Rückgabewert mit EUR 18.954,02 beziffert wurde. Dem Schreiben war nicht zu entnehmen, wie die Marktpreisanpassung errechnet wird. Auch dem Vermögensberater S***** ist es nicht möglich, diese zu errechnen. Ebenso wenig kann die Marktpreisanpassung durch den Angestellten der Vertriebsniederlassung der beklagten Partei in Wien errechnet werden. Für die Ermittlung der Marktpreisanpassung gibt es keine formelhafte Berechnung. Im Vorhinein ist es einem Kunden nicht möglich, sich für einen bestimmten Kündigungszeitpunkt einen allfälligen Verlust auszurechnen. Die Berechnung erfolgt durch den verantwortlichen Versicherungsmakler der beklagten Partei in Großbritannien. Dieser berechnet für den Einstiegszeitpunkt und für den Ausstiegszeitpunkt einen prozentuellen Abschlag oder Zuschlag und berücksichtigt die Wertentwicklung am Markt. Die Wertentwicklung wird aber nicht 1:1 zu übernommen, sondern es wird ein „Glättungsprinzip“ darüber gelegt. Die „geglätteten Kurven“ werden von der Beklagten als Sicherheit für ihre Kunden gesehen. Die Beklagte will den Kunden einen fairen Wert der Veranlagung zukommen lassen. „Fairer Wert“ bedeutet, dass jeder Kunde so am Veranlagungserfolg beteiligt wird, dass dieser während der investierten Perioden abgegolten wird; es sollen aber auch jene Kunden geschützt werden, die vereinbarungsgemäß im Pool bleiben. Es erfolgt eine Gesamteinschätzung durch den verantwortlichen Aktuar. „Diese Berechnung kann rein rechnerisch nicht dargelegt werden“. Es fließt auch eine Zukunftserwartung ein. Hinsichtlich der vom Aktuar einzuhaltenden Richtlinien gibt es aufsichtsrechtliche Vorschriften und erfolgt eine regelmäßige Prüfung durch die Aufsichtsbehörde in Großbritannien.
Unter anderem wird im Punkt 1. der Policenbedingungen, Beilage ./5 = Beilage ./B, der Begriff „Marktpreisanpassung“ wie folgt beschrieben:
Ein eventuell vorgenommener Abzug, wenn Anteile an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs eingelöst werden und ein Rückgabebonus zwar greift, doch sein Betrag Null ist.
Der Zweck der Marktpreisanpassung besteht darin, sicherzustellen, dass der zahlbare Betrag oder (gegebenenfalls) der für die Zuteilung von Einheiten an einen anderen Fonds verwendete Betrag den Wertzuwachs der zugrundeliegenden Vermögenswerte des Pools mit garantiertem Wertzuwachs auf faire Weise während des Zeitraums, während dessen die Anteile dem Vertrag zugeteilt waren, reflektiert und ein Poolen verschiedener Beiträge ermöglicht und/oder der Notwendigkeit gerecht wird, die Interessen anderer Versicherungsnehmer zu schützen, deren Verträge mit dem Pool mit garantiertem Wertzuwachs verknüpft sind.
Als Beispiel werden hier einige Umstände angegeben (sind jedoch nicht hierauf beschränkt), unter denen C***** M***** eventuell einen solchen Abzug vornimmt:
a) wo der seit Vertragsbeginn erfolgte Wertzuwachs, der den Pool mit garantiertem Wertzuwachs zugrunde liegenden Vermögenswerte in Bezug auf die seit Vertragsbeginn ausgezahlten Anteile unter dem von C***** M***** erklärten Wertzuwachs für diese Anteile liegt;
b) wo eine Reihe von Versicherungsnehmern gleichzeitig Anteile des Pools mit garantiertem Wertzuwachs einlösen;
c) wo der bei der Auszahlung eines Vertrages fällige Betrag – einschließlich jeglicher sonstigen bei Auszahlung von Anteilen des Pools mit garantiertem Wertzuwachs in den vorausgehenden 12 Monaten bezahlten Beträge – von C***** M***** für bedeutsam gehalten wird.
Im weiteren Textverlauf wird der Begriff „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“ erklärt.
Punkt 4. (Wechsel zwischen Fonds/Pools („Switching“)) der Policenbedingungen enthält unter Punkt 4.1.6 nachstehenden Passus:
Der Rücknahmewert der einzulösenden Anteile an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs kann je nach Fall um einen Rückgabebonus erhöht oder eine Marktpreisanpassung reduziert werden.
In der Verbraucherinformation Beilage ./4 = Beilage ./D ist in Punkt 5.2.1 dargelegt, dass die Garantie nur unter der Voraussetzung greift, dass die Anlegerin den gesamten Anlagezeitraum im betreffenden Pool verbleibt.
Punkt 5.2.5 formuliert die „Rückgabeanpassung“ wie folgt:
Sollten Sie es sich anders überlegen und vor Ende der vereinbarten Laufzeit aus dem Pool aussteigen, hängt der Ertrag, den Sie erhalten, von der Investment-Performance über den Zeitraum ab, den Sie im Pool verblieben .
a) Rückgabebonus ...
b) Marktpreisanpassung
Steigen Sie vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit aus dem Pool aus, kann eine Marktpreisanpassung fällig werden. Sie wird vom Wert der zurückgegebenen Anteile abgezogen. Die Marktpreisanpassung sorgt dafür, dass Versicherungsnehmer, die ihren Vertrag vorzeitig zurückgeben, einen fairen Wert erhalten und die Sicherheit der verbleibenden Versicherungsnehmer geschützt wird. Die Marktpreisanpassung hängt von den Investmentbedingungen während des Zeitraumes ab, den Sie im Pool verblieben und kann beispielsweise unter folgenden Umständen erfolgen:
- zu Zeiten, in denen der Wert der zugrundeliegenden Vermögenswerte geringer ist als der Wert des Pools, wobei auch der deklarierte Wertzuwachs mit eingeschlossen ist;
- wenn eine besonders hohe Zahl an Versicherungsnehmern gleichzeitig aus dem Pool aussteigt;
- wenn einzelne Versicherungsnehmer hohe Beträge zurückgeben.
Der Klägerin war klar, dass ein vorzeitiger Rückkauf mit finanziellen Nachteilen verbunden sein kann; dies hatte sie mit ihrem Vermögensberater auch besprochen. Der Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin am Höhepunkt der Finanzkrise war der denkbar schlechteste. Die Klägerin las sämtliche Formulierungen der Beklagten in den Policenbedingungen und der Verbraucherinformation genau durch, ebenso den Prospekt. Sie empfand die Formulierungen als „schwammig“ (unbekämpft gebliebener Sachverhalt in den Urteilsseiten 4 bis 12).
Mit der vorliegenden Klage forderte die Klägerin die Rückerstattung der „Marktpreisanpassung“ von EUR 4.544,79 s.A.. Sie habe eine Lebensversicherung Euro-Pool Serie 2000EINS gegen Zahlung von EUR 26.000,-- abgeschlossen. Der Einmalerlag werde von der Beklagten in Kapitalmarktprodukte veranlagt, die Kursschwankungen unterliegen würden. Der Wert der Anteile der Klägerin könne entsprechend dem Wert der veranlagten Wertpapiere steigen oder fallen. Aufgrund finanzieller Probleme sei sie gezwungen gewesen, ihre Anteile zum 21.4.2009 zurückzukaufen. Der Wert der Anteile habe sich auf EUR 25.248,81 belaufen, wovon eine Marktpreisanpassung in Höhe des Klagsbetrages einbehalten worden sei. Der Einbehalt sei zu Unrecht erfolgt, da er auf gänzlich intransparente Vertragsbestimmungen zurückzuführen sei, die gemäß § 6 Abs 3 KSchG unwirksam seien. Gegenüber dem Versicherungsnehmer werde nicht klargelegt, wie sich der Rückkaufswert gestalte, sodass der Beklagten als Versicherer ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zustehe. Im Übrigen werde das Klagebegehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, auch auf Irrtum, gestützt. Auf das Lebensversicherungsprodukt der Beklagten sei sie über Vermittlung des AWD in Person des B***** S***** aufmerksam gemacht worden. Mit dem Antragsformular habe sie die Policenbedingungen, eine Poolinformation sowie eine Verbraucherinformation erhalten. Über die Marktpreisanpassung sei nie gesprochen worden. Die Ermittlung der Wertpreisanpassung sei für die Klägerin nicht nachvollziehbar. Es ergebe sich weder aus dem Versicherungsvertrag, noch den Policenbedingungen und der Verbraucherinformation, wie sich der Rückkaufswert, namentlich der Abschlag, aus dem Titel „Marktpreisanpassung“ gestalte. Zur Stützung ihres Anspruchs beziehe sich die Klägerin auf die Entscheidung des OGH 7 Ob 23/07 v. Weder aus den Policenbedingungen noch aus der Poolinformation oder der Verbraucherinformation könne sich die Klägerin auch nur annähernd ein Bild davon machen, welche Teile des getätigten Einmalerlags aus dem Titel der Marktpreisanpassung einbehalten würden und welche Teile des Kapitals zurückgeführt würden. Der Beklagten wäre es zumutbar, eine Modellberechnung anzustellen und die Marktpreisanpassung in Prozentsätzen auszudrücken. Hier werde die Klägerin auf irgendwelche, in keiner Weise nachvollziehbare bzw. transparente Berechnungen eines englischen Versicherungsmathematikers verwiesen, der nach Richtlinien eines Berufsstandes vorgehe, die ihr gleichfalls nicht bekannt seien. Die Policenbedingungen seien hinsichtlich des Einbehalts einer Marktpreisanpassung intransparent und der Klägerin gegenüber unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion werde vom OGH abgelehnt. Hier gehe es um eine intransparente Vertragsbestimmung, über die auch der Versicherungsmakler des AWD bei bester Kenntnis des Produkts nicht hätte aufklären können, da die Berechnung ausschließlich einem Versicherungsmathematiker in England obliege. Auch ein durchschnittlicher Verbraucher könne eine Marktpreisanpassung nicht einmal annähernd berechnen.
Die beklagte Partei bestritt, beantragte die Klageabweisung und wendete primär ein, für allfällige Beratungsmängel hafte der für den AWD tätig gewordenen B***** S*****. Auch beim gegenständlichen Produkt solle der Versicherungsnehmer direkt an der Kursentwicklung teilhaben. Der gegenständliche Vertrag enthalte eine Garantie. Das Fondsvermögen sei in den Pool mit garantiertem Wertzuwachs 2000EINS veranlagt worden. Der Pool garantiere nur zum Ende der vereinbarten Laufzeit, dass die Anteile am Pool nicht fallen, sondern kontinuierlich steigen würden. Dass die tatsächlichen Anteilswerte im Rückkaufszeitpunkt etwa 20 % unter den garantierten Anteilswerten gelegen seien, sei daran gelegen, dass die Klägerin den Vertrag zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt auf der Höhe der internationalen Finanzkrise zurückgekauft habe. Die Marktpreisanpassung wäre nicht angefallen, hätte die Klägerin den Vertrag nicht vor der vereinbarten Laufzeit gekündigt. Die Differenz zwischen garantierten Anteilswerten und tatsächlichen Anteilswerten werde im Kündigungszeitpunkt durch den Rückgabebonus oder die Marktpreisanpassung ausgeglichen. Liege der garantierte Wert unter dem tatsächlichen Anteilswert, gäbe es einen Rückgabebonus, liege er über dem tatsächlichen Anteilswert, werde vom garantierten Wert die Differenz in Form der Marktpreisanpassung abgezogen. All dies sei in den Verbraucherinformationen und Policenbedingungen umfassend beschrieben. Dass bei Vertragsabschluss nicht festgestanden sei, ob und in welcher Höhe eine Marktpreisanpassung notwendig werde, liege in der Natur des Vertrages; die Entwicklung am Kapitalmarkt könne nicht vorhergesagt werden. Die Marktpreisanpassung habe die garantierten Werte an die im März 2009 tatsächlich am Markt erzielbaren Werte angepasst. Der Klägerin sei der wahre Wert bzw. der Zeitwert des Vertrages gemäß § 176 Abs 3 VersVG ausbezahlt worden. Bei einem Ausstieg aus dem Pool vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit entfalle die Garantie und der Versicherungsnehmer erhalte den Wert, der dem Wert der im Pool befindlichen Kapitalanlagen entspreche. Dieser Wert könne bei der gegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung über oder unter dem garantierten Wert liegen. Der tatsächliche Wert der Poolanteile hänge einzig vom jeweiligen Kurs der im Pool befindlichen Kapitalanlagen ab und könne nicht im Voraus bestimmt werden. Steige der Wert, erhalte der Versicherungsnehmer den garantierten Wert und zusätzlich einen Fälligkeitsbonus. Sinke der Wert der Kapitalanlagen im Pool unter den garantierten Wert, erhalte der Versicherungsnehmer bei einem Ausstieg aus dem Pool vor der vereinbarten Laufzeit wieder den tatsächlichen Wert. Diesfalls erhalte er allerdings den garantierten Wert abzüglich einer entsprechenden Marktpreisanpassung. All dies sei in Punkt 5. der Verbraucherinformationen beschrieben. Die Klägerin sei zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt im März 2009 aus dem Pool mit garantiertem Wertzuwachs ausgestiegen, sodass sie eben nicht den garantierten Vertragswert, sondern nur den zu diesem Zeitpunkt gültigen tatsächlichen Wert erhalten habe. Dabei sei beim Ausstieg eine Marktpreisanpassung abgezogen worden. In Punkt 1. der Policenbedingungen finde sich dazu eine Begriffsdefinition. Da die Klägerin von einem unabhängigen Makler beraten worden sei, komme es im gegenständlichen Fall ausschließlich auf dessen Produktverständnis an. Ausgehend von den Verständigungsmöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei die Beschreibung der Funktion des Pools mit garantiertem Wertzuwachs in Punkt 5. der Verbraucherinformation verständlich im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG gewesen. Dass die Garantie nur zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit gelte, ergebe sich ausreichend klar aus Punkt 5.2.1 der Verbraucherinformationen. Der Beschreibung der Rückgabeanpassung in Punkt 5.2.5 der Verbraucherinformationen sei klar zu entnehmen, dass die Klägerin beim Ausstieg vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit den tatsächlichen Wert und nicht den garantierten Wert erhalte. Punkt 5.2.5 lit. b der Verbraucherinformation sei zu entnehmen, dass eine Marktpreisanpassung unter Umständen fällig werden könne. Die Klauseln seien vom Oberlandesgericht Karlsruhe beurteilt und für zulässig erachtet worden. Dass die Höhe der Marktpreisanpassung schwanke und daher nicht, auch nicht beispielhaft in den AVB dargestellt werden könne, liege daran, dass sich diese Marktpreisanpassung im Voraus nur abstrakt beschreiben lasse und konkrete Angaben darüber, ob und gegebenenfalls wie hoch sie ausfallen werde, nicht möglich sei. Ob die konkrete Marktpreisanpassung von rund 20 % im März 2009 angemessen gewesen sei, könne nur von einem Aktuar überprüft werden. Die Ausführungen der Klägerin zur Rechtsprechung des OGH zu Kostenklauseln und Rückkaufsabschlägen hätten mit der Marktpreisanpassung nichts zu tun, da die Kosten und deren Verrechnung bereits bei Vertragsabschluss in Punkt 8. der Policenbedingungen detailliert offengelegt worden seien. Es werde gar nicht bestritten, dass die Marktpreisanpassung im Vorhinein nicht berechnet werden könne.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Im Rahmen der Rechtsbeurteilung führte es aus, die Klägerin stütze ihr Klagebegehren nicht auf Beratungsfehler, sondern auf § 6 Abs 3 KSchG. Die von der Beklagten in den Policenbedingungen und der Verbraucherinformation festgehaltenen Bedingungen seien nicht unklar oder unverständlich. Auch für den durchschnittlichen Konsumenten sei klar und deutlich zu entnehmen, dass die Garantie nur zum Ende einer vereinbarten Vertragslaufzeit gelte und bei einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Pool eine Marktpreisanpassung fällig werden könne, die vom Wert der zurückgegebenen Anteile abgezogen werde. Eine nähere Beschreibung sei für die Beklagte nicht möglich. Die zukünftige Marktentwicklung könne nicht vorhergesehen werden. Eine weiter ins Detail gehende Regelung der Marktpreisanpassung sei weder erforderlich, noch der Beklagten zumutbar. Angesichts des Zwecks der Marktpreisanpassung müssten zahlreiche nur mögliche zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden, um sämtliche denkbare Fallgruppen zu erfassen. Eine derart ausufernde Regelung sei nicht Sinn und Zweck des Transparenzgebotes. Eine Finanzkrise, wie sie 2009 eingetreten sei, sei auch für die Beklagte nicht vorhersehbar gewesen. Die Klägerin sei auch nicht in Irrtum geführt worden. Sie sei auch darüber informiert gewesen, dass ein vorzeitiger Rückkauf ungünstig und finanziell sehr nachteilig sein könne.
Dagegen richtet sich eine fristgerecht, aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung der klagenden Partei. Sie beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern, allenfalls mit Aufhebung vorzugehen.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.
Der Berufung, über die entgegen dem Antrag der beklagten Partei gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, kommt (von der Zinsenforderung abgesehen) Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Mit der vorliegenden Klage strebt die klagende Partei die Auszahlung jenes Betrages an, der von der beklagten Partei vom Rücknahmewert zum Zeitpunkt 21.4.2009 (EUR 25.248,81) unter dem Titel der „Marktpreisanpassung“ in einer Höhe von EUR 4.544,79 in Abzug gebracht wurde. Jene, eine Marktpreisanpassung zum Inhalt habenden Klauseln in den Policenbedingungen (Beilagen ./5 = ./B) und der Verbraucherinformation (Beilage ./4 = ./D) würden dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG zuwiderlaufen und demnach unwirksam sein.
Dieser, nunmehr auch in der Rechtsrüge vertretenen Auffassung ist, entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes, aus nachstehenden Erwägungen beizutreten:
In zahlreichen Judikaten (vgl. die Rechtssatzkette RIS-Justiz RS0121728) führte der Oberste Gerichtshof zu den, insoweit grundsätzlich gleich zu behandelnden klassischen und fondsgebundenen, Lebensversicherungen aus, dass mit dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG der Artikel 5 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 93/13/EWG, umgesetzt wurde. Demnach müssen dem Verbraucher in Verträgen unterbreitete und schriftlich niedergelegte Klauseln stets klar und verständlich abgefasst sein. Der Verbraucher muss in der Lage sein, seine Rechtsposition zu durchschauen sowie den Inhalt und die Tragweite einer Vertragsklausel zu erfassen (Sinnverständlichkeit). Dazu gehört auch, dass der Verbraucher bis zu einem gewissen Grad die wirtschaftlichen Folgen einer Regelung abschätzen kann. Ziel des Transparenzgebotes ist es, eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung allgemeiner Vertragsbestimmungen sicherzustellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Durchschnittsverbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird, ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden, ohne dass er sich zur Wehr setzt, oder er über Rechtsfolgen getäuscht oder ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird. Der Oberste Gerichtshof sprach mehrfach aus, dass Klauseln in Versicherungsbedingungen, die den Rückkaufwert von Lebensversicherungen regeln, wegen Intransparenz unwirksam sind, wenn sie dem Versicherungsnehmer etwaige wirtschaftliche Nachteile nicht deutlich vor Augen führen. So wurde bereits der bloße Verweis auf „tarifliche Grundsätze“ oder „Regeln der Versicherungsmathematik“ als nicht ausreichend angesehen, wenn diese nicht offen gelegt werden (RIS-Justiz RS0121728, RS0121727, RS0121730, RS0115219; zuletzt z.B. 7 Ob 16/08 s).
Der Berufungssenat geht insoweit mit der Auffassung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe konform (die Entscheidung wurde als Beilage ./8 vorgelegt; vgl. zur Beachtlichkeit der deutschen Auffassung bei der Auslegung des Transparenzgebotes OGH 4 Ob 28/01 y), als es zum Ergebnis gelangte, aus den eingangs wiedergegebenen, auch vom deutschen Gerichtshof zu beurteilenden, Klauselinhalten (Punkte 1.2 lit. b, Punkt 1.3 der Policenbedingungen sowie Punkt 5.2.5 lit. b der Verbraucherinformation) wäre einem durchschnittlichen Verbraucher und Versicherungsnehmer klar gewesen, dass Auszahlungen vor Beendigung der Laufzeit des Vertrages wirtschaftliche Nachteile entfalten könnten. Eindeutig ergab sich aus den Klauseln weiters, dass bei einem Aussteigen vor Ende der vereinbarten Laufzeit ein Rückgabebonus oder eine Marktpreisanpassung fällig werden könnte.
Der Einschätzung der Klägerin, die in den Klauseln vorgenommenen Definition der Marktpreisanpassung wäre „schwammig“ ist dann jedoch zu teilen: Der Zweck der Marktpreisanpassung wird damit erklärt, dass der Versicherungsnehmer einerseits einen - nicht weiter determinierten - „fairen Wert“ erhalten soll, andererseits „die Sicherheit der verbleibenden Versicherungsnehmer geschützt wird“. Die Marktpreisanpassung hänge von Investmentbedingungen während des Zeitraums ab, den der Versicherungsnehmer im Pool verblieb (Punkt 1.3 der Policenbedingungen sowie Punkt 5.2.5 lit. b der Verbraucherinformation). Wenn die Klägerin auch klar und eindeutig darüber aufgeklärt wurde, es treffe sie bei vorzeitigem Ausstieg aus der Lebensversicherung das Risiko einer „Marktpreisanpassung“, wurde ihr doch in keiner Weise deutlich oder gar nachvollziehbar vor Augen geführt, in welchem Umfang, in welcher Höhe oder in welcher Relation zum veranlagten Betrag, eine Marktpreisanpassung den errechneten Rückgabewert (den die Klägerin jedenfalls akzeptierte) reduzieren kann. Weder die Verbraucherinformation noch die Policenbedingungen lassen erkennen, welche Parameter für eine Berechnung maßgeblich sein könnten, wie diese zu einem mathematisch bestimmbaren Rechenergebnis (einem prozentuellen Abschlag vom wahren Wert) führen können und „wer“ letztlich für das zahlenmäßig gefasste Ergebnis verantwortlich ist. Dem Versicherungsnehmer wird in keiner Weise erkennbar, dass er sich hinsichtlich der Marktpreisanpassung in die Hände eines in Großbritannien ansässigen Aktuars begibt und nach welchen (gleichfalls intransparent gebliebenen) Richtlinien dieser vorzugehen hätte.
Als wesentliches Ergebnis ist somit festzuhalten, dass für die Klägerin nicht einmal erkennbar wurde, dass sie sich hinsichtlich einer möglicherweise greifenden Marktpreisanpassung „Berechnungen“ aussetzt, deren konkretes procedere in keiner Weise offen gelegt wird. Es kann daher keine Rede davon sein, ihr wären die wirtschaftlichen Nachteile eines Ausstiegs deutlich vor Augen geführt worden. Dass sich die beklagte Partei durch die Klauseln de facto vielmehr ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräumen ließ, hatte dann auch das Landesgericht Konstanz erkannt (siehe Seite 4 der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe, Beilage ./8). Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe nicht, wonach eine abstrakte Erläuterung der einzustellenden Berechnungsfaktoren die Rechte des Verbrauchers nicht verbessern würde. Der Klägerin hätte zumindest transparent gemacht werden müssen, wie und unter Einbeziehung welcher Faktoren durch welche Stelle eine Marktpreissanpassung berechnet wird. Die in Seite 8 der angefochtenen Entscheidung beschriebene Vorgangsweise eines britischen Aktuars war der Versicherungsnehmerin in keiner der Klauseln bekannt gemacht worden. Angemerkt sei noch, dass auch die Abrechnung Beilage ./G nicht erkennen ließ, aufgrund welcher Berechnungsgrundlagen und Berechnungsmethoden der für die „Marktpreisanpassung“ abgezogene Betrag zustande kam. Dass der Klägerin aus den Polizzen- und Vertragsbedingungen deutlich erkennbar war, dem Risiko einer Marktpreisanpassung zu unterliegen, reicht nicht hin, um dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG Genüge zu tun, zumal für sie gänzlich unbestimmt blieb, aufgrund welcher (mathematischer) „Multivarianten Verfahren“ und welcher Gesetzmäßigkeiten eine Berechnung durchgeführt werden würde.
Zufolge der gemäß § 6 Abs 3 KSchG gegebenen Unwirksamkeit der die Marktpreisanpassung zum Inhalt habenden Klauseln ist hier einer Anwendung des § 915 ABGB der Boden entzogen.
Mangels einer den Abzug unter dem Titel „Marktpreisanpassung“ in Höhe von EUR 4.544,79 rechtfertigenden Vertragsgrundlage war die angefochtene Entscheidung daher in Stattgebung der Berufung im Sinne eines gänzlichen Zuspruchs des Klagsbetrages abzuändern.
Mangels eines entsprechenden Nachweises waren Zinsen erst ab dem der Klagszustellung folgenden Tag (vgl. ON 6), somit dem 9.9.2009, zuzuerkennen.
Die Abänderung der angefochtenen Entscheidung bedingt die Neufassung der Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nach § 41 ZPO: Einwände nach § 54 Abs 1a ZPO wurden nicht erhoben. Ein rücküberwiesener Kostenvorschussrest von EUR 629,80 (ON 17) fand Berücksichtigung.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Gemäß § 23 Abs 9 RATG gebührt lediglich der dreifache Einheitssatz.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision fußt auf § 502 Abs 2 ZPO.
Textnummer
ELE00033European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00609:2010:00100R00264.10F.1012.000Im RIS seit
10.02.2011Zuletzt aktualisiert am
10.02.2011