Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Dr. Bachner-Foregger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Hautz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer in der Medienrechtssache der Antragstellerin G***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegen die Antragsgegnerin K***** Gesellschaft mbH & Co KG wegen §§ 14, 18 MedienG, AZ 94 Hv 31/04y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Medienrechtsverfahrens in Bezug auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. September 2009, AZ 17 Bs 180/09h, nach Anhörung der Generalprokuratur sowie der Antragstellerin G***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache der Antragstellerin G***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG wegen §§ 14, 18 MedienG, AZ 94 Hv 31/04y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, hob der Oberste Gerichtshof aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mit Urteil vom 26. September 2006, AZ 11 Os 73/06d, 11 Os 74/06a (ON 20), das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Juli 2004, GZ 94 Hv 31/04y-9, soweit darin auf teilweise Veröffentlichung der beantragten Gegendarstellung erkannt worden war, und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. September 2005, AZ 17 Bs 337/04 (ON 15), mit dem der Berufung der Antragsgegnerin nicht Folge gegeben worden war, auf und erkannte in der Sache selbst auf Abweisung des Begehrens der Antragstellerin, die Antragsgegnerin als Medieninhaberin der periodischen Druckschrift „K*****“ zur einer - im Urteil wiedergegebenen - Gegendarstellung zu verpflichten.
Unter einem wurde die Antragsgegnerin gemäß § 17 Abs 4 MedienG ermächtigt, binnen eines Monats ab Zustellung dieser Entscheidung den textlich vorgegebenen Inhalt dieses Urteils zu veröffentlichen. Die Antragstellerin wurde zur Zahlung des Entgelts für die zu Unrecht erwirkte Veröffentlichung der Gegendarstellung und für die Veröffentlichung der von der obigen Ermächtigung betroffenen Einschaltung (§ 17 Abs 5 MedienG) sowie zum Kostenersatz verurteilt.
Mit Beschluss vom 13. August 2007, GZ 94 Hv 31/04y-24, bestimmte das Landesgericht für Strafsachen Wien das von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu zahlende Entgelt für die zu Unrecht erwirkte Veröffentlichung der Gegendarstellung sowie für die Veröffentlichung der Einschaltung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 26. September 2006 mit insgesamt 101.385,59 Euro, nämlich zu erstem Punkt mit 46.528,97 Euro (darin enthalten 20 % Umsatzsteuer und 5 % Werbeabgabe) und zu zweitem Punkt mit 54.856,62 Euro (darin enthalten 20 % Umsatzsteuer und 5 % Werbeabgabe). Unter einem verpflichtete es die Antragstellerin zur Zahlung dieser Beträge.
Das Erstgericht ging dabei davon aus, dass sich das Einschaltungsentgelt nach § 17 Abs 5 MedienG nach dem üblichen Tarif für Inserate und Werbeeinschaltungen zuzüglich aller Steuern und Abgaben richte und demnach auch die Umsatzsteuer und die Werbeabgabe („fiktive Kosten“) umfasse.
Aus Anlass der dagegen erhobenen Beschwerde der Antragstellerin hob das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 31. Dezember 2008, AZ 17 Bs 233/07z (ON 28), diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf.
Mit Beschluss vom 27. März 2009 (ON 37) sprach das Erstgericht aus, die Antragstellerin habe der Antragsgegnerin gemäß § 17 Abs 5 MedienG einen Betrag von insgesamt 47.028,97 Euro zu ersetzen. Dieser setze sich zusammen aus 46.528,97 Euro für die zu Unrecht bewirkte Veröffentlichung der Gegendarstellung vom 24. Juli 2004 und 500 Euro als Kosten für die Veröffentlichung der Einschaltung des Urteils vom 28. Februar 2007.
Dieser Beschluss wurde in der Verhandlung am 27. März 2009 (ON 36) mündlich verkündet. Noch am selben Tag übermittelte die Antragsgegnerin per webERV die „Anmeldung der Beschwerde“ gegen diesen Beschluss (ON 38). Nach Zustellung einer Beschlussausfertigung langte am 28. April 2009 neuerlich auf elektronischem Weg die schriftliche Ausführung der Beschwerde (ON 39) beim Erstgericht ein.
Diese Beschwerde wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. September 2009, AZ 17 Bs 180/09h (ON 41), als unzulässig zurückgewiesen, weil gemäß § 88 Abs 1 StPO die Beschwerde nicht nur den angefochtenen Beschluss erkennen lassen müsse, sondern darüber hinaus anzugeben habe, worin die Verletzung des Rechts bestehen solle. Die fälschlich als „Anmeldung der Beschwerde“ bezeichnete Eingabe vom 27. März 2009 werde dieser Anforderung nicht gerecht, weil sie keine Anhaltspunkte dafür enthalte, welche durch den bezeichneten Beschluss erfolgte „Rechtsverletzung“ angefochten werde. Es handle sich daher nicht um eine Beschwerde. Die Beschwerdeausführung vom 28. April 2009, die inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entspreche, sei aber verspätet eingebracht worden.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts richtet sich der - fristgerechte - Antrag auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO der Antragsgegnerin, die sich in ihren durch Art 6 und Art 10 MRK sowie Art 1 1. ZPMRK gewährleisteten Rechten verletzt sieht.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es sich bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. Wurde eine Grundrechtsverletzung bereits anerkannt und ausdrücklich sowie im Lichte der Judikatur der Strassburger Instanzen ausreichend (Grabenwarter, EMRK4 § 13 Rz 15 und FN 70 bis 72; EGMR ÖJZ 2009/4 [MRK], 571 [Z 75]) ausgeglichen, fehlt es dem Erneuerungswerber an der fortdauernden Opfereigenschaft iSv Art 34 MRK (RIS-Justiz RS0125374).
Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 15. September 2010, AZ 15 Os 45/10x, 46/10v, 47/10s, 48/10p, wurde (unter anderem) der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. September 2009, AZ 17 Bs 180/09h, aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. März 2009, GZ 94 Hv 91/04y-37, aufgetragen.
Der Antrag war daher im Hinblick auf den Wegfall der Opfereigenschaft gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 StPO in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E95580European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00030.10S.1013.000Im RIS seit
05.12.2010Zuletzt aktualisiert am
05.12.2010