TE OGH 2010/10/19 10ObS29/10b

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Veröffentlicht am 19.10.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. B*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen Wochengeld, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. November 2009, GZ 12 Rs 173/09m-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. März 2009, GZ 14 Cgs 12/09p-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 371,52 EUR (darin enthalten 61,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 23. 1. 1974 geborene Klägerin war vom 1. 10. 2004 bis 16. 10. 2006 als Angestellte der F***** GmbH pflichtversichert. Ohne Sonderzahlungen betrug ihr monatliches Gehalt zuletzt (Juli bis September 2006) jeweils 1.952,50 EUR netto.

Vom 17. 10. 2006 bis 6. 2. 2007 war sie anlässlich der Geburt ihres ersten Kindes am 30. 11. 2006 in Mutterschutz und bezog ein tägliches Wochengeld von 74,49 EUR. Daran anschließend erhielt sie vom 7. 2. 2007 bis 9. 12. 2008 ein tägliches Kinderbetreuungsgeld von 14,53 EUR. Während dieses Zeitraums war die Klägerin vom 1. 10. 2007 bis 31. 10. 2008 (mit Ausnahme einer Unterbrechung vom 1. 8. bis 31. 8. 2008) in Bildungskarenz und bezog deshalb bis 31. 12. 2007 ein tägliches Weiterbildungsgeld von 14,53 EUR und ab 1. 1. 2008 ein solches von täglich 41,11 EUR zusätzlich zum Kinderbetreuungsgeld.

Am 10. 12. 2008 brachte die Klägerin ihr zweites Kind zur Welt. Sie war von 24. 10. 2008 bis 13. 2. 2009 (113 Tage) in Mutterschutz. Aus Anlass dieses neuen Versicherungsfalls gewährte ihr die Beklagte ein Wochengeld von 26,15 EUR täglich (= 14,53 EUR x 1,8), also in Höhe des um 80 % erhöhten Kinderbetreuungsgeldes. Der Anspruch auf das Kinderbetreuungsgeld und Weiterbildungsgeld ruhte ab 24. 10. 2008.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. 12. 2008 hat die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zahlung eines höheren Wochengeldes als 26,15 EUR ab dem 24. 10. 2008 bis voraussichtlich 13. 2. 2009 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der vor dem Weiterbildungsgeld vorliegende „Arbeitsverdienst“ (iSd § 41 Abs 1 AlVG iVm § 162 Abs 3 und 4 ASVG) das Kinderbetreuungsgeld sei. Der tägliche Satz des vor Beginn des Weiterbildungsgeldes bezogenen Kinderbetreuungsgeldes als Berechnungsbasis für das Wochengeld ergebe ein tägliches Wochengeld von 14,53 EUR zuzüglich 80 % = 26,15 EUR.

Die dagegen erhobene Klage ist auf Zahlung eines Wochengeldes in Höhe von 100,64 EUR täglich für die Dauer des Mutterschutzes (113 Tage) gerichtet. Der Klägerin gebühre ein Wochengeld von insgesamt 11.372,32 EUR, sodass ihr abzüglich der bereits erhaltenen 2.954,95 EUR noch 8.417,37 EUR zustünden. Bei der Bemessung der Leistung müsse zusätzlich zum Kinderbetreuungsgeld auch das daneben bezogene Weiterbildungsgeld berücksichtigt werden. Dafür gebühre der Klägerin gemäß § 41 Abs 1 AlVG ein (weiteres) Wochengeld in Höhe des dem Bezug von Weiterbildungsgeld vorangehenden, gemäß § 162 Abs 3 und 4 ASVG zu ermittelnden Arbeitsverdienstes. Dies sei der Nettogehalt der Klägerin in den letzten drei Kalendermonaten ihres Dienstverhältnisses (Juli, August und September 2006) von jeweils 1.952,50 EUR zuzüglich 17 % Sonderzahlungsanteil (995,78 EUR). Im Beobachtungszeitraum habe die Klägerin demnach insgesamt 6.853,28 EUR netto verdient. Auf einen Kalendertag entfalle daher ein durchschnittlicher Arbeitsverdienst von 74,49 EUR netto, der zusätzlich zum Kinderbetreuungsgeld für die Bemessung des Wochengeldes heranzuziehen sei.

Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Das Wochengeld sei ausschließlich auf Grundlage des zuletzt bezogenen Kinderbetreuungsgeldes zu bemessen. Ein zusätzlicher Anspruch nach § 41 Abs 1 AlVG bestehe nicht, weil die Klägerin vor dem Bezug des Weiterbildungsgeldes keinen Arbeitsverdienst, sondern nur Kinderbetreuungsgeld bezogen habe. Die Sonderbestimmung des § 41 Abs 1 AlVG wäre nur anwendbar, wenn im Zeitraum gemäß § 162 Abs 3 ASVG neben dem Weiterbildungsgeld Arbeitsverdienste angefallen wären.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Es erkannte der Klägerin über die bereits bezogene Geldleistung von 2.954,95 EUR hinaus für den Zeitraum des Mutterschutzes ein weiteres Wochengeld in gleicher Höhe zu und wies das Mehrbegehren von 5.462,42 EUR ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, dass für die Höhe des der Klägerin gebührenden Wochengeldes zunächst das von ihr bezogene Kinderbetreuungsgeld maßgebend sei. Unter Berücksichtigung des § 162 Abs 3a Z 2 ASVG ergebe sich bereits daraus ein Wochengeldanspruch in Höhe von 180 % des Kinderbetreuungsgeldes (= 14,53 EUR), also 26,15 EUR täglich. Weiters sei für die Bemessung des Wochengeldes der Bezug von Weiterbildungsgeld durch die Klägerin zu berücksichtigen. Diese von der Klägerin im Beobachtungszeitraum nach dem AlVG 1977 bezogene Leistung sei jedoch für die Bemessung des Wochengeldes nicht im Ausmaß des tatsächlich bezogenen Weiterbildungsgeldes von 41,11 EUR täglich, sondern gemäß § 41 Abs 1 AlVG in der Höhe zu berücksichtigen, die sich gemäß § 162 Abs 3 und 4 ASVG aus dem Arbeitsverdienst ergebe, der dem Bezug von Weiterbildungsgeld vorangehe. Die Klägerin habe unmittelbar vor dem Weiterbildungsgeld (nur) das Kinderbetreuungsgeld bezogen. Dieses sei daher im konkreten Fall als „Arbeitsverdienst“ anzusehen. Für die Bemessung des Wochengeldes könne daher (auch nach § 41 Abs 1 AlVG) nicht auf den früheren Verdienst der Klägerin aus ihrem Dienstverhältnis zurückgegriffen werden. Es sei vielmehr das vor dem Weiterbildungsgeld von der Klägerin bezogene und um 80 vH zu erhöhende Kinderbetreuungsgeld als „Arbeitsverdienst“ heranzuziehen, sodass sich ein zusätzlicher Anspruch auf Wochengeld von 26,15 EUR täglich, also in Höhe von insgesamt 2.954,95 EUR für den Anspruchszeitraum vom 24. 10. 2008 bis 13. 2. 2009 (113 Tage) ergebe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Mehrbegehrens von 5.462,42 EUR Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin (insgesamt) 8.362 EUR an restlichem Wochengeld für den Zeitraum vom 24. 10. 2008 bis 13. 2. 2009 zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von 55,37 EUR ab. Es verwies in seiner rechtlichen Beurteilung insbesondere darauf, dass im Berufungsverfahren auch seitens des beklagten Krankenversicherungsträgers gar nicht mehr in Zweifel gezogen werde, dass das Wochengeld der Klägerin im Hinblick auf ihre zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls bestehende Mehrfachversicherung (Bezug von Weiterbildungsgeld und Kinderbetreuungsgeld) nicht nur nach § 162 Abs 3a Z 2 ASVG mit 180 % des zuletzt bezogenen Kinderbetreuungsgeldes zu bemessen sei, sondern dass darüber hinaus (kumulativ) auch ein Anspruch auf Wochengeld aufgrund des zuletzt bezogenen Weiterbildungsgeldes bestehe. Zur demnach allein strittigen Frage, mit welchem Betrag der Bezug des Weiterbildungsgeldes (zusätzlich zu dem der Klägerin als Bezieherin des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 162 Abs 3a Z 2 ASVG jedenfalls gebührenden Betrag) auf die Höhe des ihr insgesamt zustehenden Wochengeldes durchschlage, vertrat das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung im Ergebnis die Ansicht, dass dieser Wochengeldanspruch der Klägerin im vorliegenden Fall nach der allgemeinen Regelung des § 41 Abs 1 AlVG mit 180 % des Weiterbildungsgeldbezugs der Klägerin zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls zu bemessen sei.

Der Weiterbildungsgeldbezug der Klägerin habe zuletzt 41,11 EUR täglich betragen. Erhöht um 80 vH seien daher (in analoger Anwendung des § 41 Abs 1 AlVG) 74 EUR der Bemessung des konkreten Wochengeldes zu Grunde zu legen. Dazu kämen noch (unbekämpft) gemäß § 162 Abs 3a Z 2 ASVG weitere 26,15 EUR entsprechend dem um 80 vH erhöhten Kinderbetreuungsgeld. Das Wochengeld der Klägerin habe daher 100,15 EUR täglich zu betragen. Für den gesamten Anspruchszeitraum (113 Tage) stünden ihr demnach 11.316,95 EUR zu, sodass abzüglich der bereits erhaltenen 2.954,95 EUR restlich noch 8.362 EUR zuzusprechen seien, während das geringfügige Mehrbegehren von 55,37 EUR abzuweisen sei.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bemessung des Wochengeldes bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer neben dem Bezug von Kinderbetreuungsgeld angetretenen Bildungskarenz fehle und der Lösung dieser Rechtsfrage über den konkreten Fall hinaus erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, soweit damit das Mehrbegehren von 55,37 EUR abgewiesen bzw ein über das Ersturteil hinausgehender Zuspruch erfolgte, richten sich die Revisionen beider Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die beklagte Partei zur Zahlung eines weiteren Betrags von 55,37 EUR zu verpflichten bzw das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

In der Revisionsbeantwortung der Klägerin wird beantragt, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben. Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revision der Klägerin hält daran fest, es sei weder dem „Lösungsansatz“ des Erstgerichts noch jenem des Berufungsgerichts zu folgen. Aus den Bestimmungen des § 162 Abs 3 iVm Abs 3a Z 2 ASVG und des § 41 Abs 1 AlVG sei vielmehr abzuleiten, dass das Wochengeld - als echter Einkommensersatz nach dem Eintritt des Versicherungsfalls - die im Bemessungszeitraum bestehenden durchschnittlichen Einkommensverhältnisse der Versicherten aufrechterhalten solle. Dieses Ziel des Gesetzgebers könne im vorliegenden Fall zum Ergebnis führen, dass beide „Einkunftsarten“, nämlich der Arbeitsverdienst der Klägerin bei der F***** GmbH und das Kinderbetreuungsgeld erhöht um 80 vH (also nicht - wie das Berufungsgericht meine - kumulativ das Weiterbildungsgeld erhöht um 80 vH und das Kinderbetreuungsgeld erhöht um 80 vH), kumulativ heranzuziehen seien.

Die Revision der beklagten Partei schließt sich hingegen der Beurteilung des Erstgerichts an und vertritt die Auffassung, als Bemessungsgrundlage für das Wochengeld sei nicht das Weiterbildungsgeld von 41,11 EUR täglich, sondern das - vorangehende - Kinderbetreuungsgeld von 14,53 EUR täglich heranzuziehen.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Das Wochengeld aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft nach dem ASVG ist eine Geldleistung aus der Krankenversicherung (vgl § 117 Z 4 lit d ASVG). Der Versicherungsfall der Mutterschaft tritt in der Regel mit dem Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung (Beginn der Schutzfrist) ein (§ 120 Z 3 ASVG). § 122 ASVG regelt die Anspruchsberechtigung auf Leistungen aus der Krankenversicherung während der Dauer (dem aufrechten Bestand) der Versicherung (Abs 1 lit a) und nach dem Ausscheiden aus der Versicherung (Abs 1 lit b und Abs 2). § 122 Abs 3 ASVG enthält für den Versicherungsfall der Mutterschaft eine eigene Schutzfristbestimmung. Danach sind - über die Bestimmungen des Abs 2 hinaus - Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch zu gewähren, wenn

- der Versicherungsfall nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt,

- der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls in den Zeitraum des Bestands der beendeten Pflichtversicherung fällt und

- die Pflichtversicherung mindestens dreizehn Wochen bzw drei Kalendermonate ununterbrochen bestanden hat.

1.1. Der Schutzfristfall des § 122 Abs 3 ASVG eröffnet somit den Anspruch auf Wochengeld auch solchen werdenden Müttern, bei denen zwar (ungefähr) bei Eintritt ihrer Schwangerschaft eine aufrechte Pflichtversicherung bestanden hat, die aber zu Beginn der Schutzfrist nicht mehr pflichtversichert waren. Nach § 122 Abs 4 dritter Satz ASVG werden daher Leistungen nach Abs 2 Z 2 sowie nach Abs 3 und 3a nicht gewährt, sobald die betreffende Person aufgrund dieses Bundesgesetzes oder aufgrund anderer gesetzlicher Vorschrift in der Krankenversicherung versichert ist (und daher ohnedies aufgrund der allgemeinen Bestimmung des § 122 Abs 1 ASVG anspruchsberechtigt ist). So hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 46/04v (= SSV-NF 18/69) in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass es eines Schutzes nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG nicht bedarf, wenn eine aufrechte Pflichtversicherung in der Krankenversicherung (§ 122 Abs 1 ASVG) besteht.

1.2. Im vorliegenden Fall trat der neuerliche Versicherungsfall der Mutterschaft bei der Klägerin am 24. 10. 2008 ein. Zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls war die Klägerin sowohl gemäß § 40 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 AlVG aufgrund des Bezugs von Weiterbildungsgeld als auch nach § 8 Abs 1 Z 1 lit f ASVG als Bezieherin von Kinderbetreuungsgeld in der Krankenversicherung pflichtversichert. Dies bedeutet, dass nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts bei der Klägerin ein Schutzfristfall iSd § 122 Abs 3 ASVG nicht vorliegt.

2. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Klägerin nicht unter die Ausschlussbestimmung des § 162 Abs 5 Z 3 ASVG fällt und sie daher grundsätzlich Anspruch auf Wochengeld hat. Strittig ist allein die Frage der Höhe des der Klägerin gebührenden Wochengeldes.

3. Die näheren Voraussetzungen für die Gewährung von Wochengeld, insbesondere auch die Höhe des Wochengeldes, sind in § 162 ASVG geregelt. Nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle gebührt weiblichen Versicherten für die letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung, für den Tag der Entbindung und für die ersten acht Wochen nach der Entbindung ein tägliches Wochengeld.

3.1. Die Höhe des Wochengeldes bemisst sich gemäß § 162 Abs 3 Satz 1 ASVG nach dem Durchschnitt des in den letzten dreizehn Wochen (drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind nach Maßgabe des Abs 4 zu berücksichtigen. Nach § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG sind in den Fällen des § 122 Abs 3 erster Satz ASVG, wenn dies für die Versicherte günstiger ist, für die Ermittlung der Höhe des Wochengeldes nicht die letzten dreizehn Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft heranzuziehen, sondern die letzten dreizehn Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Ende der Pflichtversicherung oder vor dem Ende des Dienstverhältnisses. Nach § 162 Abs 3a Z 2 ASVG gebührt den Beziehern von Kinderbetreuungsgeld das Wochengeld - abweichend vom Abs 3 - in der Höhe des um 80 vH erhöhten Kinderbetreuungsgeldes. Berechnungsgrundlage ist der in § 3 Abs 1 KBGG genannte Betrag.

3.2. Nach der dargestellten grundsätzlichen Systematik des ASVG ist das Wochengeld somit eine Einkommensersatzleistung, welche sich am Einkommen der letzten drei Kalendermonate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls orientiert. Der Gesetzgeber entschied sich dabei für das Durchschnittsprinzip, das vergangene Werte berücksichtigt, und nicht für das Ausfallsprinzip, das die in Zukunft voraussichtlich zu erwartende Entwicklung in Rechnung stellt. Er nimmt dabei in Kauf, dass die Versicherte trotz des Wochengeldes einen Verdienstausfall erleiden kann (10 ObS 287/02g = SZ 2002/140 = SSV-NF 16/116 = RIS-Justiz RS0117195 ua; zuletzt 10 ObS 107/10y).

4. Es ist im vorliegenden Fall nicht strittig, dass die Klägerin (auch) als Bezieherin von Weiterbildungsgeld Anspruch auf Wochengeld hat. Die Höhe des Wochengeldes für Arbeitslose sowie für Bezieher von Weiterbildungsgeld und Notstandshilfe ist in § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG geregelt. Danach ist das Wochengeld für Bezieherinnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe abweichend vom ASVG immer mit 180 % des Bezugs zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls zu bemessen. Es entspricht damit annähernd dem aus der Beitragsgrundlage zu diesem Leistungsbezug resultierenden Nettoverdienst. Eine Sonderregelung besteht bei Bezug von Weiterbildungsgeld. In diesem Fall orientiert sich die Höhe des Wochengeldes an dem dem Leistungsbezug vorangegangenen „Arbeitsverdienst“, wobei die Berechnungsmethode des § 162 Abs 3 und 4 ASVG heranzuziehen ist (vgl Pfeil, AlVG³ 11. Erg-Lfg § 41 Anm 1.2, 299).

4.1. Soweit die Klägerin in ihrer Revision geltend macht, bei ihr liege ein Schutzfristfall iSd § 122 Abs 3 Satz 1 ASVG vor, weshalb für die Bemessung der Höhe ihres Wochengeldanspruchs die besondere Regelung des § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG zur Anwendung gelange, ist ihr entgegenzuhalten, dass, wie bereits zu Punkt 1.2 dargelegt, bei ihr im Hinblick auf den aufrechten Bestand der Krankenversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft am 24. 10. 2008 kein Schutzfristfall des § 122 Abs 3 erster Satz ASVG vorliegt und daher auch die nur für einen Schutzfristfall vorgesehene besondere Bemessungsvorschrift des § 162 Abs 3 letzter Satz ASVG nicht zur Anwendung kommt.

4.2. Die Höhe des Wochengeldanspruchs der Klägerin aufgrund des Bezugs von Weiterbildungsgeld bestimmt sich vielmehr nach § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG. Danach orientiert sich die Höhe des Wochengeldes an dem dem Leistungsbezug vorangegangenen „Arbeitsverdienst“, wobei die Berechnungsmethode des § 162 Abs 3 und 4 ASVG heranzuziehen ist. Die Regelung des § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG hat somit nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts ganz offenkundig nur den Regelfall vor Augen, dass die Bildungskarenz aus einem aufrechten Arbeitsverhältnis heraus angetreten wird, nicht aber den hier zu beurteilenden Ausnahmefall, dass eine Kinderbetreuungsgeldbezieherin, die über keinen aktuellen „Arbeitsverdienst“ verfügt, in Bildungskarenz geht. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass diese Bestimmung auf einen solchen besonderen Fall überhaupt nicht (auch nicht dem Grunde nach) anzuwenden oder das Wochengeld mangels vorangehenden „Arbeitsverdienstes“ mit Null zu bestimmen wäre. Insoweit liegt daher bezüglich der Höhe des Wochengeldes, weil die für den Regelfall vorgesehene Bemessungsgrundlage hier fehlt, nach ebenfalls zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die im Wege der Analogie zu schließen ist.

4.3. Bereits das Berufungsgericht hat richtig darauf hingewiesen, dass im Anwendungsbereich des AlVG das Wochengeld den Beziehern von Leistungen - der Gesamtkonzeption aller Sozialversicherungsgesetze folgend - nach der allgemeinen Regel in Höhe des um 80 vH erhöhten Leistungsbezugs am Stichtag (Eintritt des Versicherungsfalls) gebührt. Nur für das Weiterbildungsgeld stellt das Gesetz - für den Regelfall des Antritts der Bildungskarenz bei aufrechtem Arbeitsverhältnis - nicht auf den Leistungsbezug, sondern auf das dem Leistungsbezug unmittelbar vorangehende letzte Arbeitseinkommen als Bemessungsgrundlage ab. Auf diese Weise soll für das Wochengeld ein wesentlich aktuellerer Bezug zum Arbeitseinkommen des Versicherten hergestellt werden, als dies im Wege der viel weiter zurückliegenden Jahresbeitragsgrundlagen gewährleistet wäre, die gemäß § 21 Abs 1 AlVG den Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung regelmäßig zu Grunde liegen. Das ändert aber nichts daran, dass im Endeffekt immer der durchschnittliche Arbeitsverdienst der Versicherten in das Wochengeld einfließt, und zwar nach dem Bezug von Weiterbildungsgeld, indem direkt auf das (aktuelle) Arbeitseinkommen abgestellt wird, und in den anderen Fällen eines Leistungsbezugs nach dem AlVG, indem die Leistung, die 55 % des (nach § 21 Abs 1 AlVG ermittelten) Nettoeinkommens beträgt, für die Bemessung des Wochengeldes um 80 vH erhöht wird.

4.4. Fehlt nun in den Fällen, in denen die Bildungskarenz ausnahmsweise zu einem Zeitpunkt angetreten wird, in dem die Versicherte über keinen aktuellen Arbeitsverdienst verfügt, die gerade für Wochengeldansprüche von Weiterbildungsgeldbezieherinnen normierte besondere Bemessungsgrundlage, entspricht es auch nach Ansicht des erkennenden Senats den Intentionen des Gesetzgebers, auf die allgemeine Bemessungsregelung für Wochengeldansprüche im Anwendungsbereich des AlVG zurückzugreifen und auch in diesem Fall den um 80 vH erhöhten Leistungsbezug (Weiterbildungsgeldbezug) zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls heranzuziehen, um der Versicherten einen adäquaten Ersatz ihres aktuellen Einkommensentfalls zu sichern. Kann daher die besondere Bemessungsregelung für den Wochengeldanspruch der Bezieherinnen von Weiterbildungsgeld mangels Vorliegens eines konkreten Arbeitsverdienstes, welcher dem Bezug von Weiterbildungsgeld unmittelbar vorangeht, nicht zur Anwendung gelangen, ist es auch nach Ansicht des erkennenden Senats sachgerecht, bei der Bemessung des Wochengeldanspruchs auf die allgemeine Bemessungsregelung für Wochengeldansprüche im Anwendungsbereich des AlVG zurückzugreifen, zumal gemäß § 26 AlVG idF BGBl I 2007/104 auch das Weiterbildungsgeld seit 1. 1. 2008 in der Höhe des (fiktiven) Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 3 Abs 1 KBGG gebührt. Diese Vorgangsweise trägt auch der allgemeinen Zweckbestimmung des Wochengeldes als Einkommensersatzleistung, welche sich grundsätzlich am Einkommen der letzten dreizehn Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls orientiert, Rechnung. Diesem Aktualisierungsgrundsatz würde es hingegen widersprechen, sollte man bei der Bemessung des Wochengeldes entsprechend den Ausführungen der Klägerin auf ihren bereits zwei Jahre zurückliegenden letzten Arbeitsverdienst abstellen (vgl dazu auch die Ausführungen von M. Binder in seiner Entscheidungsanmerkung in DRdA 2008/9, 135 [140]). Der von der beklagten Partei vertretenen Rechtsansicht, es sei als Bemessungsgröße für das Wochengeld das von der Klägerin unmittelbar vor Beginn des Weiterbildungsgeldes bezogene Kinderbetreuungsgeld von 14,53 EUR täglich heranzuziehen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden, da das Kinderbetreuungsgeld nicht als „Arbeitsverdienst“ iSd § 41 Abs 1 AlVG iVm § 162 Abs 3 ASVG qualifiziert werden kann.

5. Der Bemessung des Wochengeldanspruchs der Klägerin ist daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Kinderbetreuungsgeld der Klägerin in Höhe von 14,53 EUR täglich sowie das Weiterbildungsgeld in Höhe von 41,11 EUR täglich - jeweils erhöht um 80 vH (vgl § 162 Abs 3a Z 2 ASVG bzw § 41 Abs 1 AlVG) - zu Grunde zu legen. Daraus errechnet sich für den gesamten Anspruchszeitraum ein Wochengeldanspruch der Klägerin in Höhe von insgesamt 11.316,95 EUR, sodass der Klägerin abzüglich des bereits erhaltenen Betrags von 2.954,95 EUR noch ein restliches Wochengeld in Höhe von 8.362 EUR zusteht.

Aufgrund dieser Erwägungen musste den Revisionen beider Parteien ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und b ASGG. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer erfolgreichen Revisionsbeantwortung in der verzeichneten Höhe (§ 405 ZPO). Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse, welche einen Kostenersatzanspruch der Klägerin nach Billigkeit auch für die erfolglose Revision ausnahmsweise rechtfertigen könnten, wurden nicht bescheinigt und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Ein Kostenersatzanspruch der beklagten Partei nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Versicherungsträger - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des Abs 3 - seine Kosten des Verfahrens in jedem Fall selbst zu tragen hat (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG).

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E95428

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00029.10B.1019.000

Im RIS seit

18.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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