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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des H M in F, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in 9010 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 23. Februar 2000, GZ RV 671/1-7/99, betreffend Einkommensteuer 1994 bis 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Bescheide vom 24. März 1997 und vom 19. August 1997, mit denen die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 des Finanzamtes entschieden hatte, hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. November 1997, B 1204/97 und B 2472/97, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben. Die Beschwerden des Beschwerdeführers sind Anlassfälle (im weiteren Sinn) hinsichtlich der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1997, G 168/96, G 285/96, erfolgten Aufhebung mehrer Bestimmungen des EStG 1988.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren erneut über die Berufungen des Beschwerdeführers ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Beschwerdefall sei als Anlassfall hinsichtlich des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes G 168/96 u. a. anzusehen, weshalb die vom Verfassungsgerichtshof mit diesem Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen im Beschwerdefall nicht mehr anzuwenden seien. Der Beschwerdeführer sei Alleinverdiener und habe neben dem Unterhalt an die Ehefrau Unterhalt an seine vier Kinder (geboren 1980, 1982, 1983 und 1994) zu leisten. Der Kindesunterhalt müsse in seiner tatsächlichen Höhe steuerlich berücksichtigt werden. Bei der Bemessung des Kindesunterhaltes könne an anerkannte Methoden der Unterhaltsbestimmung angeknüpft werden. Nach der von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Prozentsatzmethode könne für die Berechnung der Unterhaltshöhe das Nettoeinkommen des Beschwerdeführers herangezogen und auf dieses ein bestimmter Prozentsatz in Ansatz gebracht werden. Der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch der vier Kinder errechne sich - nach einer im angefochtenen Bescheid im einzelnen dargestellten Berechnung - mit 43 % (1994) bzw. 45 % (1995 und 1996) des Nettoeinkommens des Beschwerdeführers und betrage sohin insgesamt 179.618 S (1994), 188.723 S (1995) und 187.416 S (1996). Die Rechtsprechung der Zivilgerichte errechne die Unterhaltsverpflichtung aus dem um die tatsächliche Einkommensteuer geminderten Einkommen. Es widerspreche der Praxis der Zivilgerichte, nicht von der tatsächlich entrichteten, sondern einer fiktiven (niedrigeren, weil unter Abzug des Unterhaltes errechneten) steuerlichen Belastung auszugehen (Hinweis auf Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB I, Seite 187f). Es könne von der Abgabenbehörde auch nicht verlangt werden, den Unterhaltsanspruch der Kinder so genau (nämlich unter Berechnung des zivilrechtlichen Nettoeinkommens unter Abzug lediglich jener Einkommensteuer, die sich nach Abzug der Unterhaltslasten ergibt) zu ermitteln, es genüge vielmehr die Ermittlung jenes Betrages, zu dessen Leistung der Unterhaltsverpflichtete wahrscheinlich verhalten werden würde, wenn der Anspruch Gegenstand einer gerichtlichen Austragung wäre. Die Unterhaltsbeträge an die vier Kinder könnten nach der im Anlassfall anzuwendenden Rechtslage nur als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988 unter Abzug eines Selbstbehaltes berücksichtigt werden. Der Selbstbehalt betrage 59.005 S (1994), 59.501 S (1995) und 58.262 S (1996). Auch nach Abzug des Selbstbehaltes übersteige der einkommensmindernd berücksichtigte Betrag die Hälfte des Unterhaltes bei Weitem.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. September 2000, B 786/00, ab. Er trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1997, G 168/96 u.a., sind folgende gesetzliche
Bestimmungen als verfassungswidrig aufgehoben worden:
Die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988;
die Z 3 des § 33 Abs 4 EStG 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl 312/1992;
die lit a der Z 3 des § 33 Abs 4 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl 818/1993;
die Z 1 des § 34 Abs 7 EStG 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl 312/1992;
die Z 1 und 2 des § 34 Abs 7 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl 818/1993;
die lit a der Z 3 des § 57 Abs 2 EStG 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl 312/1992.
Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlassfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die - wie dies auf den Beschwerdefall zutrifft - im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig gewesen sind (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1997, B 1204/97, B 2472/97).
Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde das EStG 1988 in der für die Veranlagungen 1994 bis 1996 maßgeblichen Fassung unter Außerachtlassung der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G 168/96 als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen anzuwenden.
Unterhaltsaufwendungen sind weder durch eine betriebliche noch durch eine berufliche Tätigkeit veranlasst. Sie sind auch keinem Sonderausgabentatbestand subsumierbar. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde bei der gegebenen Rechtslage die Unterhaltslasten, die den Beschwerdeführer gegenüber seinen Kindern getroffen haben, als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 berücksichtigt hat. Der Abzug eines Selbstbehaltes ergibt sich dabei zwingend aus § 34 Abs. 4 EStG 1988.
Mit dem weiteren Vorbringen wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der von der belangten Behörde berechneten Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern.
Die belangte Behörde hat bei Berechnung der Unterhaltsansprüche der Kinder den Unterhaltsprozentsatz pro Kind im Hinblick auf den Unterhaltsanspruch der Ehefrau des Beschwerdeführers um 3 Prozentpunkte gemindert. Gegen den Abzug der genannten Prozentpunkte zur Berücksichtigung der Unterhalts gegenüber der Ehefrau wendet sich der Beschwerdeführer. Da die Unterhaltszahlung an die Ehefrau steuerlich nicht berücksichtigt werde, dürfe diese Art von Unterhalt bei Berechnung des Unterhaltes der Kinder (für steuerliche Zwecke) nicht in Abzug gebracht werden.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die von den Zivilgerichten praktizierte Kürzung des Unterhaltsanspruches der Kinder um drei Prozentpunkte bei bestehender Unterhaltsberechtigung eines Ehegatten allein Ausfluss des Umstandes ist, dass der Unterhaltsanspruch des kinderbetreuenden Ehepartners mit demjenigen der Kinder konkurriert. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. November 2000, B 1340/00 (Punkt 5.5. des Erwägungsteiles), zum Ausdruck gebracht, dass es durch nichts geboten sei, diese Kürzung bei der Bemessung des steuerlich anzuerkennenden Kindesunterhaltes wieder rückgängig zu machen. Dieser Ansicht schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an.
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die belangte Behörde den ermittelten Prozentsatz für den Kindesunterhalt nicht auf jenes Nettoeinkommen zur Anwendung hätte bringen dürfen, das sich durch den Abzug der tatsächlich angefallenen Einkommensteuer ergebe. Der Teil der Einkommensteuer, der sich als verfassungswidrig erweise, hätte nicht in Abzug gebracht werden dürfen.
Auch mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zur Berechnung des zivilrechtlichen Nettoeinkommens, welches als Basis für die Ausmessung von Unterhaltsansprüchen herangezogen wird, ist jene Einkommensteuer in Abzug zu bringen, die sich vor Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen in Form einer außergewöhnlichen Belastung ergibt (vgl. die bei Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch, § 34 Tz 41 zitierte hg. Judikatur sowie die hg. Erkenntnisse 20. Oktober 1993, 89/13/0242, und vom 14. Mai 1991, 90/14/0281).
Nicht nachvollziehbar ist schließlich das Beschwerdevorbringen, wonach die belangte Behörde die Unterhaltsansprüche so ungenau ermittelt habe, dass nicht dem vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G 168/96 u.a. zum Ausdruck gebrachten Erfordernis entsprochen sei, die Unterhaltsverpflichtungen zumindest zur Hälfte steuerfrei zu belassen. Der Beschwerdeführer zeigt nämlich eine Ungenauigkeit in der Berechnung nicht konkret auf. Auch für den Verwaltungsgerichtshof ist eine solche nicht erkennbar. Zudem bleibt festzustellen, dass die belangte Behörde vom berechneten Kindesunterhalt von 179.618 S (1994), 188.723 S (1995) und
187.416 S (1996) einen Selbstbehalt von jeweils unter 60.000 S in Abzug gebracht hat, sodass das vom Beschwerdeführer dargestellte Erfordernis weitaus überschritten ist. Außerdem hatte die belangte Behörde ohnedies nur die Möglichkeit, die Unterhaltslasten im Rahmen der durch § 34 EStG 1988 vorgegebenen gesetzlichen Regelungen zum Abzug zu bringen.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000140184.X00Im RIS seit
10.05.2001