TE OGH 2010/10/22 7Ob136/10s

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Veröffentlicht am 22.10.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH (nunmehr B***** SE, Zweigniederlassung B*****), *****, vertreten durch Dr. Peter Berethalmy und Dr. Christiane Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Hans-Peter Bauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 50.000 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Mai 2010, GZ 3 R 25/10g-12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. November 2009, GZ 2 Cg 66/09v-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird von B***** GmbH auf B***** SE, Zweigniederlassung B*****, richtig gestellt.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Zu 1.:

Aufgrund der Rechtmäßigkeitsbescheinigung des Landes- als Handelsgericht Wiener Neustadt vom 5. 3. 2010 steht fest, dass durch Verschmelzung der B***** Aktiengesellschaft mit Sitz in W***** und der D***** Aktiengesellschaft als der übernehmenden Gesellschaft eine Europäische Aktiengesellschaft mit der Firma „B***** SE“ mit Sitz in H***** gegründet wurde. Auf Antrag der klagenden Partei ist deren Bezeichnung daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO entsprechend dem offenen Firmenbuch (FN 343335f) richtig zu stellen.

Zu 2.:

Zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 1.704.473,18 EUR gegen die B***** Limited, B***** (nunmehr F***** Limited; im Folgenden Schuldnerin) wurde der Klägerin mit Beschluss des Bezirksgerichts B***** vom 10. 11. 2008 die Exekution durch Pfändung und Überweisung von Forderungen der Schuldnerin gegen die Beklagte bewilligt. Dass die Schuldnerin ihrerseits aus Mineralöllieferungen an die Beklagte gegen diese noch eine Restforderung von 542.508,61 EUR hatte, ist unstrittig. In ihrer Drittschuldnererklärung verweigerte die Beklagte aber Zahlung mit der Behauptung, diese Forderung mit einer Gegenforderung kompensiert zu haben.

Über die sich seit Oktober 2009 in Liquidation befindliche Zweigniederlassung W***** der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom 13. 9. 2010 zu AZ 20 S 116/10s das Konkursverfahren eröffnet.

Mit der vorliegenden (Drittschuldner-)Klage begehrt die Klägerin den Zuspruch von 50.000 EUR (sA). Die von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung sei nicht berechtigt.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie habe von Juni bis September 2007 von der Schuldnerin Mineralöl bezogen und mit ihren Fahrzeugen selbst direkt bei deutschen Raffinerien abgeholt. Die Schuldnerin habe sämtliche Lieferungen mit Umsatzsteuer fakturiert. Die Beklagte habe die Rechnungen bezahlt und die entrichtete Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht. Das Finanzamt habe anlässlich einer Steuerprüfung bei der (inländischen Zweigniederlassung der) Schuldnerin festgestellt, dass diese die Umsatzsteuer zu Unrecht verrechnet habe. Die Schuldnerin habe deshalb die betreffenden Rechnungen um die Umsatzsteuerbeträge von insgesamt 2.281.133,70 EUR korrigiert, die zu Unrecht bezahlte Umsatzsteuer aber nicht an die Beklagte zurückgezahlt. Die Schuldnerin sei daher in diesem Umfang bereichert und die Beklagte sei mit Rückforderungsansprüchen des Finanzamts konfrontiert. Diesbezüglich seien ihr Beratungskosten von 22.512 EUR entstanden. Weiters schulde ihr die Schuldnerin 4.954,21 EUR für Transportleistungen. Diese Gegenforderungen von insgesamt 2.308.599,90 EUR habe sie gegen die Forderung der Schuldnerin aufgerechnet.

Die Klägerin erwiderte, die Beklagte habe nicht zu viel bezahlt, weil die Beklagte ihrerseits die Vorsteuer geltend gemacht habe. Sollte die Schuldnerin die von der Beklagten bezahlte Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt haben, wäre eine Rechnungsberichtigung gegenüber dem Finanzamt vorzunehmen, wobei in solchen Fällen üblicherweise ein direkter Ausgleich zwischen den Finanzämtern erfolge und tatsächlich keine Vermögensverschiebung eintrete.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Schuldnerin ist Großhändlerin von Mineralöl, das sie von der Klägerin bezog und an ihre Kunden, darunter die Beklagte, verkaufte. Die Beklagte holte das Mineralöl von Juni bis September 2007 mit firmeneigenen Fahrzeugen direkt bei Raffinerien in Deutschland ab. Die Schuldnerin fakturierte sämtliche Mineralöllieferungen mit der gesetzlichen Umsatzsteuer. Die Beklagte bezahlte alle Rechnungen inklusive der verzeichneten Umsatzsteuer und machte beim Finanzamt die Vorsteuer geltend. Nach einem Hinweis auf die mangelnde Umsatzsteuerpflicht korrigierte die Schuldnerin am 12. und 13. 11. 2007 ihre Rechnungen um die fakturierte Umsatzsteuer. Dadurch verringerte sich die Rechnungssumme um 2.281.133,70 EUR. In der Folge konfrontierte das Finanzamt die Beklagte mit Rückforderungsansprüchen; dafür nahm die Beklagte steuerliche Beratung in Anspruch. Eine endgültige Regelung wurde mit dem Finanzamt noch nicht getroffen; es gibt auch noch keinen Rückforderungsbescheid. Die Beklagte hat die Forderung der Schuldnerin für weitere Lieferungen von netto 542.580,61 EUR mit ihrer Gegenforderung aufgerechnet. Die Schuldnerin schuldet der Beklagten aus erbrachten Transportleistungen noch insgesamt 4.954,21 EUR.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass entscheidend sei, ob die Beklagte die Forderung der Schuldnerin von 542.580,61 EUR mit ihrer Forderung aus zu viel bezahlter Umsatzsteuer kompensieren könne. Die Sammelberichtigungen der Schuldnerin seien als Gutschriften über 2.281.133,70 EUR anzusehen. Zivilrechtlich sei zwischen Verkäufer und Käufer nicht relevant, ob es sich dabei um einen Kaufpreis oder um Umsatzsteuer handle. Die Beklagte habe zu viel bezahlt; mit diesem Geldanspruch könne sie gegen weitere Geldforderungen der Schuldnerin aufrechnen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Ob die Lieferungen der Schuldnerin umsatzsteuerpflichtig gewesen seien, sei nicht rechtserheblich. Entscheidend sei nur, dass die Schuldnerin ihre Rechnungen um die ursprünglich ausgewiesene Umsatzsteuer reduziert habe. Die Beklagte habe daher um die sich daraus ergebende Differenz zu viel an die Schuldnerin bezahlt. Daraus resultiere, dass die Beklagte mangels einer Verpflichtung zur Leistung die Überzahlung von 2.281.133,70 EUR von der Schuldnerin gemäß § 1431 ABGB kondizieren könne. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, diese Forderung gegen die Restforderung der Schuldnerin von 542.580,61 EUR aufzurechnen. Die Meinung der Klägerin, eine Aufrechnung sei nach der exekutiven Pfändung und Überweisung der Forderung nicht mehr möglich gewesen, sei nicht haltbar. Grundsätzlich werde die Rechtsstellung des Drittschuldners durch die Überweisung zur Einziehung nicht geändert; daher stünden ihm alle Einwendungen und Gegenrechte gegen die gepfändete und zur Einziehung überwiesene Forderung weiterhin unverändert zu. Für die Aufrechnung gegenüber der Forderung des Überweisungsgläubigers sei maßgebend, dass Gegenforderungen des Drittschuldners gegen den Verpflichteten im Zeitpunkt der Pfändung der eingeklagten Forderung aufrechenbar gegenüber gestanden seien. Dies sei hier der Fall. Die Schuldnerin habe nämlich ihre Rechnungen bereits am 12./13. 11. 2007 korrigiert.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es zur Frage der Konsequenzen einer Rechnungskorrektur auf eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zurückgreifen habe können.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil oberstgerichtliche Judikatur zur hier und im (etwa gleichzeitig beim Obersten Gerichtshof anhängig gewordenen) Parallelverfahren zu 4 Ob 139/10k prozessentscheidenden Frage fehlt, ob bzw unter welchen Voraussetzungen der Käufer einen zivilrechtlichen Rückforderungsanspruch für den Fall besitzt, dass der Verkäufer zunächst zu Unrecht Umsatzsteuer in der Rechnung ausweist, nach Erhalt des Rechnungsbetrags die Rechnung aber dahin berichtigt, dass er den Rechnungsbetrag um den darin ausgewiesenen Steuerbetrag vermindert. Um diese Frage abschließend beantworten zu können, ist - wie die Revisionswerberin zu Recht geltend macht und im Folgenden zu zeigen sein wird - noch eine Verfahrensergänzung zur Verbreiterung der Sachverhaltsbasis erforderlich. Die Revision ist daher im Sinn ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof im erwähnten Parallelprozess, in dem dieselbe Klägerin unter praktisch identen Voraussetzungen von einer anderen Drittschuldnerin ebenfalls 50.000 EUR fordert, in seiner Entscheidung vom 5. 10. 2010, 4 Ob 139/10k, ausgeführt hat, stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

Bei richtiger betriebswirtschaftlicher Kalkulation wird die Umsatzsteuerbelastung regelmäßig im geforderten Kaufpreis berücksichtigt. Der vom Verkäufer geforderte Preis enthält daher grundsätzlich auch die Umsatzsteuer, sofern nichts anderes vereinbart wurde oder ein abweichender Handelsbrauch besteht (7 Ob 574/92, SZ 65/105 mwN; vgl RIS-Justiz RS0038212; RS0038198). Dass der veräußernde Unternehmer nach § 12 Abs 1 UStG Umsatzsteuer in einer Rechnung gesondert ausweisen darf, die der Leistungsempfänger als Vorsteuerbetrag abziehen kann, ändert nichts daran, dass auch diese Steuer grundsätzlich ein Teil des Kaufpreises ist. Die Berechtigung zur gesonderten Ausweisung beruht nur auf umsatzsteuerlichen Gründen, hat aber auf die zivilrechtliche Leistungspflicht keinen Einfluss (7 Ob 574/92, SZ 65/105 = RIS-Justiz RS0037922).

Aus steuerrechtlicher Sicht ist davon auszugehen, dass die Rechnung nach dem System des Umsatzsteuergesetzes Bindeglied zwischen dem leistenden Unternehmer als Steuerschuldner und dem Leistungsempfänger als Vorsteuerabzugsberechtigtem ist. Aus der Rechnung werden die Daten für die Ermittlung der Steuerschuld und für die Höhe des Vorsteuerabzugs gewonnen. Soweit es sich um steuerpflichtige Vorgänge zwischen Unternehmen handelt und der Abnehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wird die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer jeweils durch den Vorsteuerabzug aufgehoben (Ruppe, UStG³, § 11 Rz 115). Der Unternehmer schuldet für einen Umsatz grundsätzlich jenen Steuerbetrag, der sich bei Heranziehung des Entgelts unter Anwendung des entsprechenden Steuersatzes ergibt. Hat der Unternehmer jedoch in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen, so schuldet er diesen (höheren) Betrag aufgrund der Rechnung (USt-RL 2000 Rz 1733; Kolacny/Caganek, UStG 1994³, § 11 Anm 36). Führt ein Unternehmer eine Leistung aus und stellt dafür ohne Missbrauchsabsicht irrtümlich einen Steuerbetrag in Rechnung, den er nicht schon aufgrund der Leistung schuldet (weil zB die Leistung steuerfrei ist), liegt steuerrechtlich ein überhöhter Steuerausweis vor (Ruppe aaO Rz 127). Im Fall einer solchen irrtümlichen Rechnungslegung kann der Unternehmer den unzutreffenden und unberechtigten Steuerausweis berichtigen (Nachweise zur Rsp des VwGH bei Ruppe aaO Rz 123). Werden die Bedingungen für die Steuerfreiheit erfüllt, muss der Unternehmer folglich die Rechnung gegenüber dem Abnehmer berichtigen, um Steuerfreiheit geltend machen zu können (Ruppe aaO Rz 130). Für eine solche Rechnungsberichtigung gilt § 16 Abs 1 UStG sinngemäß. Das bedeutet einerseits, dass aufgrund der Berichtigung nicht nur der leistende Unternehmer seine Steuerschuld korrigieren darf (Wegfall der abstrakten Steuerschuld), sondern auch der Leistungsempfänger den in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug korrigieren muss (Ruppe aaO Rz 137; UFSG 4. 3. 2008, RV/0105-G/08). Diese Regelung führt zu Problemen, wenn der Leistungsempfänger den vollen Rechnungsbetrag einschließlich Umsatzsteuer bereits bezahlt hat. Der Unternehmer kann in diesem Fall seine Umsatzsteuer-Schuld vermindern, obwohl er den entsprechenden Betrag noch nicht zurückgezahlt hat, der Empfänger muss Vorsteuer zurückzahlen, auch wenn der Unternehmer sie ihm noch nicht erstattet hat (Ruppe aaO Rz 137). Ergibt sich nachträglich, dass ein Vorgang zunächst als steuerbar und steuerpflichtig behandelt wird, obwohl er tatsächlich gar nicht steuerbar ist, liegt eine unrichtige rechtliche Beurteilung im Zeitpunkt der Entstehung der (vermeintlichen) Steuerschuld vor, die bei bereits rechtskräftiger Veranlagung allenfalls im Wege zur Verfügung stehender Verfahrenstitel (durch die Steuerbehörden) zu korrigieren ist (Kanduth-Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-Komm 1.07 § 16 Rz 6 [www.rdb.at]).

Aus zivilrechtlicher Sicht ist davon auszugehen, dass die in einer Rechnung ausgewiesene Steuer, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich Teil des Kaufpreises ist. Ist die Rechnung unrichtig, etwa weil sich nachträglich Steuerfreiheit der Lieferung herausstellt, sind allfällige Rückforderungsansprüche des Leistungsempfängers nach Zahlung des ungekürzten Rechnungsbetrags unter irrtumsrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Hat der Leistungsempfänger bei Vertragsabschluss über die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs geirrt, liegt ein Irrtum über die Berechnung des Preises der Leistung, also ein Kalkulationsirrtum vor, der beachtlich ist, wenn die Kalkulation offen gelegt und damit zum Geschäftsinhalt gemacht wurde (vgl RIS-Justiz RS0014927; RS0014904 [T3]). Wird die Steuer in der Rechnung gesondert ausgewiesen, wird in aller Regel von einer Offenlegung der Preiskalkulation und somit von einem Geschäftsirrtum auszugehen sein, der unter den Voraussetzungen des § 871 ABGB (Veranlassung durch den Vertragspartner oder gemeinsamer Irrtum) zur Anfechtung oder Anpassung des Vertrags berechtigt (Kolacny/Caganek aaO § 11 Anm 34). Wurde der vereinbarte Kaufpreis infolge irrtumsrechtlicher Vertragsanpassung nachträglich um den darin enthaltenen Umsatzsteuerbetrag vermindert und hat der Leistungsempfänger den ursprünglichen Kaufpreis bereits gezahlt, führt dies zu einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch im Ausmaß der Überzahlung.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann der Ansicht der Vorinstanzen, es komme allein auf die festgestellte Rechnungsberichtigung durch die Schuldnerin an; es könne daher dahingestellt bleiben, ob deren Leistungen umsatzsteuerpflichtig gewesen seien oder nicht; nicht beigepflichtet werden. Dabei wird auch übersehen, dass eine Rechnung nur eine deklarative Beweisurkunde ist, deren Berichtigung am Charakter der wahren Forderung nichts ändert (vgl Ertl in Rummel³ § 1376 ABGB Rz 3 mwN).

Die Beklagte macht nun in der Revisionsbeantwortung unter Hinweis auf oberstgerichtliche Judikatur geltend, das Gericht habe bei der Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz einer Sache oder Leistung die Umsatzsteuer, die aus dem Titel des Schadenersatzes, der Bereicherung, der Verwendung oder des Prozesskostenersatzes begehrt werde, nicht gesondert zu behandeln und insbesondere nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden, ob der Ersatzberechtigte die Umsatzsteuer im Weg des Vorsteuerabzugs vergütet erhalten könnte. Dieser zu Art XII Z 3 EGUSTG 1972 formulierte Rechtssatz (RIS-Justiz RS0038172), kann im vorliegenden Fall aber keine Anwendung finden. Wie ebenfalls bereits im Parallelverfahren 4 Ob 139/10k dazu ausgeführt wurde, liegen diesem Rechtssatz jeweils Sachverhalte zugrunde, bei denen über den Ersatz einer (Haupt-)Sache oder (Haupt-)Leistung, etwa aus dem Titel des Schadenersatzes oder der Bereicherung, zu entscheiden war. Der Ersatzbetrag wird in derartigen Fällen zunächst brutto (also einschließlich der auf die Lieferung oder Leistung entfallenden Umsatzsteuer) zugesprochen; sodann wird in einem allenfalls nachfolgenden zweiten Verfahren geklärt, ob dem Ersatzpflichtigen gegenüber dem Ersatzberechtigten ein Rückersatzanspruch in Höhe jenes Umsatzsteuerbetrags zusteht, den der Ersatzberechtigte als Vorsteuerabzug geltend machen könnte (vgl RIS-Justiz RS0075909; RS0037853; RS0037844; RS0037872). Gegenstand des hier strittigen bereicherungsrechtlichen Ersatzanspruchs ist aber keine Sache oder Leistung zuzüglich darauf entfallender Umsatzsteuer, sondern allein jener Teilbetrag bezahlter Entgelte für Umsatzgeschäfte (Lieferungen von Treibstoffen), der auf die in den dafür ursprünglich ausgestellten Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer entfällt. Die aus dem Titel der Bereicherung zurückverlangte Leistung besteht demnach hier allein aus dem Umsatzsteueranteil des Kaufpreises für jene Geschäftsfälle, in denen nachträglich die Brutto-Rechnung um den darin ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag herabgesetzt wurde. Unter diesen Umständen muss das Gericht, das über den Bestand eines zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld gemäß § 1431 ABGB oder Kondiktion wegen Wegfalls des Grundes gemäß § 1435 ABGB) und dessen allfälliges Erlöschen infolge Aufrechnung abzusprechen hat, bei seiner Entscheidung auch die sich aus dem Sachverhalt ergebenden steuerrechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigen.

Da die Vorinstanzen aufgrund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansichten die Frage der steuerlichen Voraussetzungen für die Rechnungsberichtigung durch die Schuldnerin nicht erörtert und untersucht haben, ist das Verfahren - so wie auch das Parallelverfahren - noch ergänzungsbedürftig. Sollten die in Rechnung gestellten Leistungen der Schuldnerin tatsächlich nicht umsatzsteuerpflichtig gewesen sein, wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren weiters zu untersuchen haben, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen einer Vertragsanpassung infolge Irrtums (Herabsetzung der Entgelte im Ausmaß der fälschlich verrechneten Umsatzsteuer) gegeben sind. Erst dann wird abschließend beurteilt werden können, ob eine Bereicherung der Schuldnerin zu Lasten der Beklagten eingetreten ist.

Wie der Oberste Gerichtshof im Parallelprozess weiters ausgeführt hat, ist die Frage, ob eine rechtsgrundlose Bereicherung vorliegt, im Dreiecksverhältnis Lieferant/Leistungsempfänger/Finanzbehörde zu prüfen. Handelt es sich - wie hier - bei Lieferant (Schuldnerin) und Leistungsempfänger (Beklagte) um vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen, führt der Leistungsaustausch zwischen ihnen in Ansehung der Umsatzsteuer zu keiner Vermögensverschiebung und ist insoweit daher neutral: die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer wird vom Lieferanten beim Leistungsempfänger inkassiert und an die Finanzbehörde abgeführt, wo sie dem Leistungsempfänger als Vorsteuer angerechnet wird. An dieser Beurteilung ändert sich im Regelfall auch nichts, wenn eine nachträgliche Rechnungsberichtigung (Reduktion um den Steuerbetrag) erfolgt. Diesfalls erhält der Lieferant für die schon abgeführte Umsatzsteuer eine Gutschrift bei der Finanzbehörde, die dem Leistungsempfänger, der bereits einen Vorsteuerabzug erreicht hat, einen korrespondierenden Betrag als Forderung vorschreibt. Der bereicherungsrechtliche Ausgleich hat bei solchen Konstellationen demnach im Grundverhältnis zwischen Lieferant (Schuldnerin) und Leistungsempfänger (Beklagte) dadurch stattzufinden, dass ersterer dem Leistungsempfänger den zu Unrecht kassierten Entgeltanteil in Höhe der Steuer rückerstattet.

Liegen steuerrechtlich die Voraussetzungen der durch die Schuldnerin erfolgten Rechnungsberichtigung vor, hätte die Beklagte, wie bereits erwähnt, den von ihr in Anspruch genommenen Vorsteuerbetrag nach § 11 Abs 12 UStG im Sinn des § 16 Abs 1 UStG zu berichtigen. Mangels Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrags durch die Schuldnerin an die Beklagte wäre deren Gegenforderung in diesem Fall daher berechtigt. Dies träfe nur dann nicht zu, wenn - wie die Klägerin behauptet hat - der Ausgleich bereits „finanzamtsintern“ vorgenommen würde, wenn also eine der Schuldnerin im Fall der Entrichtung des Umsatzsteuerbetrags an die Finanzbehörde gebührende Steuergutschrift von den Finanzbehörden gegen den von der Beklagten zu entrichtenden Vorsteuerbetrag aufgerechnet würde und sich eine Berichtigung der Vorsteuer durch die Beklagte daher erübrigte.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Textnummer

E95611

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00136.10S.1022.000

Im RIS seit

02.12.2010

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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