Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. R*****, vertreten durch Dr. Günter Niebauer und Dr. Karl Hans Schaumüller, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C***** AG*****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 46.685,40 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Februar 2009, GZ 2 R 199/08m-67, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. Juli 2008, GZ 34 Cg 40/06y-62, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.989,22 EUR (darin 331,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
In der Entscheidung 7 Ob 271/06p (= RIS-Justiz RS0121647) hat der erkennende Fachsenat zu einem Versicherungsverhältnis, das den AUVB 2000 unterlag, bereits ausgesprochen, dass bei Vorschäden an unfallbedingt beeinträchtigten Funktionen oder Gliedern eine durch den Versicherungsfall (den zu beurteilenden Unfall) bewirkte Invalidität nach Art 7 Punkte 2. und 3. AUVB 2000 zu bemessen und dann die Vorinvalidität abzuziehen ist. Entsprechend der so ermittelten Invalidität des zu beurteilenden Unfalls habe der Versicherer seine Leistung zu erbringen (vgl Knappmann in Prölss/Martin VVG27 § 7 AUB 94 Rn 31). Diese Vorgehensweise bei der Bestimmung der unfallskausalen Invalidität bei bestehender Vorinvalidität entspreche der bei ganz vergleichbarer Bedingungslage (§ 7 I Abs 3 AUB 88 und AUB 94; Ziff. 2.1.2.2.3 AUB 99) in Deutschland in Judikatur und Schrifttum vertretenen Ansicht (Wussow/Pürckhauer, AUB6 § 7 I (3) Rn 45; Grimm, Unfallversicherung4 2/39f; Knappmann aaO; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Hand-buch § 47 Rn 196 f, jeweils mwN).
Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts umschriebene Rechtsfrage nicht die Qualifikation des § 502 Abs 1 ZPO erfüllt. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt nämlich dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn die anzuwendende Norm selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656), was auch für Kollektivverträge, Ö-Normen (RIS-Justiz RS0042656 [T15 und T31]) und - wie der zuständige Fachsenat bereits wiederholt ausgesprochen hat - auch für Allgemeine Versicherungsbedingungen (hier: die AUB 95 [Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen] der Beklagten) gilt (RIS-Justiz RS0121516 [T6] = 7 Ob 82/07w; 7 Ob 282/08h; 7 Ob 79/10h).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil der klägerische Standpunkt, die Klauseln der §§ 7 und 8 AUB 95 sowie der ergänzenden besonderen Bedingungen seien dahin auszulegen, dass die festgestellte Vorinvalidität von 10 % - mangels Überschreitung von 25 % - bei Ermittlung der unfallskausalen Invalidität nicht abzuziehen sei, nicht zu teilen ist.
Die Revisionsbeantwortung zeigt zutreffend auf, dass nach der insoweit unmissverständlichen Formulierung der Versicherungsbedingungen der Beklagten zwischen dem Abzug gemäß § 7 Punkt I. (3) AUB 95, der „in Höhe dieser Vorinvalidität“ (welche „nach (2) zu bemessen“ ist) „vorgenommen wird“, einerseits und der Leistungskürzung nach § 8 AUB 95 aufgrund von Krankheiten oder Gebrechen, welche „bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben“ (und erst ab einem Anteil von mindestens 25 % zu „Einschränkungen der Leistung“ führen), andererseits unterschieden werden muss; wobei die letztgenannte Bestimmung in den „Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfallrente bei einem Invaliditätsgrad ab 50 % mit jährlicher Rentenerhöhung“ nur sinngemäß wiederholt wird:
Geht es doch im vorliegenden Fall nicht um „Krankheiten oder Gebrechen“ gemäß § 8 AUB 95, sondern um die festgestellte Vorinvalidität des Klägers (im Sinn einer „dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit“ aufgrund seines - anderen - „Unfalls“ [§ 7 I. (1) AUB 95], den er bereits im Jahr 1989 erlitten hat), welche unstrittig mit 10 % anzusetzen ist und - entgegen der Auffassung der Revision - nicht der unfallskausalen Invalidität von „43,25 % bis 48,25 %“ (Seite 13, 14 und 25 des Ersturteils) hinzugerechnet werden darf. Demgemäß ist die Beurteilung der Vorinstanzen, es liege ein Invaliditätsgrad von weniger als 50 % vor, weshalb das Rentenbegehren des Klägers abzuweisen sei, (im Ergebnis) nicht zu beanstanden.
Was die zuletzt geltend gemachten Zweifel des Revisionswerbers an der Auslegung der zitierten Klauseln und den daraus abgeleiteten Verstoß gegen das Transparenzgebot betrifft, hat der erkennende Senat erst jüngst in seiner Entscheidung 7 Ob 13/10b Folgendes ausgeführt:
Nach herrschender Meinung begnügt sich das Transparenzgebot nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (S. Korinek, JBl 1999, 149 [154f, 172]; RIS-Justiz RS0115217). Vertragsbestimmungen müssen den Verbraucher im Rahmen des Möglichen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag informieren. Er soll möglichst durchschaubar, klar, verständlich und angepasst an die jeweilige Vertragsart so aufgeklärt werden, dass er nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird und ihm auch keine unberechtigten Pflichten auferlegt werden. Auch darf er über die ihm aus der Regelung resultierenden Rechtsfolgen nicht getäuscht oder im Unklaren gelassen werden. Das Transparenzgebot drückt sich im Einzelnen im Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit, im Gebot der Differenzierung, im Richtigkeitsgebot und im Gebot der Vollständigkeit aus. Der Sinn der Klausel muss klar und verständlich sein (vgl Krejci in Rummel, ABGB³ § 6 KSchG Rz 202 ff; Apathy in Schwimann, ABGB³ V § 6 KSchG Rz 84 ff; Langer in Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer/Langer, KSchG² § 6 Rz 110 ff; Kathrein in KBB² § 6 KSchG Rz 32).
Auch aus diesen Grundsätzen ist für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen, weil die anzuwendenden Klauseln der AVB der Beklagten - wie bereits dargelegt - zu keinerlei Zweifeln an der Unzulässigkeit der Berücksichtigung einer (nicht unfallskausalen) Vorinvalidität des Versicherten Anlass geben.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen.
Schlagworte
9 Vertragsversicherungsrecht,Gruppe: Konsumentenschutz,ProdukthaftungsrechtTextnummer
E95375European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00109.09V.1022.000Im RIS seit
15.11.2010Zuletzt aktualisiert am
03.02.2012