Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Strauss als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Sonntag und Mag. Fisher in der Rechtssache der klagenden Partei S***** K*****, *****, R*****gasse *****, in ***** H*****, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Mag. Pfleger, Mag. Brandstätter, Rechtsanwälte GesbR in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1.) M***** H*****, *****, M***** Straße *****, in ***** R***** und 2.) V***** I***** G*****, ***** Versicherungs AG, *****, ***** in *****W*****, beide vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen zuletzt EUR 28.250,-- s.A. und Feststellung (EUR 3.000,--, Gesamtstreitwert: EUR 31.250,--), über den Kostenrekurs (Rekursinteresse: EUR 1.380,54) der beklagten Parteien gegen die im Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 17.8.2010, 3 Cg 131/09x-23, enthaltene Kostenentscheidung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 247,37 (darin enthalten EUR 41,23 an USt) bestimmten Kosten des Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit der am 29.6.2009 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten Schadenersatz aus einem tragischen Verkehrsunfall vom 27.1.2008 und zwar Schmerzengeld von EUR 22.000,-- (dies unter Berücksichtigung einer Akontozahlung von EUR 3.000,-- lange vor Einbringung der Klage), Verunstaltungsentschädigung von EUR 1.000,--, Kleiderschaden von EUR 250,--, an Leistung daher insgesamt EUR 23.250,-- und die mit EUR 3.000,-- bewertete Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus diesem Unfall. Durch einen Additionsfehler begehrte die Klägerin laut Klage allerdings die Zahlung von EUR 26.500,--, sodass sie den Streitwert mit insgesamt EUR 29.500,-- (statt EUR 26.500,--) angab.
Aufgrund eines Postfehlberichtes beantragte die Klägerin am 29.7.2009 die neuerliche Zustellung der Klage an den Erstbeklagten (ON 4).
In den gleichlautenden Klagebeantwortungen vom 31.7. (ON 5) und 29.9.2009 (ON 10) anerkannten die Beklagten ausgehend von einem Mitverschulden der Klägerin von einem Viertel wegen nicht angelegten Sicherheitsgurtes und ausgehend von einem Schmerzengeld von insgesamt EUR 25.000,--, einer Verunstaltungsentschädigung von EUR 1.000,-- und einem Kleiderschaden in Höhe von EUR 250,-- und unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlung auf das Schmerzengeld von EUR 3.000,--, das Leistungsbegehren von EUR 17.000,-- und das Feststellungsbegehren zu drei Viertel. Zahlung leisteten die Beklagten nicht.
Am 9.10.2009 brachte die Klägerin noch eine Urkundenvorlage samt Beweisantrag ein (ON 11). Ein Teilanerkenntnisurteil beantragte die Klägerin in diesem Schriftsatz nicht.
Ohne eine vorbereitende Tagsatzung gemäß § 258 ZPO abzuhalten bestellte der Erstrichter mit Beschluss vom 12.10.2009 einen unfallchirurgischen Sachverständigen und erteilte ihm einen Gutachtensauftrag (ON 12). Der Sachverständige Dr. Alfred Steindl erstattete daraufhin auch sein schriftliches unfallchirurgisches Gutachten (ON 13).
Mit Schriftsatz vom 22.12.2009 (ON 16) beantragte die Klägerin nach Zustellung des Gutachtens die Ergänzung desselben, wies auf den ihr in der Klage unterlaufenen Rechenfehler hin, dehnte aber das Klagebegehren aufgrund des Gutachtens in der Position Schmerzengeld um EUR 5.000,-- auf restliche EUR 27.000,-- aus. Mit der Verunstaltungsentschädigung und dem Kleiderschaden machte die Klägerin also ein Leistungsbegehren von letztlich insgesamt EUR 28.250,-- s.A. und das unverändert gebliebene mit EUR 3.000,-- bewertete Feststellungsbegehren geltend.
Ein Teilanerkenntnisurteil beantragte die Klägerin weiterhin nicht. Auch nicht in der ersten (und einzigen) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.4.2010 (ON 19), in der der Erstrichter im Wesentlichen nur den bisherigen Akteninhalt inklusive des Gutachtens verlas und den Antrag auf Gutachtensergänzung (und alle anderen offenen Beweisanträge) wegen Spruchreife abwies.
Mit dem lediglich im Kostenpunkt angefochtenen Urteil verpflichtete der Erstrichter die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 23.250,-- s.A., stellte fest, dass die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle dieser in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 27.1.2008 entstehenden Schäden hafteten (die Zweitbeklagte beschränkt auf die Höhe ihrer Deckungssumme); das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 5.000,-- s.A. wies der Erstrichter ab und verpflichtete die Beklagten der Klägerin die mit EUR 6.120,54 bestimmten Kosten zu ersetzen.
Seine Kostenentscheidung gründete der Erstrichter auf „§ 43 Abs 2 ZPO“. Im ersten Verfahrensabschnitt – von der Klage bis einschließlich der Urkundenvorlage/Beweisantrag vom 9.10.2009 (ON 11) habe die Klägerin zu 90% obsiegt und daher Anspruch auf Ersatz der vollen Kosten auf Basis der ersiegten EUR 26.250,--. Im zweiten Verfahrensabschnitt (Schriftsatz vom 22.12.2009 mit Klageausdehnung ON 16) habe die Klägerin zu 84% obsiegt und daher Anspruch auf Ersatz von 68% ihrer Kosten auf Basis von EUR 31.250,--. Im dritten Verfahrensabschnitt - die Tagsatzung vom 21.4.2010 (ON 19); Vortrag des Anerkenntnisses der Beklagten von EUR 17.000,-- und drei Viertel des Feststellungsbegehrens - bleibe die Obsiegensquote unverändert, die Bemessungsgrundlage reduziere sich jedoch auf EUR 12.000,--. Die Einwendungen der Beklagten gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin (gemäß § 54 Abs 1a ZPO) seien nicht stichhaltig. Auch wenn das ursprünglich erhobene Leistungsbegehren im Umfang von EUR 3.000,-- wegen eines Rechenfehlers nicht berechtigt gewesen sein möge, so liege der Gesamtstreitwert in dieser Phase des Verfahrens dennoch bei EUR 29.250,--. Die Überklagung um den nicht gerechtfertigten Betrag könne sich jedoch auf die Obsiegensquote und allenfalls unter den Voraussetzungen des § 43 Abs 1 (gemeint wohl: Abs 2) erster Fall ZPO – mittelbar auch auf die Bemessungsgrundlage auswirken. Dessen ungeachtet sei die Klägerin berechtigt, ihre Kosten auf Basis des vollen Streitwerts zu verzeichnen. Ein mit Schriftsatz erklärtes (Teil-)Anerkenntnis bewirke nicht schon zu diesem Zeitpunkt (vor Vortrag des Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung) eine entsprechende Streitwertänderung. Damit gehe auch der Einwand fehl, die Bemessungsgrundlage habe sich schon mit dem Teilanerkenntnis in der Klagebeantwortung verringert. Unberechtigte Einwendungen gegen das gegnerische Kostenverzeichnis seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig und nicht zu honorieren. Der in der Hauptsache obsiegenden Klägerin gebührten für ihre (ebenfalls erhobenen) Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten kein Kostenersatz.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Kostenrekurs der Beklagten mit dem Ziel, lediglich zum Ersatz eines Kostenbetrages von EUR 4.740,-- verpflichtet zu werden.
Die Klägerin beantragt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben (ihn abzuweisen).
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Wesentlich ist hier die Beantwortung der Frage, ab wann ein in einem Schriftsatz enthaltenes Teilanerkenntnis kostenrechtlich wirkt, ob schon mit der Erklärung im Schriftsatz oder erst mit dem Vortrag in der Verhandlung. Die Rekurswerber argumentieren mit Obermaier – Das Kostenhandbuch (2005) Rz 497, 501/E 1; Kostenhandbuch2, Rz 125 – im Sinne der Wirksamkeit mit Einlangen des Schriftsatzes. Der Erstrichter vertritt die Ansicht, dass ein mit Schriftsatz erklärtes Teilanerkenntnis vor dem Vortrag des Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung keine Streitwertänderung bewirkt.
Der erkennende Senat schließt sich – entgegen Obermaier – der Meinung des Erstrichters an und erwägt dazu:
Seit der Entscheidung 3 Ob 58/06k (= SZ 2006/48), wonach der Gläubiger einer Geldforderung gemäß § 1415 erster Satz ABGB nicht berechtigt ist, der Tilgung dienende Teilzahlungen des Schuldners im Zahlungsverkehr durch Überweisung auf Bankkonten zurückzuweisen, wenn mit deren Annahme weder nennenswerte Mühe noch besondere Aufwendungen verbunden sind und wonach solche Zahlungen teilweise schuldbefreiend wirken, kann die ältere Judikaturlinie, wonach die Unterlassung eines Antrags auf Fällung eines Teilanerkenntnisurteils (gar) keine Kostenfolgen hat (referiert von M. Bydlinski in Fasching/Konecny2, II/1 § 43 ZPO Rz 15) nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Die Unterlassung eines Antrags auf Erlassung eines Teilanerkenntnisurteils schadet einem Kläger kostenrechtlich aber erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger einen solchen Antrag erstmals erfolgreich stellen kann und daher stellen müsste. Gemäß § 395 ZPO ist auf Antrag des Klägers dem Anerkenntnis gemäß durch Urteil zu entscheiden, wenn der Beklagte den gegen ihn erhobenen Anspruch bei der mündlichen Streitverhandlung ganz oder zum Teile anerkennt. Die Fällung des Anerkenntnisurteils außerhalb der mündlichen Verhandlung ist grundsätzlich zulässig. Das Gericht darf nur nicht aufgrund eines schriftlichen, also außerhalb der mündlichen Verhandlung gestellten Antrages auf Fällung eines Anerkenntnisurteils außerhalb der mündlichen Verhandlung ein Anerkenntnisurteil fällen, weil der Urteilsantrag des Klägers zu seiner Wirksamkeit der mündlichen Erklärung bei der ersten Tagsatzung oder mündlichen Streitverhandlung bedarf (RIS-Justiz RS0040859).
Die Fällung eines Anerkenntnisurteils setzt also eine mündliche Streitverhandlung und einen in dieser gestellten Antrag des Klägers voraus. Ohne gesetzlich gedeckte Möglichkeit der Erlangung eines Anerkenntnisurteils ist aber ein Kläger nach einem (Teil-)Anerkenntnis eines Beklagten nicht ausreichend geschützt, kann doch der Beklagte ein einmal erklärtes Anerkenntnis jedenfalls bis zum Antrag des Klägers auf Erlassung eines Anerkenntnisurteils jederzeit modifizieren oder widerrufen (jüngere Rechtsprechung; 9 Ob 56/09i).
Obermaier argumentiert, die Ansicht, das in einem Schriftsatz enthaltene Teilanerkenntnis wirke erst mit seinem Vortrag in der Verhandlung sei zwar „prozessrechtlich zutreffend“, aber „kostenrechtlich“ im § 12 Abs 3 RATG nicht gedeckt, weil das Teilanerkenntnis auch dann, wenn weder ein Antrag auf Teilanerkenntnisurteil, noch ein Vortrag des Schriftsatzes in der Verhandlung folgten, die Bemessungsgrundlage um den teilanerkannten Wert verringere. Die Änderung der Bemessungsgrundlage des RATG sei, sofern sie durch eine Parteierklärung bewirkt werde, auch schon für den betreffenden Schriftsatz zu berücksichtigen (Obermaier, Kostenhandbuch2, [2010] Rz 125). Letzteres mag für eine Änderung der Bemessungsgrundlage durch eine Parteienerklärung des Klägers, der sein Rechtsschutzziel ja jederzeit einseitig ändern kann (Klageeinschränkung) zutreffen. Für Erklärungen eines Beklagten gilt dies nicht, weil durch die bloße Erklärung des Beklagten ohne Erfüllung (Zahlung) das Rechtsschutzziel des Klägers noch lange nicht erreicht wird. Das Rechtsschutzziel des Klägers ist in diesem Fall erst dann gesichert, wenn er erstmals wirksam einen Antrag auf Fällung eines (Teil-)Anerkenntnisurteils stellen kann. Das ist, wie gesagt, in einer mündlichen (Streit-)Verhandlung der Fall. Die auf die Norm des § 12 Abs 3 RATG gestützte Argumentation überzeugt nicht.
§ 12 Abs 3 RATG lautet auszugsweise: Eine Änderung in dem Wert des Streitgegenstandes infolge einer Änderung einer Klage, infolge einer Einschränkung des Klagebegehrens oder infolge einer teilweisen Erledigung des Streites ist für die der Wertänderung nachfolgenden Leistungen und, sofern die Änderung durch eine Parteienerklärung bewirkt wird, auch schon für den betreffenden Schriftsatz zu berücksichtigen. ...
Die Änderung des Streitwertes kann aber nach dem oben Gesagten durch die Parteierklärung eines Beklagten allein noch nicht bewirkt werden, weil mit dieser Erklärung allein das Rechtsschutzziel des Klägers noch nicht erreicht ist. Die Änderung wird erst durch die nachfolgende Parteierklärung des Klägers, mit dem er ein (Teil-)Anerkenntnisurteil beantragt, „bewirkt“. Erst mit dem Teilanerkenntnisurteil liegt eine teilweise Erledigung des Streites gemäß § 12 Abs 3 RATG vor. Prozessrecht und Kostenrecht fallen hier nach Auffassung des erkennenden Senates nicht auseinander.
Die Klägerin war auch nicht gehalten, auf die Klagebeantwortung (als Schriftsatz der Beklagten) in der ein Teilanerkenntnis erfolgte, unverzüglich in einem ihrer weiteren Schriftsätze ein Teilanerkenntnisurteil zu beantragen, zumal es die Beklagten, wie gesagt rein theoretisch in der Hand hatten, ihr Teilanerkenntnis auch bis zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung noch zu modifizieren oder zu widerrufen. Die erste Gelegenheit, in der die Klägerin die Erlassung eines Teilanerkenntnisurteils beantragen hätte können – und auch kostenrechtlich hätte müssen – war die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21. April 2010 (ON 19). Ab diesem Zeitpunkt (im dritten Verfahrensabschnitt) hat der Erstrichter, bei unstrittig unveränderter Obsiegensquote die Bemessungsgrundlage auch zu Ungunsten der Klägerin auf EUR 12.000,-- reduziert, obwohl (weil) sie das ihr mögliche Teilanerkenntnisurteil auch in der Tagsatzung nicht beantragt hat.
Damit war dem Kostenrekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO sowie 11 RATG. Gemäß § 528 Abs 1 Z 3 ZPO ist ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
Textnummer
EW0000491European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2010:01600R00178.10D.1028.000Im RIS seit
03.12.2010Zuletzt aktualisiert am
03.12.2010