Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1) Mag. M***** P*****, und 2) Mag. G***** P*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegnerin F***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung (Streitwert 416.395,87 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 26. Juli 2010, GZ 2 R 94/10a-53, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Ausweisung des in Rede stehenden Grundstücks der Antragsteller im Flächenwidmungsplan als Freiland ist unstrittig. Dies wurde von den Vorinstanzen auch festgehalten. Der im gegebenen Zusammenhang von den Antragstellern erhobene Vorwurf, das Rekursgericht habe seiner Beurteilung nicht den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt, ist nicht gerechtfertigt. Bei der Aussage des Erstgerichts, wonach die vierte Flughafenerweiterung eine wertmindernde Enteignungsvorwirkung darstelle, handelt es sich um eine vorweggenommene rechtliche Beurteilung.
2.1 Die Antragsteller beanspruchen die Enteignungsentschädigung ausgehend von der Widmung als „Bauland-Aufschließungsgebiet“. In dieser Hinsicht berufen sie sich darauf, dass die Marktgemeinde diese Widmung konkret in Aussicht genommen habe, dieses Vorhaben durch die vierte Flughafenerweiterung im Jahr 1986 aber verhindert worden sei. Eine derartige Enteignungsvorwirkung, die von der Antragsgegnerin zu vertreten sei, dürfe sich nicht zum Nachteil des Enteigneten auswirken.
2.2 In der Rechtsprechung ist geklärt, das Vermögensnachteile aus einer materiellen Enteignungsmaßnahme, wie zB einer bestimmten Flächenwidmung, nach Maßgabe der dafür normierten Entschädigungsregelung auszugleichen sind. Selbst wenn in den anzuwendenden Vorschriften eine Entschädigung nur im eingeschränkten Ausmaß vorgesehen ist, muss die einschlägige Entschädigungsregelung als abschließende Ordnung der Entschädigungsfrage angesehen werden (vgl RIS-Justiz RS0057982).
In der Entscheidung 1 Ob 242/06d war die Entschädigung für die Festlegung eines Wasserschutzgebiets im gewidmeten Freiland nach § 34 WRG zu beurteilen. Die dortigen Antragsteller beriefen sich - ähnlich wie die beiden Antragsteller im vorliegenden Verfahren - auf die Verwirklichung eines „rechtlich akzentuierten Anspruchs auf Änderung des Flächenwidmungsplans“. Der erste Senat des Obersten Gerichtshofs bekräftigte in dieser Entscheidung, dass sich die Antragsteller nicht auf die Nutzungsmöglichkeit als Bauerwartungsland berufen könnten. Die Wertminderung durch Wirkung des Flächenwidmungsplans sei nach den Voraussetzungen des § 34 Stmk ROG 1974 zu entschädigen. Dabei handle es sich um eine abschließende Regelung der Entschädigungsfrage für (raum-)planerische Maßnahmen. Die Entschädigungsfähigkeit der Widmung als Freiland als Vorwirkung der Schutzgebietsverhängung (iSd WRG) sei daher ausgeschlossen.
2.3 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Widmung als Freiland bzw das behauptete Unterbleiben einer Umwidmung nur unter den Voraussetzungen des § 34 Stmk ROG 1974 entschädigungsfähig, eine Entschädigung also nur nach dieser Bestimmung denkbar ist. Dazu weisen die Antragsteller im außerordentlichen Revisionsrekurs selbst darauf hin, dass die in § 34 Abs 2 leg cit genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Außerdem richtet sich dieser Entschädigungsanspruch gegen die Gemeinde (vgl auch § 44 Stmk ROG 2010).
3.1 Die Entscheidung des Rekursgerichts steht mit den dargestellten Grundsätzen im Einklang. Die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage nach dem Vorliegen negativer Enteignungsvorwirkungen stellt sich hier nicht. Davon abgesehen würden die von den Antragstellern unter Hinweis auf die Entscheidung 2 Ob 282/05t dazu angestellten Überlegungen auch inhaltlich nicht für ihren Standpunkt sprechen. In dieser Entscheidung wurde zunächst festgehalten, dass die enteignungsbedingten Vermögensnachteile bezogen auf den Zeitpunkt der Aufhebung des durch Bescheid enteigneten Rechts festzustellen seien, wobei die Festsetzung des Entschädigungsbetrags von der konkreten wirtschaftlichen Verwendungsmöglichkeit des betroffenen Grundstücks im Enteignungszeitpunkt abhänge (vgl RIS-Justiz RS0082578; RS0053657). Im Hinblick auf § 7 Abs 2 EisbEG, wonach eine Werterhöhung, die der Gegenstand der Enteignung infolge der Anlage der Eisenbahn erfährt, außer Betracht bleibt, gelangt diese Entscheidung unter Hinweis auf Rummel (Vorwirkungen der Enteignung, JBl 1998, 20) zum Ergebnis, dass dies nur für Projektvorteile im engsten Sinn, nicht aber für allgemeine Planungsgewinne aus der Aufwertung eines ganzen Gebiets gelte. Dieses Ergebnis erscheine schon deshalb sachgerecht, weil sich der Enteignete auch alle wertmindernden Faktoren zum Stichtag anrechnen lassen müsse, die nicht als negative Vorwirkungen der Enteignung zu beurteilen seien. Als solche blieben aber nur die Enteignung gleichsam vorwegnehmende, also durch die beabsichtigte Bauführung bedingte Umstände, wie zB eine Bausperre, außer Betracht (vgl RIS-Justiz RS0053595).
Nach diesen Grundsätzen bleiben somit unmittelbar mit der Enteignung zusammenhängende Vorwirkungen bei der Entschädigungsbemessung ausnahmsweise außer Betracht. Selbst die Bejahung solcher nicht zu berücksichtigender (hier negativer) Enteignungsvorwirkungen könnte aber nur zu einer Vorverlegung des für die wertbestimmenden Eigenschaften des Grundstücks maßgebenden Zeitpunkts führen. In diesem Fall wäre von der Qualität des Grundstücks auszugehen, die es besaß, bevor die unmittelbare (werterhöhende oder wertvermindernde) Vorwirkung wirksam wurde. Eine Vorverlegung des Bemessungszeitpunkts könnte allerdings nicht zu der von den Antragstellern gewünschten Werterhöhung führen.
Sollten sich die Antragsteller auf das Argument beziehen, dass die Umwidmung ihres Grundstücks in Bauerwartungsland am Bewertungsstichtag bereits konkret preisbestimmend gewirkt habe, so wäre ihnen zu entgegnen, dass für eine derartige objektive Erwartung bezogen auf den Enteignungszeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
3.2 Soweit sich die Antragsteller auf die von der Antragsgegnerin mit anderen Grundstückseigentümern abgeschlossenen Kaufverträge beziehen, weisen sie selbst darauf hin, dass die sich daraus ergebende Preisbestimmung nur für gleichartige bzw vergleichbare Grundstücke maßgebend sein könnte. Die Gleichartigkeit der Grundstücke hängt aber von der objektiven und rechtlich zulässigen Nutzungsmöglichkeit ab.
4. Den Antragstellern gelingt es insgesamt nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 AußStrG aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Textnummer
E95745European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00109.10B.1104.000Im RIS seit
21.12.2010Zuletzt aktualisiert am
21.12.2010