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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §116 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des P P in L, vertreten durch Dr. Albrecht Schröder, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Linzer Straße 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat III, vom 30. Dezember 1994, 6/305/1-BK/Km-1992, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1983 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum Obmann eines Unterstützungsvereines in L. Der Unterstützungsverein unterhielt zahlreiche Wirtschaftsbetriebe (hauptsächlich Lokalitäten).
Wie das Landesgericht L in einem, ua den Beschwerdeführer betreffenden Strafverfahren und das Finanzamt im Zug einer den Unterstützungsverein betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung feststellten, kam es in den Wirtschaftsbetrieben des Unterstützungsvereines, insbesondere jedoch in den Lokalitäten zu Veruntreuungen ua durch den Beschwerdeführer und Doris G, der Buchhalterin des Unterstützungsvereines.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes L vom 17. November 1992 (idF nur: Urteil) wurden der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens und Doris G wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB verurteilt.
Der Spruch des Urteiles lautet folgendermaßen:
"Peter P (ie der Beschwerdeführer) und Doris G sind schuldig; sie haben in L Bargeldbeträge aus den Erlösen einzelner Lokalitäten der Wirtschaftsbetriebe des Unterstützungsvereines, die Peter P als deren Geschäftsführer anvertraut waren, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder Dritte dadurch unrechtmäßig zu bereichern, wobei Peter P insgesamt einen Betrag von 906.000 S und Doris G einen Betrag von 296.000 S zu verantworten haben und zwar:
I.) Peter P alleine von März 1984 bis Ende 1986 Bargeldbeträge von insgesamt 610.000 S;
II.) Peter P und Doris G als Beitragstäterin (§§ 12 dritter Fall, 14 StGB), indem Peter P dem Unterstützungsverein entzogene Bargeldbeträge an Doris G übergab, die sich diese zueignete und zwar:
1.) in den Jahren 1984 und 1985 insgesamt 80.000 S, die Peter P Doris G in Teilbeträgen anlässlich verschiedenster Anlässe schenkte;
2.) in den Jahren 1985 oder 1986 insgesamt 200.000 S, die Peter P Doris G als Schweigegeld für seine Manipulationen überließ;
3.) Ende 1983 einen Betrag von 16.000 S.
Peter P und Doris G werden von den weiteren Anklagefakten, Monika E von der wider sie erhobenen Anklage des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO wie folgt freigesprochen:
Es haben in L zusätzliche Bargeldbeträge aus den Erlösen einzelner Lokalitäten der Wirtschaftsbetriebe des Unterstützungsvereines, die Peter P als deren Geschäftsführer anvertraut wurden, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder Dritte dadurch unrechtmäßig zu bereichern,
1.) Peter P und Doris G als Beitragstäterin (§§ 12 dritter Fall, 14 StGB), indem Peter P von März 1984 bis Dezember 1985 dem Barvermögen des Unterstützungsvereines entzogene monatliche Bargeldbeträge von insgesamt 120.000 S an Doris G übergab, die sich diese zueignete;
2.) Peter P und Monika E als Beteiligte (§§ 12 dritter Fall, 14 StGB) im Jänner 1986 dadurch, dass Peter P einem aus dem Vermögen des Unterstützungsvereines entzogenen Bargeldbetrag von 337.169 S Monika E unmittelbar überließ;
3.) Monika E als Mittäterin des Peter P in der Zeit zwischen 1. März und Oktober 1986 durch monatliches Verkürzen der Erlöse in den Lokalitäten MD und H von insgesamt 60.000 S."
In der Begründung des Urteiles führte das Landesgericht L im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei vom 28. Jänner 1982 bis Dezember 1987 Obmann des Unterstützungsvereines gewesen. Als Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe des Unterstützungsvereines sei der Beschwerdeführer vom Oktober 1983 bis 1. Jänner 1984, vom 1. Mai 1984 bis 5. Mai 1986 sowie im Dezember 1986 tätig gewesen. Doris G sei vom 1. August 1981 bis 30. März 1986 im Unterstützungsverein als Buchhalterin tätig gewesen. Aufgabe von Doris G sei es gewesen, auf Grund der Kassaberichte der Wirtschaftsbetriebe einen Gesamtbericht zu verfassen und in das Kassabuch einzutragen. Die in den Lokalitäten tätigen Kellnerinnen hätten täglich ihre Einnahmen zusammengerechnet und auf einem eigenen Zettel unter differenzierter Anführung der Einnahmen und der sonstigen Erlöse zusammen geschrieben. Aus einem derartigen Zettel seien die Gesamteinnahmen eines Tages ersichtlich gewesen. Im Büro des Unterstützungsvereines habe sodann Doris G die gesamten Einnahmen in eine Sammelliste aufgenommen, wobei sie die Summen getrennt nach Speisen und Getränken in das Kassabuch eingetragen habe. Bereits unter dem Vorgänger des Beschwerdeführers seien die Erlöse aus dem Zigarettenverkauf im Kassabuch nicht eingetragen worden. Vielmehr seien diese Beträge vom Vorgänger des Beschwerdeführers von den Kellnerinnen persönlich übernommen worden. Da dies mit der Beendigung der Tätigkeit des Vorgängers des Beschwerdeführers nicht mehr möglich gewesen sei, hätten sich die von den Kellnerinnen Doris G übergebenen Erlöse aus dem Zigarettenverkauf angehäuft, wobei ein monatlicher Überschuss von rund 60.000 S entstanden sei. Da Doris G nicht gewusst habe, was sie mit diesen Beträgen tun sollte, habe sie den Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass dessen Vorgänger diese Beträge persönlich übernommen habe. Des Weiteren habe sie den Beschwerdeführer darüber aufgeklärt, dass Losungsmanipulationen insofern vorgenommen worden seien, als die Abrechnungen der Kellnerinnen neu geschrieben worden seien. Aus den so lukrierten "Schwarzgeldern" sei den Bediensteten des Unterstützungsvereines, die zum Teil mit dem Mindestlohn bei der gesetzlichen Sozialversicherung gemeldet gewesen seien, "Zusatzgehälter" gewährt worden. Die bereits vom Vorgänger des Beschwerdeführers zwecks "Schwarzgeldbeschaffung" gesetzten Maßnahmen seien vom Beschwerdeführer unter Mithilfe von Doris G fortgesetzt worden. Mit diesen "Schwarzgeldern" seien einerseits den Bediensteten des Unterstützungsvereines "Zusatzgehälter" gewährt und diverse Rechnungen beglichen worden, anderseits habe sich der Beschwerdeführer vom März 1984 bis Ende 1986 610.000 S, die ihm zwar anvertraut, auf die er aber keinen Anspruch gehabt habe, in Bereicherungsabsicht zugeeignet. Mit Beginn der Tätigkeit als Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe im Oktober 1983 und anlässlich der Übergabe der Beträge aus den Erlösen aus dem Zigarettenverkauf an ihn habe der Beschwerdeführer Doris G 16.000 S überlassen. Der Beschwerdeführer und Doris G hätten diesen Betrag als Schweigegeld für vergangene und künftige Erlösmanipulationen verstanden und damit Gelder des Unterstützungsvereines veruntreut. Der Beschwerdeführer habe Doris G weiters in den Jahren 1984 und 1985 insgesamt noch rund 80.000 S anlässlich des Kaufes einer Eigentumswohnung sowie zu weiteren Anlässen (Urlaub, Weihnachten, Geburtstag etc) aus Beträgen, die ebenfalls aus dem "Schwarzgeldtopf" entnommen worden seien, zugewendet. Der Beschwerdeführer habe schließlich Doris G im Jahr 1986 200.000 S, die aus dem Vermögen des Unterstützungsvereines stammten, als Schweigegeld zugewendet. Im Übrigen wurden der Beschwerdeführer und Doris G von den ihnen zur Last gelegten Vorwürfen im Zweifel freigesprochen, wobei jedoch festgestellt wurde, der Beschwerdeführer habe Doris G ab März 1984 ein "Zusatzgehalt" von monatlich 5.000 S (insgesamt 120.000 S) zukommen lassen. In den Lokalitäten B, MD und H seien ab 1. März 1986 durch Erlösverkürzungen dem Unterstützungsverein insgesamt rund 60.000 S entzogen worden. Im Jänner 1986 habe der Beschwerdeführer seiner damaligen Lebensgefährtin Monika E 337.169 S zur Begleichung eines aushaftenden Kredites übergeben. Dieser Betrag habe sich vorwiegend aus zum Nachteil des Unterstützungsvereines seit März 1984 veruntreuten Geldern zusammen gesetzt. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass es sich hiebei um zusätzliche Beträge handle, die nicht bereits erfasst seien. Bei in der Wohnung des Beschwerdeführers vorgefundenen Sparbüchern habe dieser zugegeben, 150.000 S stammten aus dem Vermögen des Unterstützungsvereines. Dieser Betrag sei jedoch in dem bereits oben genannten Betrag von 610.000 S inkludiert.
In den die Streitjahre betreffenden Einkommensteuerbescheiden brachte das Finanzamt neben Einkünften des Beschwerdeführers aus nichtselbständiger Arbeit in näher genannter Höhe Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Jahr 1983 von 100.000 S, im Jahr 1984 von
834.262 S, im Jahr 1985 von 737.357 S und im Jahr 1986 von 91.548 S zum Ansatz, wobei es zur Begründung auf § 184 BAO verwies.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, ihm sei vor Erlassung der Einkommensteuerbescheide keine Möglichkeit geboten worden, sich zu den zum Ansatz gebrachten Einkünften zu äußern. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie das Finanzamt geschätzt habe. Bei den ihm zur Last gelegten Unterschlagungen handle es sich überdies keinesfalls um Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
In einer ergänzenden Bescheidbegründung teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, nach den Feststellungen anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung des Unterstützungsvereines habe er als Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe des Unterstützungsvereines fremdes Vermögen verwaltet und dabei Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit iSd § 22 Abs 1 Z 2 EStG 1972 in der in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen Höhe erzielt. Da er neben seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch solche aus selbständiger Arbeit erzielt habe, sei er gemäß § 42 EStG 1972 iVm § 133 BAO verpflichtet gewesen, Steuererklärungen einzureichen. Da er dies unterlassen habe, hätten die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungsweg ermittelt werden müssen.
Diesen Ausführungen hielt der Beschwerdeführer entgegen, er sei nicht offizieller Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe des Unterstützungsvereines gewesen. Von Herbst 1983 bis Dezember 1986 sei die Funktion des Geschäftsführers unbesetzt gewesen. Er sei nur der Obmann des Unterstützungsvereines gewesen. Das Unterschlagen des einem Verein gehörenden Vermögens durch dessen Obmann stelle keine Vermögensverwaltung dar und führe daher beim Obmann nicht zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit. Die Höhe der vom Finanzamt zum Ansatz gebrachten Einkünfte aus selbständiger Arbeit unterscheide sich wesentlich von dem im Strafverfahren angeklagten und von ihm zugestandenen Ausmaß. Er habe lediglich rund 500.000 S unterschlagen, wobei er diesen Betrag bereits an den Unterstützungsverein zurückbezahlt habe. Es könnten daher iSd § 116 Abs 2 BAO maximal jene Beträge besteuert werden, für deren Unterschlagung er verurteilt worden sei.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer jene Teile des den Unterstützungsverein betreffenden Prüfungsberichtes vor, in denen die Unterschlagungen des Beschwerdeführers dargestellt sind. In diesen Teilen wird unter genauer ziffernmäßiger Darstellung für die einzelnen Streitjahre im Wesentlichen ausgeführt, in der Lokalität MD sei es im Streitzeitraum zu erheblichen Losungsverkürzungen gekommen. Speziell in den Sommermonaten seien teilweise völlig unglaubwürdige Losungen und ein teilweise völlig unübliches Verhältnis zwischen Speisen und Getränken aufgezeichnet worden. Großteils fehle zumindest ein täglicher Abrechnungszettel. In sämtlichen Lokalitäten seien die Erlöse aus dem Zigarettenverkauf nicht in den erklärten Einnahmen erfasst worden. Betreffend die Erlöse aus der Dressenreinigung für Hobby-Fußballmannschaften seien keine Unterlagen vorhanden gewesen.
Der Beschwerdeführer erklärte dazu, er habe in der Lokalität MD keine Losungen verkürzt, weswegen ihm auch keine "Schwarzgelder" zugeflossen seien. Er habe nur Erlöse aus dem Zigarettenverkauf verkürzt. Die im Prüfungsbericht als Schätzungsbasis herangezogenen, im Jahr 1983 erzielten Erlöse seien für den Streitzeitraum nicht repräsentativ, weil in diesem Jahr Dumpingpreise anlässlich der Eröffnung dieser Lokalität hätten gewährt werden müssen, Umbauarbeiten in einem Konkurrenzbetrieb zu einem überdurchschnittlichen Erlös geführt hätten und ein extrem schöner Badesommer mit ausgesprochen guten Umsätzen gewesen sei. Die so erzielten, atypisch hohen Erlöse könnten daher nicht zu Vergleichszwecken und damit als Schätzungsgrundlage herangezogen werden. Es sei für ihn sehr schwierig, zu den Feststellungen im Prüfungsbericht Stellung zu nehmen, weil er nicht an der abgabenbehördlichen Prüfung des Unterstützungsvereines teilgenommen habe. Über die Dressenreinigung für Hobby-Fußballmannschaften sei ihm nichts bekannt. Die Abgabenbehörde habe sich bei der Ermittlung der Höhe der zu schätzenden Einkünfte iSd § 116 Abs 2 BAO an die Feststellungen im Strafverfahren zu halten. Nach diesem Urteil habe er 906.000 S unterschlagen. Von diesem Betrag seien Doris G 296.000 S zugeflossen, weswegen ihm lediglich 610.000 S steuerlich zuzurechnen seien. Dieser Betrag sei auf den Streitzeitraum aufzuteilen. Er habe den von ihm angerichteten Schaden weit gehend gut gemacht, weshalb er im Endeffekt nicht bereichert sei. Es könne daher keinesfalls davon gesprochen werden, dass er Einkünfte erzielt habe. Die zur Schadensgutmachung aufgewendeten Beträge stellten jedenfalls Betriebsausgaben dar.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die Höhe der dem Beschwerdeführer zugerechneten Beträge zum Teil zum Vorteil, zum Teil zum Nachteil des Beschwerdeführers ab, wobei sie insgesamt 1,841.874 S als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit zum Ansatz brachte. Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe zugegeben, im Streitzeitraum Gelder veruntreut zu haben. Doris G habe zugegeben, einen Teil dieser Gelder erhalten zu haben. Im Berufungsverfahren sei nicht hervorgekommen, dass weitere Personen veruntreute Gelder erhalten hätten. Die den Unterstützungsverein betreffenden Abgabenbescheide seien rechtskräftig. Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers sei nicht geeignet, die Feststellungen des Prüfers zu entkräften und habe sich als unglaubwürdig erwiesen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer zwar weiter die Erlöse aus dem Zigarettenverkauf nicht erklärt habe, die übrigen von seinem Vorgänger eingeführten Erlösverkürzungen durch Losungsmanipulationen jedoch nicht mehr praktiziert habe. Auch im Urteil sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer sowohl Erlöse aus dem Zigarettenverkauf als auch (normale) Losungen verkürzt habe. Eine Bindung der Abgabenbehörde an ein Strafurteil hinsichtlich der Höhe der verkürzten Beträge bestehe nicht. Eine derartige Bindung bestehe nur insoweit, als Verurteilungen ausgesprochen würden. Insoweit von Teilen der Anklage freigesprochen oder gar keine Anklage erhoben werde, bestehe keine Bindung (vgl das hg Erkenntnis vom 14. April 1994, 92/15/0170). Dies bedeute, dass es der Abgabenbehörde bloß verwehrt sei, dem Beschwerdeführer weniger als 610.000 S zuzurechnen. Die Zurechnung eines höheren Betrages sei jedoch durch § 116 Abs 2 BAO nicht ausgeschlossen. Zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit gehörten auch Vergütungen für die Vermögensverwaltung. Eine Vermögensverwaltung bestehe nicht nur darin, das verwaltete Vermögen zu vermehren, sondern zunächst darin, Entscheidungen über das Vermögen zu treffen. Diese Entscheidungen können sich sowohl vermögenserhöhend als auch - wie im Beschwerdefall - vermögensvermindernd auswirken. Die vom Beschwerdeführer als Obmann des Unterstützungsvereines und Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe einbehaltenen unterschlagenen Beträge seien daher als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit zu qualifizieren. Ob diese Beträge zu Recht einbehalten worden seien, sei ohne Bedeutung, weil sie dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Nichteintragung in das Kassabuch des Unterstützungsvereines zugeflossen seien. Gewinne aus selbständiger Arbeit würden gemäß § 4 Abs 3 EStG 1972 durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung oder gemäß § 4 Abs 1 leg cit durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Der Beschwerdeführer habe die unterschlagenen Beträge nicht aufgezeichnet, geschweige denn Bücher geführt. Es hätten daher die Gewinne gemäß § 4 Abs 3 EStG 1972 geschätzt werden müssen. Allenfalls erfolgte Schadensgutmachungen führten erst in dem Jahr, in dem sie getätigt würden, zu (nachträglichen) Betriebsausgaben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe entgegen der Bestimmung des § 116 Abs 2 BAO die Bindungswirkung an das Urteil nicht beachtet und in ihrer Entscheidung wesentlich höhere Einkünfte zum Ansatz gebracht, als im amtswegigen strafgerichtlichen Verfahren festgestellt worden seien.
Sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmen, sind die Abgabenbehörden gemäß § 116 Abs 1 BAO berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 und 22) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Nach Abs 2 leg cit sind Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, von der Abgabenbehörde iSd des Abs 1 zu beurteilen. Eine Bindung besteht nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war.
Ein rechtskräftiges Strafurteil entfaltet bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (vgl das hg Erkenntnis vom 9. Dezember 1992, 90/13/0281, mwA). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen. Es besteht eine Bindung der Abgabenbehörde an jene tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil, auf denen der Spruch basiert, mit welchem der Beschuldigte eines Deliktes für schuldig befunden wird (vgl das hg Erkenntnis vom 25. März 1999, 97/15/0059, mwA). Eine Bindung der Abgabenbehörde an ein freisprechendes Strafurteil besteht schon wegen der anders gearteten Beweisregeln nicht (vgl das hg Erkenntnis vom 22. März 2000, 97/13/0173, mwA). So weit der Beschwerdeführer verurteilt wurde, war die belangte Behörde an die Feststellungen im Urteil gebunden. So weit der Beschwerdeführer vom Vorwurf darüber hinausgehender Veruntreuungen freigesprochen bzw gar nicht angeklagt wurde, bestand keine Bindungswirkung. Die von der belangten Behörde insoweit vorgenommene Schätzung erweist sich dabei als zulässig. Bemerkt wird, dass der Beschwerdeführer dem Schätzungsergebnis nichts Konkretes entgegensetzt und überdies bereits im hg Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, 95/14/0058, betreffend die Zurechnung veruntreuter Gelder an Doris G die Schätzung der belangten Behörde hinsichtlich der insgesamt von Doris G und dem Beschwerdeführer veruntreuten Gelder vom Verwaltungsgerichtshof als schlüssig angesehen wurde.
Der Beschwerdeführer hält dem angefochtenen Bescheid entgegen, die veruntreuten Gelder stellten keine Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit dar. Es handle sich nicht um Vergütungen für die Verwaltung des Vermögens des Unterstützungsvereines, weil die veruntreuten Gelder schon ihrer Natur nach nicht als Gegenleistung für die von ihm für den Unterstützungsverein ausgeübte Tätigkeit gewährt worden seien, sondern die lukrierten Beträge das Ergebnis eines strafrechtlich relevanten Verhaltens darstellten. Er sei zum Unterstützungsverein in keinem Dienstverhältnis gestanden, sondern dessen Obmann gewesen und habe als solcher keine Einkünfte bezogen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Gemäß § 22 Abs 1 Z 2 EStG 1972 sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit ua Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, zB Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Der Beschwerdeführer ist als Obmann des Unterstützungsvereines geschäftsführend für den Verein und dessen Wirtschaftsbetriebe tätig gewesen. Er hat damit eine Tätigkeit entfaltet, die das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens fremden Vermögens erfüllt. Gerade diese Tätigkeit ist es aber gewesen, die es ihm ermöglicht hat, den in Rede stehenden Vermögensvorteil zu lukrieren. Damit hat die unter § 22 Abs 1 Z 2 EStG 1972 fallende Tätigkeit zu Einkünften geführt. Daran ändert nichts, dass unrechtmäßig bezogene Vorteile naturgemäß nicht zur vertraglich festgelegten Gegenleistung gehören.
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, er sei der abgabenbehördlichen Prüfung des Unterstützungsvereines weder beigezogen noch in einem angemessenen Zeitraum zur Besprechung aufgefordert worden. Ihm sei keinerlei Gelegenheit geboten worden, zu den Ergebnissen der abgabenbehördlichen Prüfung Stellung zu nehmen und Aufklärung zu geben. Das Finanzamt habe die zum Ansatz gebrachten Einkünfte geschätzt. Die belangte Behörde habe im Berufungsverfahren die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens zu sanieren versucht. Acht Jahre nach Abschluss der abgabenbehördlichen Prüfung sei es für ihn unmöglich gewesen, detaillierte Erklärungen abzugeben. Ihm seien die seinerzeitigen Unterlagen nicht zur Verfügung gestanden. Immerhin habe er darauf hingewiesen, dass die Schätzung auf Basis der Jahre 1979 bis 1983 erfolgt sei, ein Zeitraum, in dem er nicht Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe des Unterstützungsvereines gewesen sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Anders als das Finanzamt hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren insofern Parteiengehör gewährt, als sie ihm jene Teile des den Unterstützungsverein betreffenden Prüfungsberichtes vorgehalten hat, in denen seine Unterschlagungen dargestellt sind. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer somit ausreichend Parteiengehör gewährt. Wenn der Verpflichtung, der Partei Gehör zu gewähren, von der Behörde nicht entsprochen wird, so liegt ein Verfahrensmangel vor, der jedoch im Rechtsmittelverfahren saniert werden kann, etwa durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wenn diese das Parteiengehör gewährt (vgl das hg Erkenntnis vom 27. Jänner 1999, 98/16/0411). Dies ist im Beschwerdefall geschehen. Insoweit ist es auch nicht erheblich, dass der Prüfungs- bzw Streitzeitraum bereits geraume Zeit zurückliegt. Dass dem Beschwerdeführer keine Unterlagen zur Verfügung standen, liegt nicht zuletzt an der von ihm zu vertretenden Verletzung der Aufzeichnungspflichten iSd §§ 125 ff BAO. Wie bereits ausgeführt, setzt der Beschwerdeführer dem Schätzungsergebnis überdies nichts Konkretes entgegen.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 30. Jänner 2001
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1995140043.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013