TE OGH 2010/11/9 4Ob89/10g

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Veröffentlicht am 09.11.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** L*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. G***** S*****, dieser vertreten durch Dr. Thomas Juen, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie der auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientin M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt in Hall, gegen die beklagten Parteien 1. A***** S*****, 2. W***** S*****, beide *****, 3. A***** K*****, alle vertreten durch Dr. Harald Burmann und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 40.334 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 3. Dezember 2009, GZ 2 R 226/09s-42, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. August 2009, GZ 59 Cg 96/08f-37, in der Entscheidung über das Zahlungsbegehren abgeändert wurde, sowie über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. August 2010, AZ 2 R 226/09s, mit welchem die Berufungsentscheidung dahin berichtigt wurde, dass das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. August 2009, GZ 59 Cg 96/08f-37, in der Entscheidung über das Feststellungsbegehren aufgehoben und dem Erstgericht insofern die neuerliche Entscheidung aufgetragen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Rekurs gegen den Beschluss des Berufungsgerichts vom 9. August 2010, AZ 2 R 226/09s, wird zurückgewiesen.

2. Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Zwischenurteil wird aufgehoben, und dem Berufungsgericht wird in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger und die Beklagten sind Nachbarn. An der Grundgrenze stand bei den Beklagten eine 2,80 bis 6 m hohe Mauer, die zugleich die Fassade eines Gebäudes bildete. Unmittelbar an dieser Mauer standen am Grund des Klägers eine in den letzten Jahren nicht mehr genutzte Mistlege sowie mehrere Holzschupfen und Flugdächer aus Holz. Eine „fixe Verbindung“ zwischen der Mauer und den Bauwerken des Klägers gab es nicht; diese waren nicht auf die Mauer als Stütze angewiesen.

Im April 2006 zeigten die Beklagten dem Bürgermeister der Gemeinde Hatting den Abbruch des Werkstättengebäudes an. Der Bürgermeister stimmte diesem Vorhaben nach § 41 Abs 5 TBO 2001 mit Amtsvermerk zu. Am 22. Mai 2006 stellte er den Beklagten folgende Bestätigung aus:

„Hiermit wird seitens der Gemeinde Hatting bestätigt, dass im Zuge der Abbrucharbeiten auf den Grundparzellen 1428/1 und 1428/2 KG Hatting und den daraus allenfalls unbeabsichtigten eintretenden Beschädigungen an den provisorisch errichteten Abstellplätzen am Nachbargrundstück J***** L***** eine Wiederherstellungsmöglichkeit nach den geltenden Gesetzen und Verordnungen, insbesondere der Tiroler Bauordnung (TBO) in den ursprünglichen Bauzustand (vor Beschädigung) keine Genehmigung für eine Wiederherstellung von der örtlichen Baubehörde erteilt wird.“

Am 19. Juni 2006 rissen Leute eines Bauunternehmens das Werkstättengebäude im Auftrag der Beklagten ab. Dabei zerstörte der Baggerführer den unmittelbar an die Grenzmauer anschließenden Teil der Mistlege des Klägers. Die Flugdächer und Schupfen blieben zunächst stehen, stürzten aber in weiterer Folge ein. Dadurch wurden darunter gelagerte Sachen des Klägers beschädigt.

Nach dem Einsturz waren die Bauwerksteile mit den darunter gelagerten Sachen vermengt. Der Bürgermeister erteilte dem Kläger den baubehördlichen Auftrag, die zusammengestürzten Anlagen fachgerecht zu entsorgen. Der Kläger beauftragte damit die Nebenintervenientin.

Der Kläger begehrte zuletzt Zahlung von 40.334 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen nachteiligen Folgen und Schäden aus der Beschädigung seiner Holzschupfen, hilfsweise Zahlung von weiteren 5.000 EUR. Die Mauer des Werkstättengebäudes habe seit über 30 Jahren als Stütze für die Mistlege, mehrere Holzschupfen und Flugdächer auf seinem Grundstück gedient. Die Beklagten hätten erkennen können, dass durch den von ihnen beauftragten Abriss die Bauwerke auf dem Grundstück des Klägers einstürzen und die darunter gelagerten Materialien und Geräte beschädigen würden. Tatsächlich habe der Baggerfahrer mit der Baggerschaufel gegen die Holzschupfen und Flugdächer gestoßen, dass diese eingestürzt seien. Der Abbruch habe nicht dem Stand der Technik entsprochen. Der Kläger habe die Nebenintervenientin mit der Entfernung der beschädigten Gegenstände und den Aufräumarbeiten betrauen, Container für die Aufbewahrung der Gegenstände anmieten und zu Sicherungszwecken einen Bauzaun errichten lassen müssen. In analoger Anwendung von § 364a ABGB und aus dem Titel des Schadenersatzes begehre er die dadurch entstandenen Kosten, weiters den Schaden an den unter den Flugdächern gelagerten Sachen sowie die Kosten für die Entsorgung der beschädigten Teile der Mistlege und deren Neuerrichtung. Da die Möglichkeit der Wiedererrichtung der Schupfen im Verwaltungswege noch nicht geklärt sei, könne der insofern entstandene Schaden bis zur rechtskräftigen Beendigung des Bauverfahrens nicht beziffert werden. Der Kläger habe daher ein Interesse an der begehrten Feststellung. Das hilfsweise gestellte Zahlungsbegehren von 5.000 EUR sei jedenfalls berechtigt.

Die Nebenintervenientin erstattete ein Vorbringen zur Höhe der Klageforderung.

Die Beklagten wandten ein, dass das Bauunternehmen den vom Bürgermeister genehmigten Abbruch fachgerecht ausgeführt habe. Die Schupfen und Flugdächer seien danach noch selbständig gestanden. Erst später seien sie aufgrund der instabilen Ausführung und des morschen Gebälks zusammengebrochen, ohne dass der Baggerfahrer mit der Schaufel dagegen gestoßen habe. Der schlechte Zustand der Bauwerke sei dem Kläger als Mitverschulden anzurechnen. Die Beklagten hätten nicht erkennen können, dass die Flugdächer einstürzen würden. Sie hätten zumindest nicht grob fahrlässig gehandelt. Auch die Höhe der Ansprüche werde bestritten. Ein Feststellungsinteresse sei nicht gegeben.

Die in einem Verfahren des Bezirksgerichts Telfs bestimmten Kosten von 1.084,37 EUR würden gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klageforderung aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es fest, dass die Flugdächer durch die weiteren Baggerarbeiten zum Einsturz gebracht worden seien. Diese Arbeiten seien nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden; ein professioneller Baggerfahrer sei grundsätzlich in der Lage, auch Mauern, an die andere Gebäude, Schupfen, Flugdächer oder Mistlegen unmittelbar anschlössen, derart abzureißen, dass diese unbeschädigt blieben. Es sei aber auch nicht feststellbar, dass die Beklagten dem Baggerfahrer die Weisung erteilt hätten, die Bauwerke zu zerstören. Rechtlich verneinte das Erstgericht einen nachbarrechtlichen Anspruch analog zu § 364a ABGB, da Voraussetzung dafür das Vorliegen einer Immission sei. Ein Bagger, der Gebäude zum Einsturz bringe, falle nicht darunter. Die Beklagten hafteten nicht für den Baggerfahrer, da die Voraussetzungen des § 1315 ABGB nicht vorlägen. Auch eine Verletzung der Schutznorm des § 42 Abs 2 TBO sei nicht gegeben, da der Abbruch an sich ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und die Gebäude am Grundstück des Klägers nur aufgrund weiterer Baggerarbeiten eingestürzt seien.

Der Kläger ließ diese Entscheidung in der Abweisung von 9.688,92 EUR unbekämpft. Im Übrigen strebte er mit seiner Berufung eine stattgebende Entscheidung über das Zahlungs- und das Feststellungsbegehren an. Dabei bekämpfte er insbesondere die Negativfeststellung zur Weisung an den Baggerfahrer, die Bauwerke niederzureißen. Die Beklagten wandten sich in der Berufungsbeantwortung gegen die Feststellungen zum Niederreißen der Bauwerke durch den Bagger und zur nicht fachgerechten Durchführung der Arbeiten.

Das Berufungsgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass die (verbliebene) Forderung von 30.645,08 EUR dem Grunde nach zu Recht bestehe, und ließ insofern die ordentliche Revision zu. Aufgrund einer Zwischenerledigung durch den Senat (4 Ob 89/10g vom 13. Juli 2010) berichtigte es den Spruch seiner Entscheidung dahin, dass es die Abweisung des Feststellungsbegehrens aufhob und dem Erstgericht insofern die neuerliche Entscheidung auftrug. Einen Rechtskraftvorbehalt setze es dabei nicht.

Der Zahlungsanspruch bestehe nach § 364a ABGB dem Grunde nach zu Recht. Das Eindringen einer Baggerschaufel auf das Nachbargrundstück sei als „besondere Veranstaltung“ und damit als direkte Immission iSv § 364 Abs 2 ABGB zu werten. § 364a ABGB sei analog anzuwenden. Eine baubehördliche Bewilligung habe wie eine behördliche Anlagengenehmigung die tatsächliche Wirkung, dass sich der Grundnachbar mit der anscheinend gefahrlosen Maßnahme abfinden müsse. Das gelte insbesondere für die Folgen des Einsatzes von Baumaschinen, soweit es sich um unmittelbar von der Anlage (dem Baubetrieb) ausgehende Einwirkungen handle, und zwar auch bei einem bloß einmaligen Ereignis. Schuldner des Ersatzanspruchs seien die Beklagten, da sie den Abbruchauftrag erteilt hätten. Daneben hafteten die Beklagten auch nach § 364b ABGB. Der in § 364b ABGB verwendete Begriff der „Vertiefung“ werde von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Er erfasse nach 7 Ob 103/98t auch einen Gebäudeabbruch, durch den das Nachbargebäude seine Stütze verliere. Der schlechte Bauzustand begründe kein Mitverschulden des Klägers. Überdies seien die Anlagen nach den Feststellungen des Erstgerichts nach den Abbrucharbeiten noch gestanden und erst vom Baggerfahrer zum Einsturz gebracht worden.

Die zum letztgenannten Punkt erhobene Beweisrüge der Beklagten blieb ebenso unerledigt wie jene des Klägers zur Negativfeststellung in Bezug auf eine Weisung der Beklagten an den Baggerfahrer, die Bauwerke zum Einsturz zu bringen.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil Rechtsprechung zu nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüchen bei unmittelbarer Einwirkung auf das Nachbargrundstück mit einem Bagger fehle.

Gegen diese Entscheidung richtete sich zunächst eine Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des Ersturteils anstreben; hilfsweise stellten sie einen Aufhebungsantrag. Nach der Berichtigung der Berufungsentscheidung „ergänzten“ die Beklagten ihr Rechtsmittel dahin, dass sie sowohl den Berichtigungsbeschluss als solchen als auch die damit verfügte Aufhebung der Entscheidung über das Feststellungsbegehren mit Rekurs bekämpften.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Eine Rekursbeantwortung wurde nicht eingeholt.

Rechtliche Beurteilung

A. Der Rekurs der Beklagten ist unzulässig.

1. Nach § 519 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen im Berufungsverfahren ergehende Beschlüsse nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen oder - bei einem Aufhebungsbeschluss - den Rekurs ausdrücklich zugelassen hat.

2. Diese Voraussetzungen sind beim Beschluss des Berufungsgerichts vom 9. August 2010 nicht erfüllt: Die Berichtigung erfolgte im Berufungsverfahren. Der darüber ergehende Beschluss ist daher jedenfalls unanfechtbar (RIS-Justiz RS0041738); der Ausnahmefall einer Berichtigung nach Rechtskraft (5 Ob 217/09m = JBl 2010, 594) liegt nicht vor. Der Oberste Gerichtshof kann daher nicht überprüfen, ob die Berichtigung als solche zulässig war. Gleiches gilt für den von der Berichtigung betroffenen Inhalt der berichtigten Entscheidung, dh für die Aufhebung der Entscheidung über das Feststellungsbegehren. Denn hier fehlt ein Rechtskraftvorbehalt iSv § 519 Abs 1 Z 2 ZPO. Damit ist auch ein „außerordentlicher“ Rekurs ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0043898). Die Zulassung der Revision gegen das Zwischenurteil erstreckt sich nicht auf den Aufhebungsbeschluss (RIS-Justiz RS0043898 [T7, T8]).

3. Aus diesen Gründen ist der Rekurs gegen den Beschluss vom 9. August 2010 als unzulässig zurückzuweisen. Eine Rekursbeantwortung war nicht einzuholen (5 Ob 185/03x).

B. Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Über den Anspruch nach § 364a ABGB kann derzeit wegen einer nicht erledigten Beweisrüge auch dem Grunde nach nicht entschieden werden. Die diesbezügliche Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist jedoch nicht zu beanstanden.

1.1. Der Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB erfasst zwar unmittelbar nur Einwirkungen auf den Nachbargrund, die aufgrund einer behördlichen Genehmigung - etwa einer Betriebsanlagengenehmigung - nicht untersagt werden können. Darüber hinaus wird diese Bestimmung aber in ständiger Rechtsprechung auch dann angewendet, wenn aufgrund einer Baubewilligung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme besteht und dadurch die Abwehr zwar nicht rechtlich ausgeschlossen, aber faktisch derart erschwert wird, dass der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muss (1 Ob 716/77 = SZ 50/160; 1 Ob 742/83 = SZ 56/158; RIS-Justiz RS0010668; RS0106324; zuletzt etwa 1 Ob 74/09b = immolex 2010, 214 [Cerha]). Einer Baubewilligung gleichzuhalten ist die unterbliebene Untersagung einer bloß anzeigepflichtigen Baumaßnahme (1 Ob 615/94 = SZ 67/212; 1 Ob 196/06i = bbl 2007, 65; RIS-Justiz RS0010668 [T15]).

1.2. Die Haftung nach § 364a ABGB setzt weiters voraus, dass von der genehmigten „Anlage“ Einwirkungen auf den Nachbargrund ausgehen, die für deren Betrieb „typisch“ sind (1 Ob 2170/96s = SZ 69/220 mwN; RIS-Justiz RS0010670, RS0106324). Dabei ist maßgebend, ob für den Haftpflichtigen der Eintritt des Schadens ein kalkulierbares oder gar kalkuliertes Risiko bildete, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (10 Ob 33/00a = RdU 2000, 153; 1 Ob 196/06i = bbl 2007, 65).

1.2.1. Es besteht kein Zweifel, dass der Abbruch einer an der Grundgrenze stehenden Mauer, an der Bauwerke des Nachbarn unmittelbar anschließen, typischerweise zur Beschädigung dieser Bauwerke führen kann. Denkbar sind dabei zum einen (bloße) Erschütterungen durch Baumaschinen (1 Ob 584/78 = SZ 51/47; RIS-Justiz RS0010629; zuletzt etwa 1 Ob 206/00a mwN). Die Abbrucharbeiten können aber auch in anderer Weise Schäden anrichten. Dabei ist es aus Sicht des Nachbarn unerheblich, ob eine Baggerschaufel Abbruchmaterial auf seinen Grund schleudert (vgl 1 Ob 716/77 = SZ 50/160) oder ob die Schaufel selbst dorthin ausschwingt und dadurch einen Schaden verursacht. Denn der Anschein der Gefahrlosigkeit, der sich aus der behördlichen Genehmigung oder - bei bloßer Anzeigepflicht - aus der Nichtuntersagung ergibt, steht in beiden Fällen faktisch der Abwehr von Schäden durch Erheben einer Unterlassungsklage entgegen. Der Zweck des § 364a ABGB erfordert daher eine Gleichbehandlung dieser Fälle.

Dabei ist unerheblich, ob die Schäden bei gehöriger Sorgfalt vermeidbar gewesen wären oder nicht. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass Bauarbeiten nicht immer fachgerecht ausgeführt werden; der Bauherr muss aus diesem Grund damit rechnen, dass dem von ihm eingesetzten Unternehmen gerade bei - wie hier - schwierigen Abbruchtätigkeiten Fehler unterlaufen. Damit trägt er aber nach der Wertung des § 364a ABGB das Risiko einer Auswirkung dieser Arbeiten auf den Nachbargrund. Im vorliegenden Fall steht zudem fest, dass die Beklagten Schäden beim Kläger (zumindest) für möglich hielten; anders ist das Einholen einer Bestätigung der Gemeinde nicht zu erklären, wonach eine - den Beklagten offenbar lästige - Neuerrichtung unzulässig sei. Für die Beklagten lag daher nicht bloß ein kalkulierbares, sondern offenkundig ein kalkuliertes Risiko vor.

1.2.2. Anders wäre zwar zu entscheiden, wenn der Baggerfahrer vorsätzlich gehandelt hätte. Hier hafteten die Beklagten nur dann, wenn sie den Auftrag dazu erteilt hätten. Letzteres ist - wegen der in diesem Punkt nicht erledigten Beweisrüge des Klägers - nicht ausgeschlossen. Anspruchsgrundlage wäre in diesem Fall aber § 1295 iVm § 1301 ABGB. Denn eine vorsätzliche Beschädigung von Bauwerken am Nachbargrund ist keinesfalls eine typische Folge von Abbrucharbeiten; § 364a ABGB wäre daher schon aufgrund seines Regelungszwecks nicht anwendbar.

1.3. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in 4 Ob 579/95 (= SZ 68/208) ausgesprochen, dass § 364a ABGB eine unmittelbare Zuleitung und grobkörperliche Einwirkungen nicht erfasse. Diese Aussage bezog sich jedoch im konkreten Fall auf den Ausschluss des Unterlassungsanspruchs. In 5 Ob 3/99y (= RdU 1999/178 [insofern zust Oberhammer]) hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass der Ersatzanspruch nach § 364a ABGB auch bei unmittelbarer Zuleitung oder grobkörperlichen Einwirkungen bestehen kann. Daran ist trotz der Kritik Schwimanns (in Rummel3 § 364a Rz 2) festzuhalten: Grund für den verschuldensunabhängigen Anspruch ist bei der hier strittigen analogen Anwendung von § 364a ABGB nicht der rechtliche Ausschluss eines Abwehranspruchs, sondern dessen faktische Erschwerung durch den durch behördliches Handeln erweckten Anschein der Gefahrlosigkeit. Dieser Anschein hängt nicht von der Art der Einwirkung ab (Oberhammer aaO).

1.4. Die Passivlegitimation der Beklagten ist im Revisionsverfahren nicht strittig. Aufgrund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts wäre deren Haftung daher zu bejahen. Die Revision zeigt allerdings richtig auf, dass derzeit nicht unbekämpft feststeht, weshalb die Bauwerke des Klägers eingestürzt sind. Das Erstgericht nahm ein Ausschwenken der Baggerschaufel an, die Beklagten haben diese Feststellung aber in der Berufungsbeantwortung bekämpft und statt dessen auf die „Instabilität“ der Bauwerke als Einsturzursache verwiesen. Dennoch hat das Berufungsgericht die bekämpfte Feststellung seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Damit ist das Berufungsverfahren in Bezug auf den Anspruch nach § 364a ABGB mangelhaft geblieben.

2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu § 364b ABGB können den Anspruch keinesfalls tragen. Das Erstgericht hat, wenngleich im Rahmen der Beweiswürdigung, unbekämpft festgestellt, dass die Bauwerke des Klägers nicht mit der Grenzmauer verbunden oder auf sie als Stütze angewiesen waren. Damit fehlt jede Grundlage für eine (auch analoge) Anwendung von § 364b ABGB.

Zur Klarstellung ist dazu aber Folgendes festzuhalten: § 364b ABGB erfasst nach seinem Wortlaut nur Grundstücksvertiefungen. Die vom Berufungsgericht für seine erweiterte Auslegung zitierte Entscheidung 7 Ob 103/98t (= JBl 1999, 383 [Bumberger 407] = RdU 1999/166 [Kerschner]) betraf zwar einen Gebäudeabbruch; die konkrete Instabilität des benachbarten Bauwerks ergab sich jedoch aus der Entfernung einer Kellermauer und damit ebenfalls aus der Beeinträchtigung der - von § 364b ABGB unmittelbar geschützten - Stabilität der Fundamentierung. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch nach dieser Bestimmung auch wegen des Entzugs einer oberirdischen Stützmauer bestehen könnte, ist damit nicht entschieden. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang offen, ob § 364b ABGB auch jenen Grundeigentümer schützt, dessen Bauwerk sich ohne Rechtsgrundlage am Nachbargebäude abstützt (dazu Bumberger, JBl 1999, 407 ff), und ob der Bauführer in einem solchen Fall nicht, statt Selbsthilfe zu üben, zunächst im Rechtsweg die Beseitigung dieser Abstützung erwirken müsste. Diese Fragen sind hier aber nicht weiter zu erörtern, weil die Bauwerke des Klägers eben nicht auf die Stütze durch die Mauer angewiesen waren.

3. Die übrigen Ausführungen der Revision zeigen keine für den Grund des Zahlungsanspruchs relevante Rechtsfrage auf. Ob Teile von Bodenplatten entfernt oder „nur“ beschädigt wurden, ist dafür unerheblich. Der Bauzustand der beschädigten Bauwerke ist bei der Feststellung der Schadenshöhe zu berücksichtigen; die Frage eines Mitverschuldens stellte sich nur dann, wenn sich die Bauwerke des Klägers tatsächlich - anders als hier festgestellt - ohne Rechtsgrund an der abgerissenen Mauer abgestützt hätten. Das Feststellungsbegehren ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

4. Wegen des oben (Punkt 1.4.) dargestellten Verfahrensmangels ist das Verfahren nicht spruchreif. Das angefochtene Zwischenurteil ist daher aufzuheben, und dem Berufungsgericht ist insofern die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Wird die in der Berufungsbeantwortung bekämpfte Feststellung übernommen, hätte es beim Zwischenurteil zu bleiben. Sonst wäre zu prüfen, ob nicht zumindest ein Anscheinsbeweis für einen Zusammenhang zwischen den Abbrucharbeiten und dem Einstürzen der Bauwerke spricht. Würde auch dieser verneint, wäre die ebenfalls offen gebliebene Beweisrüge des Klägers zu erledigen, der weiterhin eine Weisung der Beklagten an den Baggerfahrer annimmt.

Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden: Ein Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB kann auch dann bestehen, wenn Baumaschinen bei genehmigten oder - im Fall einer bloßen Anzeigepflicht - nicht untersagten Abbrucharbeiten angrenzende Bauwerke auf dem Nachbargrund beschädigen. Auf die Frage, ob die Arbeiten fachgerecht durchgeführt wurden, kommt es dabei nicht an.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E95749

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00089.10G.1109.000

Im RIS seit

21.12.2010

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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