Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Strauss als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Dr. Wittmann-Tiwald und Mag. Fisher in der Rechtssache der klagenden Partei O***** N*****, E*****straße *****, ***** W*****, vertreten durch Dr. Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** W*****, L*****straße *****, ***** W*****, vertreten durch ihren Sachwalter Dr. Thomas Hofer-Zeni, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei B***** V***** AG, B***** Lände *****, ***** W*****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen zuletzt EUR 18.000,-- sA und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,--), über den Rekurs des Bundes gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Juli 2010, 58 Cg 135/07k-66, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Text
Die Klägerin begehrte von der Beklagten gestützt auf § 1320 ABGB zuletzt Schadenersatz von EUR 18.000,-- samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten aus dem Vorfall vom 2.9.2006, bei dem die Hunde der Beklagten gegen das Bein der Klägerin sprangen, diese dabei stürzte und sich verletzte.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht bewilligte der Klägerin die beantragte Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO im vollen Ausmaß (ON 7). Hingegen wies es den Verfahrenshilfeantrag der Beklagten rechtskräftig ab.
Während des anhängigen Verfahrens wurde für die Beklagte Mag. Dr. Thomas Hofer-Zeni zunächst zum einstweiligen Sachwalter und mit Beschluss vom 30.7.2008 zum Sachwalter zur Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden bestellt (ON 15).
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 21.7.2010 gab das Erstgericht dem (eingeschränkten) Zahlungs- und dem Feststellungsbegehren statt, verpflichtete die Beklagte zum Kostenersatz und sprach aus, dass die Gebühren nach § 63 Abs 1 Z 1 ZPO gemäß § 70 ZPO zur Gänze von der Beklagten einzuheben sind.
In der Tagsatzung vom 12.7.2010 legte der Sachwalter der Beklagten Kostennote und beantragte die „Auszahlung aus Amtsgeldern gemäß § 10 ZPO“ (ON 60, 5).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Kosten des Sachwalters für sein Einschreiten im Verfahren mit EUR 6.356,02 und wies den Rechnungsführer an, diesen Betrag dem Sachwalter gebührenfrei zu überweisen und sprach aus, dass die Beklagte zum Ersatz der aus Amtsgeldern geleisteten „Gebühren“ verpflichtet sei.
Die vom Sachwalter verzeichneten Kosten seien zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen. Sie seien vorerst aus Amtsgeldern zu zahlen, weil die Klägerin Verfahrenshilfe genieße; werden jedoch aufgrund des Obsiegens der Klägerin von der Beklagten einzuheben sein.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs des Bundes, vertreten durch den Revisor am Landesgericht für ZRS Wien aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und den „Ersatzausspruch sowie die Auszahlungsanordnung an den Rechnungsführer“ aufzuheben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Die Klägerin beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Rekurswerber bringt vor, der Sachwalter habe nach § 267 ABGB einen Anspruch gegenüber dem Betroffenen; der Bund sei nicht zur Kostentragung verpflichtet. Schließlich habe der Klagevertreter (gemeint: Vertreter der Beklagten) nicht die Auszahlung aus Amtsgeldern begehrt.
Hiezu ist Folgendes auszuführen:
1. Unzweifelhaft begehrte der Sachwalter der Betroffenen die Auszahlung seiner Kosten aus Amtsgeldern, wie sich aus dem Protokoll zur Tagsatzung vom 12.7.2010 ergibt.
2.1. Nach § 10 ZPO hat die Partei, die durch ihre Prozesshandlung die Bestellung oder Mitwirkung des Kurators veranlasste, unbeschadet eines ihr allenfalls zustehenden Ersatzanspruchs, die durch die Prozessführung verursachten und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten eines vom Prozessgericht oder von einem anderen Gericht bestellten Kurators zu bestreiten. § 10 ZPO ist anwendbar, unabhängig davon, ob ein Kurator oder Sachwalter vom Pflegschafts-, Verlassenschafts- oder Prozessgericht bestellt wurde (Schubert in Fasching/Konecny2 II/1 § 10 ZPO Rz 8; Fucik in Rechberger3 ZPO § 10 Rz 3).
Nach § 10 ZPO hat somit die veranlassende (verursachende) Partei die Kuratorkosten zunächst selbst zu bevorschussen. Damit hat der Kurator einen direkten Anspruch gegen die Partei, die seine Tätigkeit veranlasste (Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 100f). Schreitet ein Rechtsanwalt als Kurator oder Sachwalter ein, ist sein Honorar nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG) zu bestimmen.
2.2. Die Klägerin, deren Prozessführung die Mitwirkung des Sachwalters der Beklagten veranlasste, genießt im Rahmen ihrer Verfahrenshilfe ua die Begünstigung des § 64 Abs 1 Z 1 lit e ZPO, welche die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Kosten eines Kurators, die die Partei gemäß § 10 ZPO sonst zu begleichen hätte, umfasst. Nach § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO werden diese „Kosten“ vorläufig aus Amtsgeldern berichtigt; diese Bestimmung gewährt die einstweilige Befreiung von der Entrichtung
„f) der notwendigen Barauslagen, die von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind; die unter den Buchstaben b) bis e) und die unter diesem Buchstaben genannten Kosten, Gebühren und Barauslagen werden vorläufig aus Amtsgeldern berichtigt;“ (Hervorhebung durch das Rekursgericht)
Diese Bestimmung unterscheidet somit zwischen den „notwendigen Barauslagen“ für den bestellten gesetzlichen Vertreter oder dem beigegebenen Verfahrenshelfer einerseits und den „Kosten, Gebühren und Barauslagen“, die unter b) bis e) und unter f) genannt sind, andererseits.
Da die Begünstigung der lit e die „Kosten eines Kurators“ umfasst, spricht die wörtliche und die systematische Auslegung dafür, dass die in der lit f angeordnete vorläufige Berichtigung aus Amtsgeldern die Kosten (und nicht bloß die Barauslagen) eines Kurators anordnet.
Daher sind die Kosten des Kurators (Sachwalters), welche von jener Partei gemäß § 10 ZPO zu tragen wären, deren Verfahrenshilfe die Begünstigung des § 64 Abs 1 Z 1 lit e und f ZPO umfasst, vorläufig aus Amtsgeldern zu entrichten (OLG Wien 13 R 180/05f, 16 R 195/09b; LG Salzburg 21 R 203/01a; Schubert in Fasching/Konecny2, ZPO § 10 Rz 12). Dies hat das Rekursgericht in diesem Verfahren bereits in seinem Beschluss vom 28.5.2009 (16 R 63/09s) ausgesprochen.
3.1. Diese Rechtsfrage ist jedoch in Lehre und Rechtsprechung sehr umstritten. Der erkennende Senat vertrat in der Entscheidung vom 27.4.2010 (Beschluss; 16 R 38/10s) die Ansicht, dass der Bund einem gemäß § 116 ZPO bestellten Kurator aus Amtsgeldern nur die Barauslagen, nicht aber die tarifmäßige Entlohnung auszuzahlen hat, wenn die Partei, die die Bestellung dieses Kurators veranlasste, im Rahmen der Verfahrenshilfe von der einstweiligen Entrichtung der Kuratorkosten befreit ist. Es stützte sich in seiner Begründung vor allem auf § 18 Abs 1 RAO, wonach ein Rechtsanwalt, der von einem Gericht unter anderem zu einem Kurator bestellt wurde, gegenüber der Republik bloß einen Anspruch auf Ersatz von Barauslagen hat („wird die Vergütung der baren Auslagen vom Staat geleistet“). Ein Entlohnungsanspruch steht danach nur gegenüber der vertretenen Partei zu, sofern sie Zahlungsmittel besitzt oder sie erlangt.
Weiters wurde in dieser Entscheidung dargelegt, dass die ZPO für einen Kurator keinen Kostenersatz durch den Bund vorsehe, während zum Unterschied dazu etwa das Gebührenanspruchsgesetz (GebAG) bei Zeugen, Sachverständigen, Dolmetschern einen öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruch regle. Ebenso wenig lasse sich ein Entlohnungsanspruch aus dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz (GEG) ableiten, weil die demonstrative Aufzählung, welche Kosten in bürgerlichen Rechtssachen von Amts wegen einbringlich zu machen seien, nicht die tarifmäßige Entlohnung von zu Kuratoren bestellten Rechtsanwälten enthalte. Wegen § 18 RAO und der Tatsache, dass ein Entlohnungsanspruch des Kurators gegenüber dem Bund nicht gesetzlich vorgesehen sei, könne diese demonstrative Aufzählung nicht um die tarifmäßige Entlohnung von zu Kuratoren bestellten Rechtsanwälten ergänzt werden, weshalb solche Kosten nicht aus Amtsgeldern zu zahlen seien (EF-Slg 102.671, 106.449).
Hierzu zitierte das Rekursgericht auch Rechtsprechung und Lehre, wonach bei Nichtzahlung der Kuratorkosten durch die an sich zahlungspflichtige Partei keine Haftung des Bundes eintrete (Gitschthaler in Rechberger3, ZPO §§ 116 bis 119 Rz 11 aE; EFSlg 90.812, 105.574). Schließlich sei einer Partei, die die Bestellung des Kurators veranlasst habe, nur ein Kostenvorschuss für Barauslagen, nicht aber für die tarifmäßige Entlohnung aufzutragen (Rassi, Die Kosten des Abwesenheitskurators im Zivilprozess, RZ 1997, 234 [237]).
3.2. Diese unter 3.1. referierte Rechtsauffassung hält das Rekursgericht, soweit sie – wie hier – die Kosten eines Kurators (Sachwalters) betrifft, dessen Mitwirkung von jener Partei veranlasst wurde, deren Verfahrenshilfe die Begünstigung des § 64 Abs 1 Z 1 lit e und f ZPO umfasst, nicht mehr aufrecht.
Zwar räumt der Gesetzgeber einem Kurator oder Sachwalter keinen Entlohnungsanspruch gegenüber dem Bund ein. Allerdings ergibt die Auslegung des § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO, wie ausgeführt, dass die dort angeordnete vorläufige Berichtigung aus Amtsgeldern die Kosten (und nicht bloß die Barauslagen) eines Kurators umfasst, die die Partei nach § 10 ZPO zu bestreiten hätte.
4. Der Rekurswerber bringt unter Hinweis auf § 267 ABGB vor, der Sachwalter habe einen Anspruch gegenüber dem Betroffenen.
Diese Bestimmung regelt einen Anspruch des Sachwalters/Kurators auf angemessenes Entgelt, wenn dieser für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten übertragen werden müsste, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten nützt. Ein Anspruch auf Ersatz von Kosten einer rechtsfreundlichen Vertretung besteht jedoch dann nicht, soweit beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenshilfe gegeben sind oder die Kosten vom Gegner (tatsächlich) ersetzt wurden (Hopf in KBB³ §§ 266 bis 267 Rz 4).
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Sachwalter gegenüber der Betroffenen (hier Beklagten) keinen Entlohnungsanspruch hat, wenn dessen Kosten aus Amtsgeldern berichtigt wurden.
Davon unabhängig ist nach GEG der Ersatz der aus Amtsgeldern berichtigten Kosten und dessen Einbringung zu beurteilen.
5. Der Rekurs erweist sich somit als nicht berechtigt.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 und Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
Textnummer
EW0000495European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2010:01600R00182.10T.1111.000Im RIS seit
02.03.2011Zuletzt aktualisiert am
02.03.2011