Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** KG, *****, vertreten durch Dr. Corvin Hummer und Mag. Birke Schönknecht, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. P*****, vertreten durch Marschall und Heinz Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen 109.261,71 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. August 2010, GZ 1 R 137/10i-45, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. März 2010, GZ 20 Cg 81/07a-39, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde dem Beklagten die Darlehensvaluta vom Verrechnungskonto der Klägerin überwiesen und bei der Klägerin als Forderung verbucht, wobei der Beklagte als Buchhalter der Klägerin die Überweisung unterzeichnete. Die darauf beruhende Beurteilung des Berufungsgerichts, Darlehensgeberin sei die Klägerin (und nicht die Komplementärin der Klägerin und damalige Ehegattin des Beklagten) gewesen, ist daher nicht zu beanstanden.
2. Das vom Beklagten ins Treffen geführte Verfahren vor dem Landesgericht Korneuburg betrifft ein Teilungsbegehren der Komplementärin der Klägerin in Ansehung einer näher bezeichneten Liegenschaft, während im Anlassfall die klagende KG ein dem Beklagten gewährtes Darlehen zurückfordert. In beiden Verfahren ist lediglich als Vorfrage zu beurteilen, ob der Beklagte anlässlich des Scheidungsverfahrens mit der Komplementärin der Klägerin eine wirksame Vereinbarung geschlossen hat. Schon aus diesem Grund kann eine von der Beurteilung des Berufungsgerichts allenfalls abweichende rechtliche Beurteilung des Landesgerichts Korneuburg in seinem (nach den Behauptungen der Revision nicht rechtskräftigem) Urteil keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen.
3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe arglistig seine Aufklärungspflicht in Ansehung des Einlagestands verschiedener aufzuteilender Sparbücher verletzt, die Klägerin könne daher die Vereinbarung zur Gänze wegen arglistiger Irreführung anfechten, beruht auf den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0111165) und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf:
3.1 Dass den Beklagten eine Aufklärungspflicht traf, kann angesichts des Umstands, dass die Komplementärin der Klägerin - die nicht im Besitz der Sparbücher war - von einem Einlagestand von 25.000 EUR ausging, der Beklagte aber bis zum tatsächlichen Abschluss der Vereinbarung erhebliche Abhebungen vorgenommen hatte, die er verschwieg, nicht bezweifelt werden.
3.2 Der Vorwurf in der Revision, die vorsätzliche arglistige Irreführung sei nicht erwiesen, ist ebenfalls unbegründet: Vielmehr steht fest, dass der Beklagte seine Abhebungen bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung ebenso verheimlichen wollte wie die danach erfolgten weiteren Behebungen, weshalb er die Komplementärin der Klägerin in der Folge „scheinheilig zur Vorlage von Kopien der Sparbücher“ aufforderte (S 9 des Ersturteils).
3.3 Das Berufungsgericht ist somit vertretbar davon ausgegangen, dass der Klägerin der ihr obliegende Beweis (RIS-Justiz RS0014792; Rummel in Rummel, ABGB³ § 870 Rz 2), der Beklagte habe trotz Bestehen einer Aufklärungspflicht arglistig wesentliche Umstände verschwiegen, gelungen ist. Bei arglistiger Irreführung berechtigt auch ein Motivirrtum zur Anfechtung (Rummel aaO Rz 3 mwN; RIS-Justiz RS0079857).
3.4 Hat der Kläger die Irrtumsveranlassung durch Unterlassung gebotener Aufklärung nachgewiesen, wird Kausalität vermutet; eine Widerlegung dieser Vermutung hat durch den hiefür behauptungs- und beweispflichtigen Gegner der den Irrtum geltend machenden Partei zu erfolgen (RIS-Justiz RS0016209; 3 Ob 111/09h). Eine entsprechende Behauptung hat der Beklagte in erster Instanz nicht aufgestellt.
4. Wenn schließlich, wie die Klägerin in ihrer vom Berufungsgericht nicht erledigten Beweisrüge behauptete, eine bindende Vereinbarung nicht getroffen wurde, wäre die Forderung der Klägerin aus dem ursprünglich geschlossenen Darlehensvertrag begründet, ohne dass es einer Anfechtung der nachfolgenden Vereinbarung ua über die Darlehensforderung bedurft hätte.
Ebensowenig bedarf es einer Auseinandersetzung damit, ob die Komplementärin der Klägerin von der Vereinbarung zurücktrat: Auch in diesem Fall bestünde die Darlehensforderung der Klägerin zu Recht.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.
Textnummer
E95596European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00205.10H.1111.000Im RIS seit
01.12.2010Zuletzt aktualisiert am
01.12.2010