Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die verpflichteten Parteien 1. I*****, und 2. R*****, wegen 36.340 EUR, über den Revisionsrekurs des säumigen Erstehers B*****, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Neumarkt am Wallersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 23. Juni 2010, GZ 22 R 214/10i-68, womit über den Rekurs der säumigen Ersteherin D***** GmbH, *****, der Beschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom 23. März 2010, GZ 6 E 37/07t-58, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurswerber und die betreibende Partei haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
In einem Verfahren zur Zwangsversteigerung einer Liegenschaft wurde diese einer GmbH als Meistbietender (im Folgenden nur: erste säumige Ersteherin) um 191.000 EUR zugeschlagen. Nachdem sie das Meistbot nicht erlegt hatte, erfolgte ein weiterer Zuschlag an den nunmehrigen Revisionsrekurswerber (auch: zweiter säumiger Ersteher), der 201.000 EUR geboten hatte. Beim Versteigerungstermin am 14. Jänner 2010 erhielt eine weitere Ersteherin den (mittlerweile rechtskräftigen) Zuschlag um 95.000 EUR. Sie erlegte auch das Meistbot.
Das Erstgericht stellte nach den §§ 155, 152 EO den Ausfall am Meistbot und die entgangenen Zinsen für die erste säumige Ersteherin mit 97.010,66 EUR (Punkt 1.) und für den zweiten säumigen Ersteher mit 10.092,50 EUR (Punkt 2.) fest. Es verpflichtete die säumigen Ersteher zur Zahlung dieser Beträge (samt 4 % Zinsen, jeweils ab dem dem Erlag der endgültigen Ersteherin folgenden Tag) auf das Meistbotkonto. Eine Solidarhaftung der Säumigen scheide aus, weil keine gemeinsam zu vertretende Kausalität vorliege.
Das Gericht zweiter Instanz änderte über Rekurs der ersten säumigen Ersteherin diesen Beschluss teilweise dahin ab, dass es den Ausfall im Punkt 1. für beide säumigen Ersteher zur ungeteilten Hand mit 97.010,66 EUR feststellte und demgemäß auch die Zahlungsverpflichtung abänderte. Zu Punkt 2. ergänzte es die erstinstanzliche Entscheidung um die Wörter „darüber hinaus“ und verpflichtete den zweiten säumigen Ersteher „zudem“ zur Zahlung der 10.092,50 EUR.
Nach Ansicht des Rekursgerichts sei das Exekutionsgericht entgegen der Ansicht der Rekurswerberin nach § 155 Abs 2 EO zur Feststellung des Meistbotsausfalls zuständig. Ohne Bedeutung sei es, dass der betriebene Geldbetrag im Meistbot Deckung finde. Die säumigen Ersteher hafteten nach Abs 1 leg cit ohne Rücksicht auf die betriebenen Beträge mit ihrem gesamten Vermögen für den sich bei der Wiederversteigerung ergebenden Ausfall am Meistbot, die Kosten der Wiederversteigerung, die entgangenen Zinsen und alle sonst durch ihre Saumsal verursachten Schäden.
Ein „Ausfall“ liege immer dann vor, wenn a) die Liegenschaft um ein niedrigeres Meistbot zugeschlagen wurde oder b) die Wiederversteigerung erfolglos blieb und das Meistbot des säumigen Erstehers über dem geringsten Gebot lag. Bei mehrmaliger Wiederversteigerung hafte jeder säumige Ersteher für die Differenz zwischen seinem Anbot und dem letztlich erzielten Erlös samt den mit dieser Differenz zusammenhängenden Kosten und Meistbotszinsen. Für die Schnittmenge dieser beiden Ausfälle hafteten die säumigen Ersteher solidarisch.
Die erste säumige Ersteherin strebe zu Recht den Ausspruch der Solidarhaftung mit dem zweiten säumigen Ersteher an, weil dieser für die Differenz zwischen seinem Anbot und dem letztlich erzielten Erlös einzustehen habe; da er einen noch höheren Ausfall zu verantworten habe als die erste säumige Ersteherin, hafte er bis zu dem von dieser verusachten Ausfall in der unbestrittenen Höhe von 97.010,66 EUR solidarisch.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil eine neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht bestehe.
Der Revisionsrekurs des zweiten säumigen Erstehers, zu dem die betreibende Partei unaufgefordert eine Revisionsrekursbeantwortung erstattete, ist zulässig. Es bedarf nach Ansicht des erkennenden Senats einer Sachentscheidung, weil abgesehen von der Entscheidung GlUNF 3372 aus dem Jahr 1906 zur Solidarhaftung nach § 155 Abs 1 EO, der zudem durch die EO-Novelle 2000 neu gefasst wurde, nur die Entscheidung 3 Ob 21/67 = EvBl 1967/459 vorliegt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Revisionsrekurswerber zu Recht nicht dagegen wendet, dass das Rekursgericht implizit der ersten säumigen Ersteherin die Rechtsmittellegitimation im Umfang der Abänderung zugestand. Zwar änderte sich durch den Ausspruch der Solidarhaftung nichts an ihrer primären Zahlungspflicht, durch den Ausspruch der Mitverpflichtung des bei der ersten Wiederversteigerung säumig Gewordenen zur ungeteilten Hand wurde für sie aber die Geltendmachung eines Regressanspruchs nach § 896 ABGB (in einem hier nicht weiter zu untersuchenden Ausmaß; ein Innenverhältnis, nach dem die erste säumige Ersteherin den Ausfall zur Gänze zu tragen hätte, ist nicht ersichtlich) erleichtert, weil für den Regressprozess die Zahlungspflicht auch des zweiten bindend feststeht. Die Anwendbarkeit dieser Norm folgt ohne weiteres aus dem sogleich zu erörternden Rechtscharakter der Schuld der Säumigen.
Ergänzend zu den zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichts ist auszuführen:
Die EO regelt das Verhältnis der Haftung mehrerer sukzessiv säumiger Ersteher zueinander nicht ausdrücklich. Aus § 155 Abs 1 EO (arg „und sonst … verursachten Schäden“) ist abzuleiten, dass es sich um eine spezielle dem Zivilrecht zuzurechnende Schadenersatzregel handelt. Dem entspricht, dass andere als die nach § 155 Abs 2 EO vom Exekutionsgericht „festzustellenden“ Schäden im Klageweg geltend zu machen sind (3 Ob 747/26 = SZ 8/292; 3 Ob 107/64 = SZ 37/149). Ungeachtet des Wortlauts des Abs 1 leg cit geht es nicht nur um eine bloße Haftung, sondern um eine Zahlungsverpflichtung, wie sie auch von den Vorinstanzen ausgedrückt wurde. Schon die ErläutRV der EO (Materialien zu den neuen österreichischen Civilprocessgesetzen I 531 f) sprechen von Ersatz- und (wiederholt) von Zahlungspflichten, wobei aber im Entwurf nur hinsichtlich des Vadiums und der bereits erlegten „Kaufschillingsraten“ von Haftung die Rede war. Für den Ausfall am Meistbot und die Kosten der Wiederversteigerung liege gleichsam schon eine Urkunde mit der Kraft eines Exekutionstitels vor, was die sofortige Zwangsvollstreckung in diesem Umfang rechtfertige (siehe nunmehr § 155 Abs 2 dritter Satz EO); nur für weitere Schäden müsse man den Klageweg betreten. Schließlich ist zu betonen, dass diesen Pflichten die Verletzung der nach § 152 Abs 1 EO bestehenden Zahlungspflicht des Erstehers zugrunde liegt.
Gelangt man solcherart zur zivilrechtlichen Qualifikation der Zahlungsverpflichtung säumiger Ersteher, ist schon allein deshalb die Ansicht des Revisionsrekurswerbers abzulehnen, es gebe keine Rechtsgrundlage für eine Solidarhaftung (für die sich im Übrigen auch Holzhammer, wie sich ohnehin aus dem Zitat im Rechtsmittel ergibt, ausspricht). Vielmehr ist diese - bei wie hier fehlender Bestimmbarkeit der Anteile - aus § 1302 zweiter Satz ABGB (zumindest analog) abzuleiten. Zweck des § 155 EO ist es offenkundig, die Verteilungsmasse und damit die auf das Meistbot Verwiesenen so zu stellen, wie sie stünden, hätte der säumige Ersteher seine Verpflichtung zum pünktlichen Erlag des Meistbots erfüllt. Da aber diese Verpflichtung jeweils nur einmal zu erfüllen wäre, ist kein Grund für die Annahme gegeben, die Regelung des § 155 EO sollte bei mehreren nacheinander säumigen Erstehern die Nutznießer besser stellen als sie es bei Erfüllung der Verpflichtung desjenigen Säumigen gewesen wären, der das höchste Meistbot abgab. Daher wäre eine Kumulierung der Schadenersatzpflichten wegen Ausfalls am Meistbot abzulehnen. Andererseits begründet der Umstand, dass mehrere Säumige denselben Betrag schulden, eben wie dargelegt eine Gesamtschuld. Dagegen vermag auch der Revisionsrekurswerber nichts Schlüssiges einzuwenden, wenn er von irrelevanten Umständen wie angeblich fehlender „Causalität“ und eben solchem Zusammenhang zwischen den Säumigen einerseits und deren „Rechtsgeschäften“ (womit anscheinend die Gebote in der jeweiligen Versteigerungstagsatzung gemeint sind) spricht.
Das vom Rekursgericht gefundene Ergebnis entspricht auch sowohl der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als auch der ganz überwiegenden Lehre (GlUNF 3372; 3 Ob 21/67 = EvBl 1967/459; ebenso [unter Berufung auf die ältere E] Heller/Berger/Stix, EO4 1232; Mini, Die neue Zwangsversteigerung von Liegenschaften 100 und Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 155 Rz 12; Schaar, Rechte und Pflichten des Erstehers bei exekutivem Liegenschaftserwerb 128; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 235). Wenn das Meistbot des zweiten säumigen Erstehers höher war als das des ersten (wie im vorliegenden Fall und in dem der Entscheidung 3 Ob 21/67), ist die Verursachung des Mehrbetrags des zweiten Meistbots durch die dem ersten Ersteher vorzuwerfende Unterlassung zu verneinen; seine Haftung bleibt auf die Differenz des eigenen Gebots zu dem letztlich erzielten Betrag beschränkt, denn nur dieser Mehrbetrag wäre der Verteilungsmasse bei ordnungsgemäßer Erfüllung zugeflossen. Der zweite säumige Ersteher kann sich nicht mit Recht darauf berufen, er habe nur die Differenz zwischen seinem (höheren) Meistbot und dem der ersten säumigen Ersteherin zu ersetzen. Abgesehen davon, dass es völlig ungewiss ist, ob von dieser (über das Vadium hinaus) eine Zahlung zu erlangen ist, folgt diese Verpflichtung unmittelbar aus § 155 Abs 1 EO. Es gibt auch keinen Grund für eine Reduktion der Verpflichtung wegen der niedrigeren Schuld der ersten Säumigen.
Der im Jahr 2000 eingeführte § 155 Abs 4 EO findet hier nicht Anwendung, weil dieser eine erfolglose Wiederversteigerung voraussetzt, also eine, die anders als im vorliegenden Verfahren zu keinem wirksamen Zuschlag führte (Angst in Angst, EO² § 155 Rz 3), etwa wegen Fehlens von Bietern bei der Wiederversteigerung (ErläutRV zur EO-Nov 2000, 93 BlgNR 21. GP 41).
Zu Recht hat daher das Rekursgericht die Solidarhaftung der beiden säumigen Ersteher bejaht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 41 ZPO. Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung waren mangels deren Freistellung durch den Obersten Gerichtshof nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Das Revisionsrekursverfahren nach der EO ist auch nach der Ausdehnung der Zweiseitigkeit des Rechtsmittels in der ZPO durch die ZVN 2009 (BGBl I 30) gemäß § 65 Abs 3 EO grundsätzlich einseitig (3 Ob 153/09k).
Schlagworte
5 Exekutionssachen,Textnummer
E95799European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00161.10P.1111.000Im RIS seit
10.01.2011Zuletzt aktualisiert am
22.02.2013