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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
JGG §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des PS in W, vertreten durch Dr. Mario Schiavon & Dr. Alexander Thomas, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Georg-Coch-Platz 3/4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Jänner 2000, Zl. 10.440/165-II/13/99, betreffend Löschung erkennungsdienstlicher Daten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Jänner 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung der seine Person betreffenden erkennungsdienstlichen Daten abgewiesen.
Am 8. April 1999 habe der Beschwerdeführer bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien einen Antrag auf Löschung der seine Person betreffenden erkennungsdienstlichen Daten eingebracht. Mit Bescheid vom 16. November 1999 habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien diesen Antrag abgewiesen. Dagegen habe der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Berufung eingebracht.
Weitere Sachverhaltsfeststellungen enthält der angefochtene Bescheid nur insoweit, als der Begründung zu entnehmen ist, dass aus der Aktenlage ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer im Verdacht gestanden habe, Frau B. ordinär beschimpft und durch seine Handlungsweise dieser Frau gegenüber den Tatbestand der §§ 15, 201 StGB erfüllt zu haben. Das gegen den Beschwerdeführer deswegen eingeleitete Strafverfahren sei laut Mitteilung des LG für Strafsachen Wien vom 29. März 1999 aus dem Grunde des § 11 StGB gemäß § 109 Abs. 1 StPO eingestellt worden.
Eine derartige Zurücklegung der Anzeige (richtig wohl:
Einstellung der Voruntersuchung nach Erklärung des Staatsanwaltes, keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung zu finden) verpflichte zwar nach den §§ 73 und 74 SPG grundsätzlich zur Löschung der gespeicherten erkennungsdienstlichen Daten, jedoch sähen die zitierten Bestimmungen des SPG vor, dass eine Löschung zu unterbleiben hat, wenn "auf Grund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen". Diese Befürchtung (wobei unklar bleibt, ob es sich um die konkrete Befürchtung der belangten Behörde im gegenständlichen Fall handelt) basiere auf der allgemeinen (statistischen) Rückfallsvermutung, dass einmal straffällig gewordene Personen neuerlich auffällig würden und die in Rede stehenden personenbezogenen Daten dazu geeignet wären, bei der Aufklärung strafbarer Handlungen, die der selbe Täter mit statistischer Wahrscheinlichkeit begehen werde (bei Sexualtätern sei die Rückfallswahrscheinlichkeit besonders hoch), hilfreich zu sein. Hinzu komme das Wissen des Betroffenen, dass er auf Grund der über ihn gespeicherten Daten bei Begehung einer weiteren strafbaren Handlung eher mit seiner Ausforschung rechnen müsse, wodurch eine spezialpräventive Wirkung erzielt werde.
Die belangte Behörde folge der Argumentation des Beschwerdeführers hinsichtlich der "Unzurechnungsfähigkeit" zum Tatzeitpunkt, welche letztlich zur Einstellung des Strafverfahrens geführt habe. Dem entsprechend könne es aber nicht Sache der belangten Behörde sein, Überlegungen dahingehend anzustellen, ob die gerichtliche Einvernahme verschiedener Zeugen zu einer Widerlegung der Angaben der Anzeigerin B. und in weiterer Folge allenfalls zum Freispruch des Beschwerdeführers geführt hätte.
Die belangte Behörde folge "überdies" nicht der Auffassung des Beschwerdeführers, dass bei ihm keine negative Zukunftsprognose zu befürchten wäre, komme doch einer der Gutachter zum Schluss, dass "... bei dem Untersuchten eine als schizoaffektiv zu bezeichnende Psychose vorliege."
Weiters sei nicht einzusehen, weshalb der Beschwerdeführer an Frau B. S 20.000,-- Schadensgutmachung überwiesen hätte, obwohl er die Richtigkeit der Angaben dieser Person massiv in Zweifel zöge.
Letztlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass ein weiteres Verarbeiten der die Person des Beschwerdeführers betreffenden gespeicherten erkennungsdienstlichen Daten deshalb erforderlich erscheine, weil aus den "o.a. Gründen" zu befürchten sei, dass er weitere derartige oder andere gefährliche Angriffe im oben beschriebenen Sinn begehen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) enthält im 3. Hauptstück seines 4. Teiles ("Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei") Regelungen über den Erkennungsdienst. Gemäß § 65 Abs. 1 erster Satz SPG in der im hier maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung waren die Sicherheitsbehörden ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln.
Nach § 73 Abs. 1 SPG sind gemäß § 65 ermittelte Daten von Amts wegen zu löschen, unter anderem wenn gegen den Betroffenen kein Verdacht mehr besteht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, es sei denn, weiteres Verarbeiten wäre deshalb erforderlich, weil auf Grund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen (Z 4). § 74 Abs. 1 SPG sieht, sofern nicht die Voraussetzung des § 73 vorliegen, eine Löschung erkennungsdienstlicher Daten, die gemäß § 65 Abs. 1 ermittelt wurden, auf Antrag des Betroffenen vor, wenn der Verdacht, der für ihre Verarbeitung maßgeblich ist, schließlich nicht bestätigt werden konnte oder wenn die Tat nicht rechtswidrig war. Zufolge § 74 Abs. 2 ist dem Antrag nicht stattzugeben, wenn weiteres Verarbeiten deshalb erforderlich ist, weil auf Grund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen. Zur Löschung der erkennungsdienstlichen Daten wird - von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen - grundsätzlich auf die Verdachtslage abgestellt. Eine Zurücklegung der Anzeige durch den Staatsanwalt (§ 90 StPO) steht damit nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Wenn der Verdacht etwa dazu geführt hat, dass es zu einem außergerichtlichen Tatausgleich nach § 7 JGG gekommen ist oder dass der Staatsanwalt von der Verfolgung einzelner von mehreren dem Beschuldigten zur Last liegenden strafbaren Handlungen absieht, wenn das voraussichtlich weder auf die Strafen noch auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen wesentlichen Einfluss hat (§ 34 Abs. 2 Z 1 StPO), dann spielt es keine Rolle, dass gegen den Betroffenen kein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet worden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0623, und vom 13. Mai 1998, Zl. 97/01/0933).
Ähnliches gilt für die Einstellung der Voruntersuchung durch den Untersuchungsrichter, wenn der Staatsanwalt die Erklärung abgibt, dass er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung findet (§ 109 Abs. 1 StPO). Auch hier ist das verfahrensrechtliche Unterlassen einer Bestrafung des Betroffenen von der Frage zu trennen, ob der der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten zu Grunde liegende Verdacht nicht mehr besteht oder schließlich nicht bestätigt werden konnte.
So ist bei Vorliegen eines Strafausschließungsgrundes ein Angeklagter freizusprechen und hat dieser kein Recht darauf, dass das Verfahren so lange fortgesetzt wird, bis sich allenfalls doch herausstellt, dass er den entsprechenden Sachverhalt nicht verwirklicht hat (vgl. Foregger/Fabrizy, StPO8, Rz. 15 zu § 259 StPO).
Damit hat das vom Staatsanwalt offenkundig gesehene Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) in der gegen den Beschwerdeführer geführten gerichtlichen Voruntersuchung und eine deshalb erfolgte Abgabe der Erklärung nach § 109 Abs.1 StPO für sich allein keine Aussagekraft darüber, ob der gegen den Beschwerdeführer bestandene Verdacht noch besteht bzw. schließlich bestätigt werden konnte oder nicht.
In den Fällen des § 73 SPG sieht das Gesetz eine amtswegige Löschung der Daten in den Fällen vor, in denen der Behörde offenkundig ist, dass der Verdacht, der zur erkennungsdienstlichen Behandlung geführt hat, nicht mehr besteht. Gelangt der Wegfall des Verdachtes der Sicherheitsbehörde nicht zur Kenntnis, ist in § 74 Abs. 1 SPG vorgesehen, die Löschung auf Antrag des Betroffenen vorzunehmen uzw. auch dann, wenn der Verdacht bloß "nicht erweisbar" war.
Im Falle des Beschwerdeführers hatte die belangte Behörde anhand des ihr zugänglichen Wissens, insbesondere anhand des Gerichtsaktes, zu beurteilen, ob Umstände zu Tage getreten sind, die den Schluss rechtfertigen, der gegen den Beschwerdeführer bestehende Verdacht habe sich ungeachtet der Erklärung nach § 109 Abs. 1 StPO bestätigt.
Die belangte Behörde wertete lediglich die Überweisung eines Betrages von S 20.000,-- an Frau B. als Zugeständnis des Beschwerdeführers an die Richtigkeit der Angaben dieser Person.
Auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, - im Pflegebericht der Privatklinik, in welcher sich der Vorfall abgespielt haben soll, finde sich zwar die Eintragung um
5.50 Uhr "der Patient (der Beschwerdeführer) ist fortan unter ständiger Aufsicht einer Pflegeperson; Arzt verständigt", die Anzeigerin sei jedoch mit der Pflegeperson nicht ident,
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über den in Rede stehenden Vorfall scheine in der ansonst lückenlosen Dokumentation keine Meldung auf,
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dem Dienst habenden Arzt Dr. J. hätte die Anzeigerin lediglich von Verbalattacken des Beschwerdeführers erzählt und schließlich
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im Notrufprotokoll der genannten Privatklinik scheine im fraglichen Zeitraum keine Eintragung auf, obwohl im angeblichen Tatortzimmer fünf Notrufmöglichkeiten gewesen wären,
geht die belangte Behörde mit keinem Wort ein.
Der belangten Behörde ist allerdings zuzubilligen, dass sie ihren Bescheid auch darauf stützt, dass die Voraussetzung des § 74 Abs. 2 SPG gegeben sei, wonach dem Antrag auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten nicht stattzugeben ist, wenn auf Grund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen. Dabei stützt sich die belangte Behörde allerdings auf eine allgemeine Rückfallsvermutung, die gerade wieder voraussetzt, dass die betroffene Person zumindest einen Sachverhalt erfüllt hat, der einer strafbaren Handlung entspricht, wenn nicht überhaupt straffällig geworden ist. Die von der belangten Behörde herangezogene spezialpräventive Wirkung einer solchen Weiterverarbeitung erkennungsdienstlicher Daten ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Lediglich der Hinweis der belangten Behörde auf ein Gutachten des Sachverständigen Primarius Dr. P., der zum Schluss komme, "bei dem Untersuchten liege eine als schizoaffektiv zu bezeichnende Psychose vor", könnte als konkreter Umstand i.S.d. § 74 Abs.2 SPG herangezogen werden (siehe etwa Zaudig in Faust, Psychiatrie - Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung, S. 161 ff, wonach schizoaffektive Psychosen in der Regel polyphasisch verlaufen, weshalb die Frage künftiger Episoden mit akuter Beeinträchtigung im Raume steht). Allerdings ist in den vorgelegten Verwaltungsakten lediglich das Deckblatt und die offensichtlich letzte Seite 21 dieses Gutachtens enthalten. Dieses im Hinblick auf die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit im angeblichen Tatzeitpunkt erstattete Gutachten ermöglicht aber aus dem Zusammenhang gerissen und lediglich bruchstückweise wiedergegeben dem Verwaltungsgerichtshof keine Schlüssigkeitsprüfung in Bezug auf die von der belangten Behörde gezogene Schlussfolgerungen aus dem erwähnten Gutachten.
Da die belangte Behörde sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 74 Abs. 1 SPG, nämlich ob der für die Ermittlung der erkennungsdienstlichen Daten maßgebliche Verdacht schließlich nicht bestätigt werden konnte, als auch hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 74 Abs. 2 SPG, welche konkreten Umstände befürchten lassen, der Beschwerdeführer werde gefährliche Angriffe begehen, keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, obwohl dies zu den von der belangten Behörde gezogenen Schlüssen notwendig gewesen wäre, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der angefochtene Bescheid war daher nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000010061.X00Im RIS seit
04.05.2001