TE OGH 2010/11/16 11Os133/10h

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Veröffentlicht am 16.11.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fries als Schriftführer, in der Strafsache gegen Martin B***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB, AZ 7 Hv 53/09i des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. Oktober 2009, GZ 7 Hv 53/09i-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Brunner zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. Oktober 2009, GZ 7 Hv 53/09i-27, verletzt in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Tat auch unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB das Gesetz in dieser Bestimmung.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Tat unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben.

Martin B***** wird für das Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB nach dieser Gesetzesstelle zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. Oktober 2009, GZ 7 Hv 53/09i-27, welches auch - unangefochten gebliebene - (Teil-)Freisprüche sämtlicher Angeklagter sowie einen Privatbeteiligtenzuspruch enthält, wurde Martin B***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu einer - unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren - bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten und zu einer Geldstrafe in der Höhe von 240 Tagessätzen (im Fall der Uneinbringlichkeit zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit vier Euro festgesetzt wurde.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat Martin B***** im Juni 2008 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Marc D***** durch die Vorgabe, der von ihm zum Kauf angebotene Pkw der Marke VW Golf, Baujahr 1991 weise einen Kilometerstand von lediglich ca 175.000 km auf, obwohl er dieses Fahrzeug im Mai 2008 mit einer Kilometerleistung von bereits 343.454 km erstanden hatte, durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung eines falschen Beweismittels, nämlich eines einen falschen Kilometerstand aufweisenden Tachometers, zum Ankauf des Kraftfahrzeugs um 1.400 Euro verleitet und mit diesem Betrag am Vermögen geschädigt.

Das Urteil wird lediglich von der Staatsanwaltschaft mit Strafberufung zum Nachteil des Angeklagten Martin B***** bekämpft (ON 30), über welche noch nicht entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. Oktober 2009, GZ 7 Hv 53/09i-27, in Ansehung der Subsumtion der vom Schuldspruch umfassten Tat (auch) unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach den unbekämpften Urteilskonstatierungen erwarb Martin B***** im Mai 2008 einen Pkw der Marke VW Golf mit einem Kilometerstand von ca 343.454 km für rund 400 Euro (US 8 f). Um potentielle Kaufinteressenten über die tatsächliche Kilometerleistung des Motors zu täuschen und sich durch einen daher erheblich überhöhten Verkaufspreis unrechtmäßig zu bereichern, wechselte er den im Fahrzeug eingebauten - den Kilometerstand von 343.454 km wiedergebenden - Tachometer gegen einen anderen (gebrauchten) Tachometer aus, welcher lediglich einen Kilometerstand von rund 175.000 km aufwies (US 9). Dem Käufer Marc D***** verschwieg der Angeklagte den vorgenommenen Tachometertausch sowie den tatsächlichen Kilometerstand des Fahrzeugs (US 11). Er ließ ihn im Glauben, dass der Kilometerstand des Fahrzeugs tatsächlich jenem der Anzeige am Tachometer entspricht und veranlasste ihn zu einer Zahlung von insgesamt 1.400 Euro (US 15 f).

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Landesgericht für Strafsachen Graz zur Auffassung, dass Martin B***** die Täuschung über Tatsachen unter Benützung eines falschen Beweismittels bewirkte und solcherart das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (vierter Fall) StGB verantworte (US 29).

Nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB haftet, wer einen Betrug begeht, indem er zur Täuschung eine falsche oder verfälschte Urkunde (erster Fall), ein falsches, verfälschtes oder entfremdetes unbares Zahlungsmittel (zweiter Fall), falsche oder verfälschte Daten (dritter Fall), ein anderes solches Beweismittel (vierter Fall) oder ein unrichtiges Messgerät (fünfter Fall) benützt.

Wenn auch der zur Täuschung über Tatsachen (hier: der bisherigen Laufleistung des Motors) verwendete Tachometer grundsätzlich ein Messgerät darstellt und überdies als Beweismittel geeignet ist, jemanden von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung zu überzeugen (Kirchbacher in WK2 § 147 Rz 31 und 46), scheitert die Subsumtion des inkriminierten Verhaltens unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB daran, dass der bloße Austausch eines (technisch unveränderten) Kilometerstandzählers - ohne damit verbundene Manipulation an demselben - weder ein falsches Messergebnis des Geräts bewirkt (Z 1 fünfter Fall) noch den Einsatz eines (neu geschaffenen und) falschen oder (veränderten und solcherart) verfälschten Beweismittels (Z 1 vierter Fall) darstellt. Das bloße Unterschieben eines Gegenstands zu einem Bezugsobjekt zu Beweiszwecken ist nämlich keine nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierte Täuschungshandlung (vgl Kirchbacher in WK² § 147 Rz 38 bis 40 und Rz 47). Vielmehr bildet der hier vorliegende Verkauf des Fahrzeugs an den Privatbeteiligten unter bewusster Verschweigung der tatsächlich viel höheren Kilometerlaufleistung (mit einem 3.000 Euro nicht übersteigenden Schaden) nur den Grundtatbestand des § 146 StGB.

Da die vom Erstgericht vorgenommene rechtfehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO), das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der fehlerhaften rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Tat und demnach auch im Strafausspruch aufzuheben.

Zu Letzterem ist anzumerken, dass das Landesgericht für Strafsachen Graz - von der Generalprokuratur im Hinblick auf die erforderliche Neubemessung der Strafe ungerügt geblieben - zu Unrecht von einem „Mindestbetrag von 4 Euro“ (US 59) ausging, weil das BudgetbegleitG 2009, BGBl I 2009/52, erst am 18. Juni 2009 in Kraft trat, sodass aufgrund des Günstigkeitsvergleichs für die im Jahr 2008 begangene Tat gemäß § 19 Abs 2 StGB von der zur Tatzeit geltenden unteren Grenze von zwei Euro auszugehen gewesen wäre.

Bei der durch die Aufhebung erforderlichen Neubemessung der Strafe war zunächst zu berücksichtigen, dass die Tat bereits länger zurückliegt und die Vorstrafen inzwischen tilgbar sind. Darüber hinaus hat das gegen den Angeklagten geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert, weil die Einzelrichterin das Urteil bereits am 5. Oktober 2009 gefällt und verkündet (ON 26), die Zustellung des Akts mit der Urteilsausfertigung an die Staatsanwaltschaft zur Ausführung der von dieser angemeldeten Rechtsmittel aber erst am 30. Juni 2010 verfügt hat, wobei der Akt tatsächlich erst am 15. Juli 2010 abgefertigt wurde (siehe ON 1 ohne Seitenzahl). Diese massive Verletzung des § 270 Abs 1 StPO war als Konventionsverletzung anzuerkennen (RIS-Justiz RS0114926), als deren Ausgleich die an sich zu verhängende Geldstrafe von 180 Tagessätzen um ein Sechstel zu reduzieren und daher letztlich die Geldstrafe mit 150 Tagessätzen auszumessen. Im Falle der Uneinbringlichkeit beträgt die Ersatzfreiheitsstrafe 75 Tage. Aufgrund der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten war die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 20 Euro zu bestimmen.

Eine gänzliche oder teilweise bedingte Nachsicht der Geldstrafe (§§ 43 Abs 1, 43a Abs 1 StGB) kommt aus spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung hierauf zu verweisen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95784

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00133.10H.1116.000

Im RIS seit

10.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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