Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner und Dr. Philipp sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Schroll, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Saadati als Schriftführerin in der Strafsache gegen Patrick E***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. Februar 2010, GZ 27 Hv 197/09w-126, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Plöchl, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Scheed zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
In Stattgebung der Berufung des Angeklagten wird die Freiheitsstrafe auf fünf Jahre herabgesetzt.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Patrick E***** mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (A), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (B) sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.
Danach hat er
(A) vom 7. Oktober 2008 bis zum 14. Juni 2009 wiederholt vorschriftswidrig Cannabis erworben und besessen,
(B) von der Jahresmitte 2007 bis zum 14. Juni 2009 im Zuge zahlreicher Übergaben vorschriftswidrig insgesamt zumindest 16,7 kg Cannabis mit einem jedenfalls 5%igen THC-Gehalt anderen überlassen sowie
(C) vom 1. Juni 2009 bis zum 15. Juni 2009 zwei im Urteil näher bezeichnete Kfz-Kennzeichentafeln, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht begründe die Urteilsannahme, der Beschwerdeführer habe den Großteil des von B des Schuldspruchs umfassten Suchtgifts gewinnbringend verkauft (US 9), nicht hinreichend (Z 5 vierter Fall), bezieht sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände und ist solcherart einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich. Die Tathandlung des Überlassens von Suchtgift (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) stellt nämlich keineswegs auf eine Bereicherung des Täters ab, womit selbst unentgeltliche Weitergabe dem angesprochenen Tatbestandsmerkmal entspricht (Litzka/Matzka/Zeder SMG² § 27 Rz 17).
Die Ableitung der Konstatierung, der Vorsatz des Beschwerdeführers sei (auch) darauf gerichtet gewesen, eine das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Suchtgiftquantität anderen im Zuge von wiederholten Übergaben kleinerer Mengen zu überlassen (US 10), aus der verschränkten Betrachtung der Häufigkeit der Tathandlungen über einen mehrjährigen Zeitraum sowie der Vorverurteilung des Beschwerdeführers wegen vom Jahr 2005 bis zum 4. September 2008 (US 6) laufend gesetzter gleichartiger Delinquenz (US 25) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
Die Feststellung, der Beschwerdeführer habe - teils im einverständlichen Zusammenwirken mit Mario Eb***** - insgesamt rund 5 kg Cannabis an Marcel K***** weitergegeben (US 9), gründet das Erstgericht auf die zeugenschaftlichen Angaben des genannten Abnehmers, der nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 125) aussagte, mindestens die konstatierte Suchtgiftmenge vom Beschwerdeführer bezogen zu haben, wobei mitunter Mario Eb***** als Mittelsmann fungiert habe (ON 125 S 43 f). Indem die Beschwerde einwendet, die Depositionen des Stefan B***** zum präsumtiven Suchtgiftlieferanten des Marcel K*****, von dem er, B*****, seinerseits Cannabis bezogen habe, stünden diesen Feststellungen erörterungsbedürftig entgegen (Z 5 zweiter Fall), gibt sie die angesprochene Aussage sinnentstellend rudimentär wieder. Nach der Aktenlage (richtig: ON 125 S 75 iVm ON 110 S 183) gab Stefan B***** nämlich - den diesbezüglichen Konstatierungen entsprechend - an, der Beschwerdeführer sei der „Kopf“ des gegenständlichen Suchtgiftrings gewesen und habe gegenüber den Abnehmern (ua) Mario Eb***** als Mittelsmann eingesetzt.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich gegen die Urteilsannahme, die von B des Schuldspruchs umfasste Suchtgiftquantität übersteige das 25-fache der Grenzmenge. Da die Beschwerde aber keine konkreten Verfahrensergebnisse anführt, die den diesbezüglichen Feststellungen entgegenstehen, sondern diesen nur aus - im Übrigen ohne die gebotene Bezeichnung der diesbezüglichen Fundstellen (RIS-Justiz RS0124172) vorgetragenen - Angaben von Zeugen über die Zeitpunkte wechselseitiger Kontakte abgeleitete spekulative Überlegungen entgegengesetzt, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider bestimmen weder die Tatwiederholung noch der mehrjährige Tatzeitraum die hier aktuelle Strafdrohung des § 28a Abs 4 SMG, womit die aggravierende Wertung dieser Umstände (US 27) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) verstößt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Darüber hinaus sieht sich der Oberste Gerichtshof unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO zu folgender Klarstellung veranlasst:
Das Erstgericht erkannte Patrick E***** zu C des Schuldspruchs des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig (US 3), ohne Feststellungen darüber zu treffen, ob dieser die vom Schuldspruch umfassten Kennzeichentafeln mit Bereicherungsvorsatz an sich genommen hat (US 10 f). Dabei konstatierten die Tatrichter - in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Verfahrensergebnissen (ON 125 S 75 iVm ON 109 S 13, ON 125 S 3 f) - zur objektiven Tatseite, dass Patrick E***** die Kennzeichentafeln an seinem Pkw montiert hatte, wo sie zwei Wochen nach der Montage von Polizeibeamten sichergestellt worden waren (US 10).
Ausgehend von der Judikatur, wonach die vom Bereicherungsvorsatz getragene Entfremdung von Kennzeichentafeln dem Tatbestand des Diebstahls nach § 127 StGB zu unterstellen (RIS-Justiz RS0065946) und von der abzugehen gemäß § 8 Abs 1 Z 1 OGHG einem verstärkten Senat vorbehalten ist, wäre mit Blick auf das dargelegte Sachverhaltssubstrat von Amts wegen der angesprochene Schuldspruchteil zu kassieren und dem Erstgericht aufzutragen, im insoweit durchzuführenden zweiten Rechtsgang eine entsprechende Feststellungsbasis zu schaffen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Auf diese Konsequenz weist auch die Generalprokuratur hin, regt aber unter einem mit folgender Begründung an, die angeführte Rechtsprechung zu überdenken:
Kienapfel hält die unterschiedliche Beurteilung des vorübergehenden Abmontierens von fremden Kennzeichentafeln nach § 229 StGB, aber die mit Benützungsvorsatz erfolgte Wegnahme eines fremden Kfz-Kennzeichens nach § 127 StGB für inkonsequent. Die noch aus dem alten StG stammende Rechtsprechung zur Wertträgerqualität des Kfz-Kennzeichens sei demnach zugunsten der ausschließlichen Anwendbarkeit der Urkundendelikte preiszugeben (vgl Glosse Kienapfel ZVR 1984/253; Kienapfel/Schroll in WK2 § 229 Rz 26).
Auch Fabrizy legt die Anwendung des § 229 Abs 1 StGB bereits aufgrund der Urkundeneigenschaft der Kfz-Kennzeichen (§ 49 Abs 1 KFG) nahe (Fabrizy StGB10 § 127 Rz 5).
Nach Mayerhofer können Urkunden, die bereits auf eine bestimmte Person bezogen sind, keine Wertträger und demnach auch nicht Gegenstand eines Diebstahls sein. Gleiches trifft nach dessen Auffassung auch auf geprägte Kennzeichentafeln zu, zumal der Blechwert minimal und rechtlich ohne Bedeutung sei (Mayerhofer StGB6 § 127 Anm 4 und Anm zu E 7).
Nach ständiger Judikatur sind Urkunden nur dann Gegenstand des Diebstahls, wenn sie als selbständige Wertträger unmittelbar Vermögenswert haben (RIS-Justiz RS0093595), also ohne weitere Voraussetzung einen unmittelbaren Anspruch auf eine geldwerte Leistung vermitteln (RIS-Justiz RS0093570). Urkunden, die keine Wertträger sind und auch nach ihrer Beschaffenheit keinen Wert haben, sind nicht Gegenstand eines Diebstahls (RIS-Justiz RS0093702).
Fallaktuell könnte die ständige Rechtsprechung zur Wertträgerqualität der amtlich ausgegebenen Kennzeichentafeln und damit die Frage, ob den Kfz-Kennzeichentafeln tatsächlich der ihnen von der Rechtsprechung bisher zugebilligte wirtschaftliche Wert zukommt, überdacht werden.
Aus den Gestehungskosten selbst, die mit anderen Urkunden, wie etwa den Reisepässen zumindest vergleichbar sind, lässt sich die Sonderstellung der Kfz-Kennzeichen nicht begründen.
Nach der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 Anlage 5e zu § 25d KFG Punkt B. 1. müssen Kennzeichentafeln aus viertelhartem Blech aus A 1 99,5 G 9 nach DIN 1783 mit einer Dicke von 1,0 mm bestehen.
Bänder und Bleche aus Aluminium und Aluminium-Knetlegierungen mit Dicken über 0,35 mm, kaltgewalzt werden in der Tabelle 4.1 der DIN-Normen als DIN 1783 (ersetzt durch DIN EN 485-4; 1994-01) geführt.
Laut Auskunft des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie betrug im Jahr 2010 (KW 23) der Metallpreis für Aluminium 1,61 Euro/kg.
Demnach ist der Sachwert von Kennzeichentafeln mit Blick auf deren geringes Gewicht minimal. So gesehen wären Kfz-Kennzeichentafeln mangels eines relevanten Sach- bzw Tauschwerts kein Gegenstand des Diebstahls.
Bei Verneinung der Wertträgereigenschaft eines amtlich ausgegebenen Kennzeichens wären Feststellungen zu einem allfälligen Bereicherungsvorsatz des Angeklagten entbehrlich und bestünde zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO kein Anlass.
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Weder Gestehungs- (§ 49 Abs 1 und 4a KFG 1967) noch Wiederbeschaffungskosten begründen als solche den für die Diebstahlstauglichkeit einer beweglichen Sache unabdingbaren - von der Verkehrsfähigkeit oder der allfälligen Widmung bloß zum persönlichen Gebrauch unabhängigen (RIS-Justiz RS0093585) - Tauschwert (RIS-Justiz RS0086732, RS0093409, RS0093538, RS0093570, RS0093610, RS0093645, RS0093656, RS0093753; Leukauf/Steininger Komm³ § 127 RN 6; Lewisch BT I² 157; Fuchs/Reindl-Krauskopf BT I³ 114; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 127 Rz 19, 21, 27, 45; vgl auch Bertel/Schwaighofer BT I11 § 127 Rz 4; aM Bertel in WK² § 127 Rz 6; treffend jedoch bereits Presslauer, ZVR 1987, 348 [Entscheidungsanmerkung]).
Indem Urkunden, zu denen - unbestritten (SSt 46/62 = EvBl 1976/163; aus dem Schrifttum statt aller: Jerabek in WK² § 74 Rz 53) - auch Kennzeichentafeln (§ 49 KFG 1967) zählen, nicht ohne Trägersubstanz auskommen, die stets einhellige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aus diesem Umstand jedoch gerade nicht den Schluss auf deren generelle Diebstahlstauglichkeit zieht, diese vielmehr grundsätzlich verneint (so bereits EvBl 1976/132, auf welcher Grundsatzentscheidung die von der Generalprokuratur in Frage gestellte Rechtsprechung über die Wertträgereigenschaft von Kennzeichentafeln [§ 49 KFG 1967] nach dem Inkrafttreten des StGB mit 1. Jänner 1975 beruht), begründet die Verknüpfung der in einer Urkunde gelegenen Gedankenerklärung mit einer Trägersubstanz noch keinen Tauschwert iSd § 127 StGB.
Aus den Gestehungskosten oder aus dem mit dem Erfordernis einer Trägersubstanz zwangsläufig verbundenen „Sachwert“ ist demnach der für eine Subsumtion (zumindest auch) nach § 127 StGB erforderliche Tauschwert nicht abzuleiten (vgl auch Kienapfel, ZVR 1981, 20; ders, ZVR 1984, 253; Fuchs/Reindl-Krauskopf BT I³ 114; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 127 Rz 19, 21, 27, 45; Lewisch BT I² 158; Kienapfel/Schroll in WK² § 229 Rz 26). Warum Kennzeichentafeln (§ 49 KFG 1967) aus der Sicht von „Souvenirjägern“ im Verhältnis zu anderen als nicht diebstahlstauglich angesehenen Urkunden ein besonderer Tauschwert zukomme (vgl ZVR 1987/119), macht die bisherige Rechtsprechung ebensowenig klar. Nichts anderes gilt für die - sogar explizit nur angedeutete - Folgerung eines Tauschwerts aus „Benützungsgebühr“, „angemessener Sicherstellung“ und Zulässigkeit behelfsmäßiger Verbindung (§ 49 Abs 1 und 7 KFG 1967) in Betreff von Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen (vgl erneut ZVR 1987/119).
Hinzu kommt, dass die bisherige Rechtsprechung, wonach die (von dieser noch angenommene) Wertträgereigenschaft einer Kennzeichentafel (§ 49 KFG 1967) im Fall ihrer mit Bereicherungsvorsatz erfolgten Unterdrückung sowohl aufgrund von „tatbestandsausschließender Exklusivität“ als auch von Konsumtion der Urkundenunterdrückung als „straflose Nachtat“ eines Diebstahls der Kennzeichentafel zur ausschließlichen Subsumtion des Geschehens unter § 127 StGB führe, nicht überzeugt, weil Scheinkonkurrenz begrifflich die Subsumierbarkeit eines historischen Geschehens unter zumindest zwei rechtliche Kategorien (strafbare Handlungen) verlangt, was bei Subsumierbarkeit unter nur eine strafbare Handlung (Exklusivität) gerade nicht der Fall ist. Da eine Kennzeichentafel nach eben dieser Rechtsprechung bereits durch Abmontieren unterdrückt wird, kann auch bei konkurrenzrechtlicher Betrachtung mangels voneinander trennbarer Tathandlungen § 229 Abs 1 StGB begrifflich nicht als „straflose Nachtat“ im Verhältnis zur Sachwegnahme gesehen werden (so aber ZVR 1984/253 [mit krit Glosse von Kienapfel]).
So gesehen stehen sich im Ergebnis der in der Wiederverwertbarkeit bestehende Wert des Trägermaterials von Kennzeichentafeln (§ 49 KFG 1967) und sonstiger Urkunden (§ 74 Abs 1 Z 7 StGB) gegenüber, ohne dass für den verstärkten Senat ein Grund für eine generelle Differenzierung nach dem Tauschwert und damit hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Objekt eines Diebstahls zu erkennen wäre. Durch ein in deren Wegnahme bestehendes Unterdrücken von Kennzeichentafeln (§ 49 KFG 1967) wird - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt - Diebstahl (§ 127 StGB) mithin nicht begründet, sodass die vom Erstgericht unterlassenen Feststellungen zur Frage eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes nicht subsumtionsrelevant sind, dem angefochtenen Urteil mithin kein zur amtswegiger Wahrnehmung von Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO Anlass gebender Rechtsfehler anhaftet.
Anzumerken bleibt, dass Z 29 der 28. KFG-Novelle BGBl I 2007/57, die eine Regelung für den Fall „eines Diebstahls von Kennzeichentafeln“ enthält (§ 51 Abs 4 KFG 1967 idgF), an den vorstehenden Überlegungen schon deshalb nichts ändert, weil es sich dabei nicht um eine Vorschrift für das Strafrechts- (Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG), sondern um eine für das Kraftfahrwesen (Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG) handelt, die im Übrigen hinsichtlich des angesprochenen Begriffs der im Zeitpunkt der Gesetzwerdung ständigen, vom verstärkten Senat nunmehr aber abgelehnten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht. Unter Diebstahl von Kennzeichentafeln iSd § 51 Abs 4 KFG 1967 ist somit nach Maßgabe der hier getroffenen Entscheidung deren strafrechtlich als Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 dritter Fall StGB zu beurteilende Wegnahme zu verstehen (vgl auch §§ 24 Abs 9, 102b Abs 1, 103b Abs 3 und 123a Abs 3 KFG 1967).
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 28a Abs 4 SMG unter Anwendung des § 28 (zu ergänzen:) Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren. Dabei wertete es die Umstände, dass der Angeklagte über einen langen Zeitraum mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedener Art begangen hatte (§ 33 Z 1 StGB) und dass er schon (wiederholt) wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden war (§ 33 Z 2 StGB), raschen Rückfall und die Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens als erschwerend, die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit aufgrund eigenen Suchtgiftkonsums (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB) sowie das Teilgeständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) als mildernd.
Der gegen den Strafausspruch erhobenen Berufung des Angeklagten, nicht jedoch jener der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Auf den Einwand des Angeklagten, die aggravierende Wertung der Tatwiederholung und des mehrjährigen Tatzeitraums verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB, wurde bereits in Beantwortung der Sanktionsrüge eingegangen.
Zur - von beiden Berufungswerbern angesprochenen - Gewichtung der Strafzumessungsgründe ist zunächst festzuhalten, dass dem Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB hier erhöhte Bedeutung zukommt, weil er einerseits in beiden Varianten verwirklicht wurde und andererseits der Deliktszeitraum von rund zwei Jahren (US 3) außerordentlich lang ist (vgl Ebner in WK² § 33 Rz 4).
Demgegenüber wirkt der Umstand eigener Gesundheitsschädigung durch Suchtgiftkonsum (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB) mit Blick auf den Vorwurf, zwei Jahre hindurch die Gesundheit anderer durch die Weitergabe von mehr als 16 kg an THC-hältiger Substanz aufs Spiel gesetzt zu haben, nur in sehr eingeschränktem Maß mildernd.
Demnach überwiegen die erschwerenden Umstände die mildernden sowohl an Zahl als auch an Gewicht erheblich.
Der Angeklagte wurde in den Jahren 2001 bis 2009 sieben Mal strafgerichtlich verurteilt (ON 121). Dabei fällt zunächst die steigende kriminelle Energie dahin auf, dass auf drei Verurteilungen wegen relativ geringfügiger strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen (§ 127 StGB) zwei Vorstrafen wegen Vergehen der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB), sodann eine wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs 1 StGB) und schließlich eine Verurteilung wegen Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz („§§ 28a Abs 1, 28 Abs 1 und 27 Abs 1 Z 1 SMG“) folgten. Die demgemäß ebenfalls jeweils erhöhten strafrechtlichen Sanktionen vermochten den Angeklagten aber nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Vielmehr delinquierte er während der Anhängigkeit der beiden bis dahin zeitlich letzten gegen ihn geführten Strafverfahren (US 6, 7, insb US 9 iVm ON 121 und dem Beiakt 23 Hv 149/08f des Landesgerichts Innsbruck) mit abermals gesteigerter krimineller Energie. Selbst der Ausspruch einer zehnmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe wegen der genannten Suchtgiftdelikte bewirkte keine Umkehr; das erstinstanzliche Urteil erging am 28. Oktober 2008 und erwuchs am 6. Mai 2009 in Rechtskraft, der gegenständliche Tatzeitraum reicht von der Jahresmitte 2007 bis zum 15. Juni 2009.
Berücksichtigt man weiters die sich in den Taten manifestierende, gegenüber rechtlich geschützten Werten gleichgültige Einstellung des Angeklagten (§ 32 Abs 2 StGB) sowie den Umstand, dass die den Strafsatz zu B betreffende Reinsubstanz von 835 Gramm THC mehr als das 40-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) darstellt (§ 32 Abs 3 StGB), erweist sich bei einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 28 Abs 4 SMG) eine solche in der Dauer von fünf Jahren als schuld- und tatangemessen.
Denn es darf unter dem Aspekt der Größe der Schädigung oder Gefährdung (§ 32 Abs 3 StGB) die Verteilung des Suchtgifthandels auf einen erheblichen Zeitraum ebenso wenig außer Betracht bleiben wie die Tatsache, dass dieser mit Bezug auf eine sogenannte weiche Droge begangen wurde.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
verstärkter SenatSchlagworte
verstärkter Senat,StrafrechtTextnummer
E95715European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00052.10M.1118.000Im RIS seit
02.01.2011Zuletzt aktualisiert am
30.01.2013