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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4c Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Mag. Dr. Michael Swoboda, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. März 1998, Zl. 10/13117/849 190, betreffend Nichtausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte beim Arbeitsmarktservice Bau-Holz Wien am 16. Jänner 1998 mit dem amtlich aufgelegten Formular den Antrag auf "Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes".
Mit Bescheid vom 19. Jänner 1998 lehnte das Arbeitsmarkservice Bau-Holz Wien "den von Ihnen als Ausländer eingebrachten Antrag vom 16.1.1998 auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBL. Nr. 218/1975, in der geltenden Fassung" ab.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. März 1998 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4c Abs. 2 AuslBG und Art.6 Abs. 1 dritter Untersatz des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. 9. 1980 über die Entwicklung der Assoziation keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid des Arbeitsmarktservice Bau-Holz Wien vom 19. Jänner 1998 bestätigt.
Diese Entscheidung wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Untersatz des ARB Nr. 1/80 deshalb nicht, weil die Unterbrechungen seiner Beschäftigung vom 24. Dezember 1994 bis 29. Jänner 1995, vom 16. März 1996 bis 12. Mai 1996, vom 9. November 1996 bis 12. Jänner 1997 sowie vom 5. März 1997 bis 15. Mai 1997 nicht als unverschuldete Arbeitslosigkeit zu werten seien und der Beschwerdeführer daher keine vierjährige ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Assoziationsabkommen aufweise. Auf vormalige Dienstverhältnisse außerhalb des Beurteilungszeitraumes sei nicht Bedacht zu nehmen. Des weiteren habe der Beschwerdeführer das Arbeitsverhältnis bei seiner näher bezeichneten letzten Arbeitgeberin mit 9. Dezember 1997 beendet und gehöre daher nicht dem regulären Arbeitsmarkt (des Mitgliedstaates Österreich) an. Demnach erfülle der Beschwerdeführer aber die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen erkennbar in dem Recht auf Ausstellung des beantragten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG verletzt. Er beantragt, "die Beschwerde gemäß Art 177 EGV an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen" und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeausführungen sich nur auf die Anspruchsvoraussetzungen der Ausstellung des Befreiungsscheines nach der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80), beziehen, nicht jedoch auf die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/80.
Art. 6 Satz 1 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 hat folgenden Wortlaut:
"Artikel 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
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nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
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nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
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nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."
Diese Bestimmung ist unmittelbar anwendbar und räumt subjektive Rechte ein. Betroffenen, die diese Voraussetzungen nach dem Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz ARB Nr. 1/80 erfüllen, ist gemäß § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) von Amts wegen ein Befreiungsschein durch das Arbeitsmarktservice auszustellen.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten Unterbrechungen seiner Beschäftigung vorgelegen sind und er demnach unter anderem auch vom 24. Dezember 1994 bis zum 29. Jänner 1995 nicht beschäftigt gewesen ist. Er hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil diese Unterbrechung seiner unselbständigen Beschäftigung eine unverschuldete im Sinne des Art. 6 Abs. 2 ARB Nr. 1/80 gewesen sei.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach dem Verlust seiner Beschäftigung im Jahre 1994 konnte sich der Beschwerdeführer noch nicht auf einen allenfalls durch die Zurücklegung von in Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 umschriebenen Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung erworbenen Anspruch auf Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nach den - erst mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 wirksamen - Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 - etwa im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Jänner 1997, in der Rechtssache C-171/95 (Recep Tetik) - berufen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0100, vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/09/0152, und vom 15. April 1998, Zl. 98/09/0044). Daher hat die vor dem 1. Jänner 1995 gelegene Unterbrechung der Beschäftigung des Beschwerdeführers auch zum Untergang der davor erworbenen Anwartschaft auf die mit dem dritten Gedankenstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 verbundene Rechtsposition geführt. Die nach der genannten Unterbrechung ab dem 29. Jänner 1995 zu berücksichtigende Zugehörigkeit zum österreichischen Arbeitsmarkt erfüllte - ungeachtet einer Prüfung der in den Jahren 1996 und 1997 festgestellten Unterbrechungen - jedoch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (9. März 1998) noch nicht die zeitlichen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80 und damit auch nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG.
Im Beschwerdefall kann zudem nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer im maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (9.März 1998) dem Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates Österreich noch angehörte, vermag er in dieser Hinsicht doch keinen Sachverhalt darzutun, der die Beurteilung der belangten Behörde widerlegen könnte und bestreitet auch nicht, dass er seit Dezember 1997 nicht mehr beschäftigt ist. Gründe, aus denen sich dennoch seine Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt ergeben könnte, werden vom Beschwerdeführer nicht behauptet (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0361, und vom 15. Dezember 1999, Zl. 97/09/0330, und die jeweils darin angegebene Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)).
Der Beschwerdeführer konnte schon aus den dargelegten Erwägungen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 6 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 und damit die Anspruchsvoraussetzungen für die Ausstellung des begehrten Befreiungsscheines im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht erfüllen.
Die Anregung des Beschwerdeführers auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war demnach im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des EuGH nicht aufzugreifen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998090158.X00Im RIS seit
20.03.2001