TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/31 98/09/0301

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Veröffentlicht am 31.01.2001
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4c Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der T in W, vertreten durch Dr. Peter Pöch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Strauchgasse 1-3, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 17. Juli 1998, Zl. 10/13117/895 764, betreffend Nichtausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, stellte beim Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien am 29. Juni 1998 mit dem amtlich aufgelegten Formular den Antrag auf "Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes".

Mit Bescheid vom 29. Juni 1998 lehnte das Arbeitsmarkservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien "den von Ihnen als Ausländer eingebrachten Antrag vom 29.6.1998 auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBL. Nr. 776/1996, in der geltenden Fassung" ab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juli 1998 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4c Abs. 2 AuslBG und Art.6 Abs. 1 dritter Untersatz sowie Art. 7 Abs. 1 zweiter Unterabsatz des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. 9. 1980 über die Entwicklung der Assoziation keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid des Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien vom 29. Juni 1998 bestätigt.

Diese Entscheidung wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, die Beschwerdeführerin erfülle die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Untersatz des ARB Nr. 1/80 deshalb nicht, weil die Unterbrechungen ihrer Beschäftigung vom 25. August 1994 bis 11. Oktober 1994 sowie vom 28. November 1994 bis 21. Jänner 1995 nicht als unverschuldete Arbeitslosigkeit zu werten seien und die Beschwerdeführerin daher keine vierjährige ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Assoziationsabkommen aufweise. Auf vormalige Dienstverhältnisse außerhalb des Beurteilungszeitraumes sei nicht Bedacht zu nehmen. Demnach erfülle die Beschwerdeführerin aber die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Ausstellung des beantragten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeausführungen sich nur auf die Anspruchsvoraussetzungen der Ausstellung des Befreiungsscheines nach der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80), beziehen, nicht jedoch auf die Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/80.

Art. 6 Satz 1 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 hat folgenden Wortlaut:

"Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

-

nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

-

nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

-

nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."

Diese Bestimmung ist unmittelbar anwendbar und räumt subjektive Rechte ein. Betroffenen, die diese Voraussetzungen nach dem Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz ARB Nr. 1/80 erfüllen, ist gemäß § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) von Amts wegen ein Befreiungsschein durch das Arbeitsmarktservice auszustellen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht bzw. bringt ausdrücklich selbst vor, dass sie vom 25. August 1994 bis zum 11. Oktober 1994 arbeitslos und demnach nicht beschäftigt gewesen ist. Sie hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil die festgestellten Unterbrechung ihrer Beschäftigung von 25. August 1994 bis 11. Oktober 1994 eine unverschuldete im Sinne des Art. 6 Abs. 2 ARB Nr. 1/80 gewesen sei.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach dem Verlust ihrer Beschäftigung am 24. August 1994 konnte sich die Beschwerdeführerin noch nicht auf einen allenfalls durch die Zurücklegung von in Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 umschriebenen Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung erworbenen Anspruch auf Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nach den - erst mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 wirksamen - Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 - etwa im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Jänner 1997, in der Rechtssache C-171/95 (Recep Tetik) - berufen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0100, vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/09/0152, und vom 15. April 1998, Zl. 98/09/0044). Daher hat die vor dem 1. Jänner 1995 gelegene Unterbrechung der Beschäftigung der Beschwerdeführerin auch zum Untergang der bis 24. August 1994 erworbenen Anwartschaft auf die mit dem dritten Gedankenstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 verbundene Rechtsposition geführt.

Selbst wenn man - ohne auf das zur Beschäftigung bei der Arbeitgeberin Varga erstattete Vorbringen einzugehen - der Behauptung der Beschwerdeführerin folgt, sie sei bereits ab 28. November 1994 beschäftigt gewesen und die von der belangten Behörde angenommene Unterbrechung der Beschäftigung vom 28. November 1994 bis 21. Jänner 1995 sei nicht vorgelegen, könnte dies ihre Beschwerde dennoch nicht zum Erfolg führen, weil die Beschwerdeführerin dann das Erfordernis einer vierjährigen Beschäftigung nicht mehr zu erfüllen vermag, erreichen doch die ab dem 28. November 1994 zurückgelegten Beschäftigungszeiten im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (27. Juli 1998) noch nicht die zeitlichen Voraussetzungen (von vier Jahren) des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80.

Die Beschwerdeführerin konnte schon aus den dargelegten Erwägungen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 6 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 und damit die Anspruchsvoraussetzungen für die Ausstellung des begehrten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG nicht erfüllen.

Die Anregung der Beschwerdeführerin auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des EuGH nicht aufzugreifen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998090301.X00

Im RIS seit

20.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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