TE OGH 2010/11/24 7Ob60/10i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** R*****, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagte Partei L***** K*****, vertreten durch Dr. Terence Klee, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Vertragsaufhebung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 5. November 2009, GZ 2 R 202/09m-26, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 8. Juni 2009, GZ 66 Cg 147/08g-21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgricht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 3. 10. 1997 schlossen die Streitteile mit Notariatsakt eine Vereinbarung, in der zunächst festgehalten wird, dass sie eine auf Dauer abgestellte Lebensgemeinschaft begründet haben. Dem Wesen der Lebensgemeinschaft entsprechend sei ihre Beendigung „und damit die nachstehende, bedungene Vermögensaufteilung jederzeit einseitig bedingungslos einforderbar“ (Punkt 1 des Notariatsakts).

In Punkt 3 verpflichtete sich die Klägerin „binnen zwei Monaten ab Erklärung über die Auflösung der Lebensgemeinschaft - von welchem Partner auch immer - die gemeinsame Wohnung ohne Rücksicht darauf, ob ihr eine Ersatzwohnung zusteht, unter Mitnahme ihrer persönlichen Habe zu räumen.“ Sollten sich die Parteien nicht über die Aufteilung der Einrichtung und der Ausstattung der gemeinsamen Wohnung einigen, gehe „das Eigentum“ der Klägerin auf den Beklagten über, der eine dem Zeitwert aufgrund der natürlichen Abnützung entsprechende Ablöse (deren Höhe mangels Einigung von einem Sachverständigen festzusetzen sei) zu bezahlen habe.

In Punkt 4 wurde Folgendes vereinbart:

Frau A***** R***** (Klägerin), geboren am 20. 6. 1957, ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend aus dem Grundstück ***** im Ausmaß von 600 m².

Diese Liegenschaft übernimmt Herr L***** K***** (Beklagter), geboren am 22. 2. 1943, in sein Alleineigentum und stellt Frau A***** R***** ihrem Lebensgefährten, Herrn L***** K*****, folgendes Anbot:

a) A***** R***** übergibt und überlässt ihrem Lebensgefährten L***** K***** die Liegenschaft in EZ ***** GB ***** mit allem tatsächlichen und rechtlichen Zubehör und Letzterer übernimmt diese Liegenschaft zu nachstehenden einvernehmlich festgesetzten Bedingungen:

Zug um Zug mit Unterfertigung des diesbezüglichen Übergabsvertrags bzw Annahme dieses Anbots ist Herr L***** K***** verpflichtet, seiner Lebensgefährtin A***** R***** einen einmaligen Betrag von 300.000 ATS zu bezahlen.

Dieser Betrag ist ... (Wertsicherungsklausel)

b) Beide Vertragsteile geben sohin ihre ausdrückliche Einwilligung ... (Aufsandungserklärung)

c) Dieses Anbot auf Abschluss des Schenkungsvertrages ist binnen sechzig Tagen ab Erklärung über die Auflösung der Lebensgemeinschaft - von welchem Partner auch immer - von Herrn L***** K***** anzunehmen ...

Die Klägerin schloss am 27. 8. 2004 mit dem Beklagten die Ehe. Am 12. 6. 2008 brachte sie gegen ihn die Ehescheidungsklage bei Gericht ein.

Mit Notariatsakt vom 23. 7. 2008 nahm der Beklagte das in der Vereinbarung vom 3. 10. 1997 enthaltene Anbot der Klägerin an und übernahm die darin genannte Liegenschaft „samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör in sein alleiniges Eigentum“. Mit Schreiben vom selben Tag forderte der Beklagtenvertreter die Klägerin auf, binnen Monatsfrist die Liegenschaft unter Mitnahme ihrer persönlichen Habe zu räumen.

Mit der am 3. 9. 2008 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die am 3. 10. 1997 mit dem Beklagten geschlossene Vereinbarung (Notariatsakt ...) samt Annahmeerklärung vom 23. 7. 2008 (Notariatsakt ...) „rechtsungültig“ sei. Zuletzt modifizierte sie ihr Begehren dahin, dass die Aufhebung der beiden Notariatsakte begehrt werde. Sie habe die in der Vereinbarung genannte Liegenschaft am 16. 11. 1995 erworben, als sie mit dem Beklagten noch in Lebensgemeinschaft gelebt habe. Anschließend sei darauf ein Einfamilienhaus errichtet worden, in dem die Streitteile nach wie vor wohnten. Die Vereinbarung vom 3. 10. 1997 sei nur für die Zeit der Lebensgemeinschaft abgeschlossen worden, nicht jedoch für den Fall einer nachfolgenden Eheschließung, wodurch die Vereinbarung rechtsunwirksam geworden sei. Durch Einholung aller behördlichen Genehmigungen zwecks Einverleibung seines Eigentumsrechts versuche der Beklagte, die Klägerin aus der Ehewohnung zu verdrängen. Infolge Eheschließung verstoße der Notariatsakt vom 3. 10. 1997 auch gegen § 97 ABGB. In eventu stützte die Klägerin ihr Begehren auf laesio enormis.

Der Beklagte wendete ein, der Vereinbarung liege die gemeinsame Absicht der Parteien zugrunde, sein „wirtschaftliches Eigentum“ sicherzustellen, weil es „im Wesentlichen“ der Beklagte gewesen sei, der die Liegenschaft und den Hausbau finanziert habe. Bei Abschluss der Vereinbarung sei für beide Seiten vorhersehbar gewesen, dass die Parteien heiraten würden. Die Vereinbarung habe auch für diesen Fall weiterhin Geltung haben sollen. Das angerufene Gericht sei örtlich und sachlich unzuständig; die Klägerin wolle nämlich die in der Vereinbarung genannte Liegenschaft unter Verweis auf § 97 EheG in das eheliche Aufteilungsverfahren einbezogen wissen. Für eine Streitigkeit über den Verbleib eines Ehegatten in der Ehewohnung sei das angerufene Gericht aber nicht zuständig.

Die Unzuständigkeitseinrede wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 11. 3. 2009 verworfen; insoweit verzichteten die Parteien auf Beschlussausfertigung und Rechtsmittel.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Aufhebung der Vereinbarung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht, weil beiden Streitteilen bei Abschluss der Vereinbarung klar gewesen sei, dass sie später einmal heiraten würden. Da der Betrag von 300.000 ATS nicht auf den objektiven Wert der Liegenschaft abstelle, sondern die Leistungen der Klägerin bloß ausgleichen sollte, könne das Begehren auch nicht auf laesio enormis gestützt werden.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es feststellte, die Vereinbarung der Streitteile, abgeschlossen am 3. 10. 1997 (Notariatsakt ...) samt Annahmeerklärung vom 23. 7. 2008 (Notariatsakt …), sei „rechtsungültig“. Die Liegenschaft gehöre gemäß § 81 Abs 2 EheG zum ehelichen Gebrauchsvermögen, „weil das auf der Liegenschaft errichtete Haus während aufrechter Ehe als Ehewohnung diente“. Sie unterliege der nach herrschender Ansicht aus § 97 Abs 1 Satz 1 EheG [aF] abzuleitenden Verfügungsbeschränkung, wonach bezüglich des ehelichen Gebrauchsvermögens im Vorhinein keine rechtswirksame Vereinbarung getroffen werden könne. Nach der festgestellten Absicht der Parteien sollte die Vereinbarung vom 3. 10. 1997 auch im Fall des Scheiterns der Ehe (Ehescheidung) Gültigkeit haben. Diese Disposition über die Ehewohnung verstoße gegen § 97 Abs 1 Satz 1 EheG [aF] und sei daher unwirksam. Dass die Klägerin ihr zur Geltendmachung der Nichtigkeit zu Recht erhobenes Feststellungsbegehren in ein Rechtsgestaltungsbegehren „modifiziert“ habe, schade nicht, weil maßgebend sei, welcher Ausspruch des Gerichts nach dem Sinngehalt des Sachvorbringens begehrt werde. Danach komme es der Klägerin auf die Unverbindlichkeit der Vereinbarung vom 3. 10. 1997 und die rückwirkende Beseitigung ihrer Rechtsfolgen an. Deshalb sei der Urteilsspruch von Amts wegen entsprechend neu zu formulieren.

Das Berufungsgericht sprach (zunächst) aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil zu § 97 Abs 1 EheG eine oberstgerichtliche Judikatur bestehe, von der nicht abgewichen worden sei. Auf Antrag des Beklagten änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch jedoch mit Beschluss vom 25. 6. 2010 dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Voraussetzung für die Beurteilung der Vereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG sei die Zugehörigkeit der Liegenschaft zum ehelichen Gebrauchsvermögen. Da diese Zugehörigkeit „nach den finanziellen Beiträgen beider Streitteile zur Schaffung der Ehewohnung fraglich sein kann“, sei die ordentliche Revision nachträglich für zulässig zu erklären.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Beklagten, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtlicher Beurteilung geltend macht, mit dem Abänderungsantrag, das Ersturteil „zu bestätigen“ (also wiederherzustellen); hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus nachfolgenden Gründen zulässig und mit dem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Als Verfahrensmangel, der eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern geeignet sei, rügt die Revision, dass das Berufungsgericht die Prüfung unterlassen habe, ob die betreffende Liegenschaft überhaupt in die „eheliche Aufteilung“ gemäß §§ 82 ff EheG falle. In der Rechtsrüge wird im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Ansicht des Rekursgerichts stünden der Notariatsakt vom 3. 10. 1997 und die Annahmeerklärung vom 23. 7. 2008 nicht in Widerspruch zu § 97 EheG, weil sie kein eheliches Gebrauchsvermögen zum Gegenstand hätten. Es liege keine Vereinbarung im voraus über ein der Aufteilung unterliegendes Vermögen vor, weil die Liegenschaft „nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten“ vom Beklagten stamme und von ihm in die Ehe eingebracht worden sei. Durch den Notariatsakt vom 3. 10. 1997 und den gleichzeitig errichteten Schenkungsvertrag sei dies klargestellt worden. Die Klägerin sei auf die Ehewohnung nicht angewiesen.

Dem hält die Revisionsbeantwortung, die sich der Beurteilung des Berufungsgerichts anschließt, entgegen, der Beklagte habe die Liegenschaft nicht alleine finanziert. Auch die Klägerin habe sich an der Finanzierung der Errichtung des Hauses beteiligt; stehe doch fest, dass sie am 16. 11. 1995 die Liegenschaft um 360.000 ATS gekauft habe. Auch aufgrund der Tatsache, dass Kreditverbindlichkeiten nicht nur während der außerehelichen, sondern auch während der ehelichen Lebensgemeinschaft bestanden hätten und bis heute weiterbestünden, die von beiden Ehegatten grundsätzlich gemeinsam abgestattet würden, sei das gesamte Grundstück dem dem Aufteilungsverfahren unterliegenden Gebrauchsvermögen zuzuordnen, das nach der Intention des § 97 EheG nach der Scheidung der Ehe aufgeteilt werden solle. Diesen Rechtsfragen komme keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu, weil hiezu eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe. Danach sei ein vor der Eheschließung in Notariatsaktform abgegebener Vorausverzicht auf die Aufteilung des als Ehewohnung vorgesehenen [und wie hier auch als solche verwendeten] Hauses unwirksam.

Vorweg ist festzuhalten, dass § 97 EheG im vorliegenden Verfahren noch in der bis 31. 12. 2009 gültigen Fassung gemäß BGBl 1978/280 (die Neufassung gemäß Art 5 Z 3 FamRÄG 2009 trat am 1. 1. 2010 in Kraft) anzuwenden ist (Art 18 § 3 FamRÄG 2009).

Gemäß § 97 Abs 1 EheG aF „kann auf den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens nach den §§ 81 bis 96 EheG im voraus rechtswirksam nicht verzichtet werden“. Der Aufteilungsanspruch unterliegt also nicht der Parteiendisposition (7 Ob 119/98w = EFSlg 87.596). Entscheidend für die Rechtswirksamkeit der hier zu prüfenden Vereinbarung ist daher, ob die davon betroffene Liegenschaft in das nach den eben zitierten Bestimmungen aufzuteilende eheliche Gebrauchsvermögen fällt. Danach richtet sich, ob die im Notariatsakt „bedungene Vermögensaufteilung“ nach § 97 EheG aF beurteilt werden muss und damit - wie die Revision (iS der hA [Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth/EheG, § 97 Rz 4 mwN auch zum ggt Standpunkt]) ausdrücklich zugesteht - „eine nach § 97 EheG unwirksame Vereinbarung vorliegt oder nicht“.

Mündet eine Lebensgemeinschaft in eine Ehe, behalten die von den Lebensgefährten einzeln oder gemeinsam in die Ehe eingebrachten Sachen ihre bisherige rechtliche Zuordnung, sei es als gemeinschaftliches Eigentum, und gehören im Fall der Auflösung der Ehe nicht in die Aufteilungsmasse (RIS-Justiz RS0057386). Diese Regel wird nur insoweit durchbrochen, als es sich um Sachen handelt, die für die Sicherung der Lebensbedürfnisse der Ehegatten besonders wichtig sind, wie zB die Ehewohnung (RIS-Justiz RS0057386 [T1]).

Der Ehegatte muss auf die Weiterbenutzung der Ehewohnung „zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen sein“ (§ 82 Abs 2 EheG). Die Einbeziehung einer Ehewohnung in die Aufteilung nur nach § 82 Abs 2 EheG setzt weiters voraus, dass die Zuteilung der sonst nicht in die Aufteilungsmasse fallenden Ehewohnung beantragt wird (RIS-Justiz RS0057386 [T4]; 1 Ob 209/04y). Die Rechte an einer Ehewohnung unterliegen der nachehelichen Aufteilung als Bestandteil des ehelichen Gebrauchsvermögens in diesem Fall selbst dann, wenn sie durch die negativen Merkmale nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG gekennzeichnet sind (RIS-Justiz RS0057491).

Demgemäß unterliegt die fragliche Liegenschaft samt Wohnhaus, auch wenn sie von einem der (oder beiden) Streitteile(n) - nach den maßgeblichen wirtschaftlichen Gesichtspunkten [1 Ob 119/09w = EFSlg 123.893]) - in die Ehe eingebracht wurde, als eheliches Gebrauchsvermögen (jedenfalls) der nachehelichen Aufteilung, falls das Haus als Ehewohnung diente, auf welche die Klägerin zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse angewiesen ist, und die Einbeziehung in die Aufteilung im Aufteilungsverfahren beantragt wurde; dies unabhängig davon, ob eine (welche) der Parteien die Ehewohnung „eingebracht“ hat. Auf den letztgenannten, in der Revision und der Revisionsbeantwortung angesprochenen Umstand kommt es somit gar nicht an.

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 187/07g = EFSlg 117.577 bereits ausgesprochen hat, ist ein - wie hier - vor der Eheschließung in einem Notariatsakt erklärter Verzicht eines Ehegatten auf jegliche Ansprüche an einer vom anderen Ehegatten mit dessen Vermögen erworbenen Liegenschaft, die nach dem Vertrag als Ehewohnung dienen sollte, unwirksam, wenn sie sich (wie vorgesehen) auf die Ehewohnung bezieht. Ob dies auch im vorliegenden Fall anzunehmen ist, kann nach dem derzeitigen Verfahrensstand aber noch nicht beurteilt werden.

Bisher steht dazu nämlich nur fest, dass in der Vereinbarung vom 3. 10. 1997 eine abschließende Regelung über die „Vermögensaufteilung“ im Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft der Streitteile getroffen wurde. Eine solche ist jedoch - wie bereits ausgeführt - nur insoweit gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 EheG aF unzulässig, als sie sich (auch) auf die gegenseitigen Aufteilungsansprüche nach einer (allenfalls später geschlossenen) Ehe hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens (§§ 81 bis 96 EheG) bezieht.

Die Revisionsbeantwortung der Klägerin verweist hiezu auf den Umstand, dass sie vor der Eheschließung - wie in dem zu 3 Ob 187/07g entschiedenen Fall - die Liegenschaft, auf der das als Ehewohnung vorgesehene Haus zu errichten war, (mit-)gekauft habe und darüber eine solche Vereinbarung getroffen wurde.

Demgegenüber führt die Entscheidung 1 Ob 119/09w, iFamZ 2010/33 (Deixler/Hübner) = EFSlg 123.993 in diesem Zusammenhang aus, dass die ursprüngliche Unwirksamkeit einer Vereinbarung nach § 97 Abs 1 Satz 1 EheG über die Ehewohnung dann nachträglich wegfällt, wenn das Objekt zum Zeitpunkt der Trennung der Ehegatten den Charakter als Ehewohnung endgültig verloren hat; dann gilt das Objekt nämlich nicht mehr als Ehewohnung, sondern als gewöhnliche eheliche Ersparnis, deren Aufteilung nach § 97 Abs 1 Satz 2 EheG aF zulässigerweise mit Notariatsakt geregelt werden kann (RIS-Justiz RS0125296 = 1 Ob 119/09w).

Der Beklagte hat insoweit nur eingeräumt, dass das Haus als Ehewohnung diente und den Umstand, dass die Klägerin die Liegenschaft „in das Aufteilungsverfahren einbezogen wissen will“, sogar selbst ausdrücklich vorgebracht.

Im vorliegenden Fall blieb daher zum einen offen, ob ein diesbezüglicher (Aufteilungs-)Antrag überhaupt gestellt wurde und ob das Haus zum Zeitpunkt der Trennung der Ehegatten den Charakter als Ehewohnung (im Sinne der eben zit Rsp) nicht bereits endgültig verloren hatte; insoweit gesteht der Beklagte nämlich nur zu, dass die Frage, „ob allenfalls einzelne Vertragsbestimmungen (etwa über den Verbleib der Ehewohnung) der einschränkenden eherechtlichen Beurteilung unterliegen“, vom hiefür zuständigen Bezirksgericht zu beurteilen seien, und dass die Vereinbarungen unter Lebensgefährten „im Fall einer späteren Verehelichung unter Umständen der (zwingenden) eherechtlichen Gesetzeslage widersprechen können“. Zum anderen wurden auch keine Feststellungen hinsichtlich der nach der Rechtsprechung streng zu prüfenden (vom Beklagten verneinten) Frage getroffen, ob die Klägerin auf die Weiterbenützung der Ehewohnung zur Sicherung ihres Wohnbedürfnisses angewiesen ist (§ 82 Abs 2 Satz 1 erster Fall EheG).

Nur wenn die Liegenschaft als Bestandteil des ehelichen Gebrauchsvermögens tatsächlich der nachehelichen Aufteilung unterliegen sollte, weil das auf ihr errichtete Haus als Ehewohnung diente, die Einbeziehung in die Aufteilung im Aufteilungsverfahren beantragt wurde und die Klägerin auf die Weiterbenützung existenziell angewiesen war (RIS-Justiz RS0057386 [T1 und T4]; RS0058370; RS0058382 [T1 und T2]; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth/EheG, § 82 Rz 31 f mwN), stünde es in Einklang mit den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung, dass das Berufungsgericht die Vereinbarung vom 3. 10. 1997 (samt Annahmeerklärung des Beklagten vom 23. 7. 2008) als „rechtsungültig“ beurteilt hat:

Beträfe die angefochtene Vereinbarung doch in diesem Fall gerade den (wie es der Beklagte ausdrückt) „Verbleib der Ehewohnung“, wobei - im Hinblick auf die (noch festzustellende) Größe der Parzelle, auf der das Haus errichtet wurde (600 m² [gem P 4 des NotAkts v 3. 10. 1997]) - wohl davon auszugehen wäre, dass die ganze Liegenschaft (Haus samt Garten) als Ehewohnung gedient hat. Nach ständiger Rechtsprechung wäre in einem solchen Fall die Liegenschaft gemäß § 82 Abs 2 EheG zur Gänze in die Aufteilung einzubeziehen (7 Ob 119/98w mwN; RIS-Justiz RS0058311).

Da sich die Vorinstanzen (wie der Beklagte zu Recht rügt) nicht ausreichend mit der Frage der „Zugehörigkeit der Liegenschaft zum ehelichen Gebrauchsvermögen“ befasst haben, wird die Wirksamkeit der als „rechtsungültig“ beurteilten Vereinbarung (von den dargelegten Grundsätzen ausgehend) nach der erforderlichen Ergänzung der Tatsachengrundlagen neu zu beurteilen sein.

In Stattgebung der Revision ist daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Schlagworte

Familienrecht

Textnummer

E95814

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00060.10I.1124.000

Im RIS seit

29.12.2010

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten