TE OGH 2010/12/2 5Ob113/10v

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Veröffentlicht am 02.12.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Hurch als Vorsitzende und die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Brenn und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Erich L*****, vertreten durch Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Dr. Susanne M*****, vertreten durch Knittl Nigl Winkelmayr Rechtsanwälte in Wien, wegen §§ 3, 4, 6 (§ 37 Abs 1 Z 2 MRG), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. März 2010, GZ 39 R 395/09s-63, mit dem infolge Rekurses der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 25. August 2009, GZ 9 Msch 39/05f-50, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Sachbeschluss des Rekursgerichts, der im gesamten übrigen Umfang einschließlich seiner Kostenentscheidung aufrecht bleibt, wird hinsichtlich der Vor- und Nacharbeiten zu den von der Antragsgegnerin durchzuführenden Arbeiten dahin abgeändert, dass er - unter Entfall der Wendung „ausgenommen die vorangehende Räumung des Objektes von Fahrnissen und deren Wiedereinbringung in das Objekt“ - (nur mehr) wie folgt zu lauten hat:

„Sämtliche im Spruch angeführten Arbeiten umfassen die hierzu erforderlichen Vor- und Nacharbeiten.“

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 185 EUR bestimmten Barauslagen des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Beide Parteien haben die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung im Revisionsrekursverfahren selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Hauptmieter des Geschäftlokals Top 2 im Haus *****. Die Antragsgegnerin ist die Vermieterin und Eigentümerin des Hauses.

Das Erstgericht trug mit seinem Sachbeschluss der Antragsgegnerin gemäß den §§ 3, 4 und 6 MRG die Durchführung näher bezeichneter - im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittiger - Arbeiten auf. Das Erstgericht sprach dazu aus, dass „sämtliche (…) Erhaltungsarbeiten die hierzu erforderlichen Vor- und Nacharbeiten (umfassen).“

Das Rekursgericht schränkte über Rekurs der Antragsgegnerin die - im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen - Erhaltungsarbeiten betreffend den Holzboden im Nebenraum in gewissem Umfang ein. Weiters sprach das Rekursgericht hinsichtlich aller aufgetragenen Erhaltungsarbeiten aus, dass diese „die hierzu erforderlichen Vor- und Nacharbeiten, ausgenommen die vorangehende Räumung des Objektes von Fahrnissen und deren Wiedereinbringung in das Objekt (umfassen).“

Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Ansicht, es sei Sache des Mieters, die Räumlichkeiten so weit von Fahrnissen zu befreien, dass die Erhaltungsarbeiten unbehindert durchgeführt werden könnten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären gewesen sei.

Ausschließlich gegen die Entscheidung des Rekursgerichts betreffend den oben kursiv wiedergegebenen Umfang der Vor- und Nacharbeiten richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Begehren auf Abänderung dahin, dass die Einschränkung der Vor- und Nacharbeiten um die vorangehende Räumung des Objekts von Fahrnissen und deren Wiedereinbringung in das Objekt zu entfallen habe. Hilfsweise stellt der Antragsteller auch einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin machte von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung Gebrauch und beantragte in dieser, den Revisionsrekurs des Antragstellers zurückzuweisen, in eventu die Entscheidung des Rekursgerichts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs betreffend den Umfang von Vor- und Nacharbeiten im Zusammenhang mit der dem Vermieter aufgetragenen Durchführung von Erhaltungsarbeiten abgewichen ist. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre zu den vom Vermieter durchzuführenden Erhaltungsarbeiten auch die Vor- und Nacharbeiten gehören (vgl 5 Ob 92/85 = MietSlg 38.659 = EvBl 1987/119, 444; 5 Ob 65/88 = MietSlg 41.468; 5 Ob 1062/93 = MietSlg 45.223; 5 Ob 58/03w = immolex 2003/181, 324; 5 Ob 83/06a = MietSlg 58.215 = immolex 2006/106, 249 [Prader]; 5 Ob 238/08y = MietSlg 60.231 = wobl 2009/35, 78; Würth in Rummel³ § 3 MRG Rz 3; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, § 3 MRG Rz 10). Funktioneller und adäquater Zusammenhang zwischen den „eigentlichen“ und den „abgeleiteten“ Erhaltungsarbeiten kann dabei Abgrenzungshilfe sein (vgl Hausmann in Hausmann/Vonkilch, § 3 MRG Rz 10).

2. Der - zu 1. angesprochene - Umfang der (Vor- und Nach-)Arbeiten nach §§ 3 f MRG steht im Zusammenhang mit dem Verständnis der „Duldungspflichten“ des Mieters nach § 8 Abs 2 MRG (5 Ob 1062/93 = MietSlg 45.223 [Ausklammerung jedweder Mitwirkungspflicht des Mieters]) und dessen Entschädigungsanspruch nach § 8 Abs 3 MRG (vgl 5 Ob 16/95 = SZ 68/51). In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof bereits in 5 Ob 96/98y (= immolex 1998/186, 292 = MietSlg 50.276 = wobl 2000/116, 230) erkannt, dass dem Mieter auch der Aufwand für das Verschieben und Abdecken von Möbeln und Teppichen gemäß § 8 Abs 3 MRG zu ersetzen ist, und der Entscheidung 5 Ob 158/98s (= wobl 2000/187, 340) lag eine Entschädigung ua für die Entfernung des Inventars aus dem Bestandobjekt zugrunde. Im Lichte dieser Rechtsprechung muss hier das nach Art und Umfang der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten unzweifelhaft notwendige Entfernen der Fahrnisse aus dem Objekt und deren Wiedereinbringung zu den Vor- bzw Nacharbeiten zählen.

Der Revisionsrekurs erweist sich somit als berechtigt.

3. § 37 Abs 3 Z 17 MRG idF des WohnAußStrBeglG ist nur anzuwenden, wenn die Sache nach dem 31. 12. 2004 anhängig geworden ist (Art 10 § 2 Abs 3 WohnAußStrBeglG), wobei der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bei der Schlichtungsstelle maßgeblich ist (5 Ob 192/06f = EWr I/9/64; 5 Ob 72/07k; 5 Ob 163/07t). Hier gilt daher noch § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF. Der Frage, ob das Entfernen der Fahrnisse aus dem Objekt und deren Wiedereinbringung zu den Vor- bzw Nacharbeiten zählen, kam vor dem Erst- und Rekursgericht noch keine kostenrelevante Bedeutung zu, weshalb die Entscheidung des Rekursgerichts über den Ersatz der Barauslagen aufrecht bleiben konnte. Für das Revisionsrekursverfahren hat die Antragsgegnerin dem erfolgreichen Antragsteller die nicht überhöht verzeichneten Barauslagen zu ersetzen. Die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung hat nach § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF jede Partei selbst zu tragen.

Schlagworte

8 außerstreitige Wohnrechtssachen,

Textnummer

E95929

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00113.10V.1202.000

Im RIS seit

13.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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