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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes infolge Einwendung der Verjährung zur Abwehr einer übernommenen Verpflichtung und wegen beleidigender SchreibweiseSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 22. März 1996 wurde er für schuldig erkannt,
"1. im Brief vom 4.1.1991 an die Gemeinnützige Bauvereinigung Wohnungseigentum Gesellschaft mbH und im Einspruch vom 13.7.1992, 8 C1653/92 des Bezirksgerichtes Hietzing, gegen ihn persönlich gerichtete, auf einen von ihm geschlossenen Kaufvertrag gestützte Ansprüche Verjährung eingewandt (zu haben), um den von ihm persönlich übernommenen Verpflichtungen zu entgehen, sowie
2. im Schriftsatz vom 18.11.1991, 23 Cg 118/91 des Landesgerichtes für ZRS Wien, sich mit dem Satz 'Da ich einem Herrn der klagenden Partei mit dem Schreibzeichen 'Dr. Ra/STE' bereits mehrfach schriftlich mitgeteilt habe, daß es zweckmäßiger wäre, jemanden mit der Rechtssache zu betrauen, der in der Lage ist, nicht nur Briefe zu lesen, sondern auch zu verstehen, hat man mir sofort in gemeinnütziger Weise die Klage übermittelt.'
einer beleidigenden und ehrenrührigen Schreibweise bedient (zu haben)."
Der Beschwerdeführer wurde hiefür wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zur Disziplinarstrafe einer Geldbuße in Höhe von S 20.000,-- sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK). Mit Erkenntnis vom 3. Februar 1997 gab die OBDK der Berufung nicht Folge und bestätigte das angefochtene Erkenntnis mit der Maßgabe, daß die Geldbuße in sinngemäßer Anwendung der §§31, 40 StGB als Zusatzstrafe zu zwei näher bezeichneten Verfahren des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien ausgesprochen wird.
Die OBDK begründet ihre Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
"Zum Faktum 1):
Zutreffend stellte der Disziplinarrat aus den Unterlagen fest,
daß der DB sowohl im Schreiben vom 4. Jänner 1991 ('... auf die
Rechtsgrundlage der Einbehaltung möchte ich nicht eingehen, da
die Forderung verjährt ist'), als auch im Einspruch vom 13. Juli
1992 ('... die behauptete Forderung gegen mich ist verjährt' und
'zusammenfassend zeigt sich, daß der Anspruch nicht nur verjährt ...') Verjährung ausdrücklich einwendete.
Nach der auf §10 Abs2 RAO basierenden Bestimmung des §3 RL-BA hat der Rechtsanwalt eine übernommene Verbindlichkeit zu erfüllen; jedenfalls dürfen Einwendungen gegen eine solche Forderung Ehre und Ansehen seines Standes nicht beeinträchtigen.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission, daß ein Rechtsanwalt eine von ihm übernommene Verpflichtung peinlichst genau zuzuhalten hat (AnwBl 1995, 512; 1194, 995; 1994, 47; 1992, 655). Ob die gemachte Zusage einklagbar ist, ist hiebei unerheblich (AnwBl 1994, 195). Die Einrede der Verjährung, die wesensgemäß nicht gegen die Entstehung der Forderung gerichtet ist oder deren Erfüllung behauptet, sondern allein Unklagbarkeit infolge Zeitablaufes, stellt sich demnach, wenn sie von einem Rechtsanwalt in eigener Sache zur Abwehr einer von ihm übernommenen Verpflichtung aufgestellt wird, als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dar.
Selbstverständlich sind auch einem Rechtsanwalt Einwendungen gegen das Einstehen der Forderung oder Behauptungen, diese seien erfüllt worden, offen. Derartige Einwendungen sind aber vorliegend gar nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens.
...
Zum Faktum 2):
Daß der Schriftsatz im Verfahren 23 Cg 118/91 dem DB weder erinnerlich noch in seiner Kanzlei auffindbar ist, ist unerheblich. Den Inhalt dieses Schriftsatzes konnte nämlich der Disziplinarrat aus den vorgelegten Beilagen entnehmen, in denen dieser Schriftsatz in Ablichtung enthalten ist ... .
Die darin enthaltene Passage, der Schriftverfasser der Gegenpartei sei nicht in der Lage, Briefe des DB zu verstehen, habe dennoch sofort eine 'gemeinnützige Klage' eingebracht, ist in ihrem Sinnzusammenhang eindeutig von verspottender Tendenz getragen.
Gemäß §9 Abs1 Satz 2 RAO ist der Rechtsanwalt zwar befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, er darf die Angriffs- und Verteidigungsmittel jedoch in solcher Weise gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.
Mit einer in lächerlich machender Art vorgebrachten Behauptung geistiger Gebrechen (nämlich Briefe nicht verstehen zu können) wird ein anderer im Sinn des §115 Abs1 StGB verspottet (Leukauf/Steininger Kom3 §115 Rz 4; Foregger in Wk §115 Rz 11 ua). Ein derartiges Vorbringen ist daher den Gesetzen widerstreitend im Sinn des §9 Abs1 RAO, wie dies in ständiger Rechtsprechung der OBDK ausgesprochen wurde (AnwBl 1995, 891;
1995, 189; 1995, 125; 1994, 793; 1993, 683; 1992, 653; 1992, 481;
1991, 711; 1991, 170; uva). Unsachliche, beleidigende Äußerungen sind aber auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit nicht zulässig ... .
Zu den Beweisanträgen:
Angesichts der aus den vorliegenden Schriftsätzen hervorgehenden inkriminierten Äußerungen des DB bedurfte es keiner Vernehmung der in der Berufung beantragten Zeugen. Aus der Berufung ist im übrigen nicht erkennbar, welches für die Beurteilung des vorliegenden Disziplinarverfahrens maßgebliches Ergebnis diese Vernehmungen noch bringen sollte. Die Akten 8 C1653/92 des BG Hietzing und 23 Cg 118/91 des LG für ZRS Wien wurden beigeschafft. In ihnen ist in Ansehung der vorliegenden disziplinären Vorwürfe ein weiterer maßgeblicher Sachverhalt nicht enthalten.
Der Berufung ... war daher ein Erfolg zu versagen."
3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Der Beschwerdeführer bringt hiezu im wesentlichen vor:
"a) Ich habe in meiner Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien den Antrag auf Vernehmung des Dr. ... (S.) und des Dr. ... (G.) gestellt. Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit der lapidaren Begründung, daß es angesichts der aus den vorliegenden Schriftsätzen hervorgehenden inkriminierten Äußerungen des DB einer Vernehmung der beantragten Zeugen nicht bedürfe, abgewiesen.
Durch die Ablehnung meines Beweisantrages wurde ich in meinem Recht nach Art83 Abs1 B-VG verletzt.
b) Das angefochtene Erkenntnis widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz. Auch ein Rechtsanwalt hat das Recht, die Einrede der Verjährung zu erheben. Ob diese zu Recht besteht, hat das ordentliche Zivilgericht zu entscheiden. ...
Da sowohl Zivil- als auch Strafgerichte immer öfter zu ungewöhnlichen und überraschenden Entscheidungen kommen, ist es aus prozessualer Vorsicht geboten, alle denkmöglichen juristisch relevanten Einwendungen zu erheben. Es kann mir daher die Einrede der Verjährung nicht zum Vorwurf gemacht werden. ...
c) Das gesamte Verfahren ist von einer beispiellosen Willkür gegen einen Staatsbürger durchzogen. Meine Beweisanträge wurden zur Gänze ignoriert und mit fadenscheinigen Begründungen abgewiesen. ..."
Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, durch die Ablehnung eines Beweisantrages im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Dieses Vorbringen ist jedoch, selbst wenn die Abweisung des Beweisantrages tatsächlich zu Unrecht erfolgt wäre, nicht geeignet, eine Verletzung dieses Grundrechts darzutun, da durch bloßes Zuwiderhandeln gegen Verfahrensvorschriften das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt wird (vgl. zB VfSlg. 10140/1984, 11102/1986 und VfGH 9.6.1997, B4856/96).
4.2. Der Beschwerdeführer behauptet weiters eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.
4.2.1. Eine Verletzung dieses Grundrechts kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).
4.2.2. All dies liegt hier nicht vor. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist zu erwidern, daß es nicht geeignet ist, einen in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler zu erweisen. Der bekämpfte Bescheid ist vielmehr sowohl hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen, der daraus gezogenen Schlüsse und der rechtlichen Würdigung sorgfältig begründet und beruht insgesamt auf einer vertretbaren Rechtsauffassung. Der Verfassungsgerichtshof vermag unter dem von ihm anzuwendenden Prüfungsmaßstab der belangten Behörde weder entgegenzutreten, wenn sie die vom Beschwerdeführer erhobene Einrede der Verjährung in eigener Sache als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes qualifiziert hat, noch vermag der Gerichtshof einen in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler zu erkennen, wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die von ihr beigeschafften Schriftsätze von einer Vernehmung der in der Berufung beantragten Zeugen Abstand nahm.
4.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10659/1985, 12915/1991, 13419/1993 und 14408/1996).
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4.4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B1266.1997Dokumentnummer
JFT_10019391_97B01266_2_00