Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer, in der Strafsache gegen Aluda I***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Gocha D***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30. Juni 2010, GZ 11 Hv 32/10g-145, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche und rechtskräftige Schuldsprüche der Mitangeklagten enthält, wurde Gocha D***** (alias Nukri M*****) des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 StGB (I./) sowie des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er - zusammengefasst wiedergegeben - im bewussten und gewollten Zusammenwirken teils mit namentlich genannten, teils mit unbekannt gebliebenen Mittätern (§ 12 StGB)
I./ in Graz anderen fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Diebstähle durch Einbruch in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar
1./ und 2./ ...
3./ am 22. Oktober 2009 Johann F***** und Waltraud F***** 899 Euro, Schmuck im Wert von 739,90 Euro und einen Laptop im Wert von 880 Euro;
4./ am 20. November 2009 Dr. Renate Fi***** Bargeld und Schmuck im Wert von 637,50 Euro;
5./ am 20. November 2009 Dr. Brigitte K***** Goldmünzen, Schmuck, einen Laptop und eine Kamera im Gesamtwert von etwa 11.000 Euro;
6./ am 24. November 2009 Alfred Kn***** Bargeld, zwei Laptops, eine Kamera, eine Uhr, Manschettenknöpfe, Schmuck, einen i-pod und Kleinwerkzeug im Gesamtwert von 739 Euro;
7./ am 28. November 2009 Gerhard N***** und Alexandra W***** Bargeld, Schmuck, einen Laptop, eine Festplatte und ein Autoradio im Wert von etwa 2.400 Euro;
8./ bis 14./ ...
15./ am 5. Jänner 2010 Patrick P***** Münzen, Schmuck und Uhren im Wert von 12.910 Euro;
16./ am 21. August 2009 Verfügungsberechtigten der S*****gmbH einen MP3-Player im Wert von 22,99 Euro;
II./ in Bruck an der Mur unbekannt gebliebene Täter von Diebstählen durch Einbruch nach der Tat dabei unterstützt, Sachen, die diese durch die Einbrüche erlangt hatten, zu verheimlichen und zu verwerten, indem er jeweils diverse Wertgegenstände zum Zweck der späteren Verbringung in das Ausland am Dachboden des Asylantenheims aufbewahrte, und zwar aus den Taten
1./ zum Nachteil der Daniela G***** vom 4. November 2009;
2./ zum Nachteil des Thomas Gu***** vom 8. oder 9. November 2009;
3./ zum Nachteil der Johanna St***** und des D.I. Andreas Ga***** vom 9. November 2009;
4./ zum Nachteil des Philipp Ka***** vom 11. November 2009;
5./ zum Nachteil des Horst H***** und der Ilse Feu***** vom 28. November 2009;
6./ zum Nachteil der Gr***** AG zwischen 1. August 2009 und 7. Jänner 2010.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO stützt. Sie schlägt fehl.
Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) mit deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die einzelnen Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen jeweils untereinander sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen mit den dazu angestellten Erwägungen im Widerspruch stehen; eine Gesamtschau der Urteilsausfertigung kann dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit geben, einen allfälligen Widerspruch klarstellend aufzulösen (RIS-Justiz RS0117402; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437, 440).
Die Mängelrüge vermag in diesem Sinn keine formalen Begründungsmängel aufzuzeigen.
Der zu den Schuldsprüchen I./3./ und I./4./ behauptete Widerspruch liegt nicht vor, weil den Entscheidungsgründen in Übereinstimmung mit dem Urteilstenor, insbesondere durch den Hinweis auf die Ermittlungsberichte (Band III, S 135 ff und S 161 ff [US 20 f]), unmissverständlich zu entnehmen ist, welche Gegenstände bei den Einbruchsdiebstählen am 22. Oktober 2009 bzw am 20. November 2009 jeweils gestohlen wurden und dass die bei der Hausdurchsuchung im Asylantenheim in Bruck an der Mur sichergestellten Gegenstände (nur) dem Einbruchsdiebstahl zum Nachteil von Johann und Waltraud F***** zugeordnet wurden.
Die zu den Schuldsprüchen I./3./ bis I./6./ sowie I./15./ aufgezeigten - geringfügigen - Widersprüche zwischen Urteilsspruch und Entscheidungsgründen in Ansehung des Werts der gestohlenen Gegenstände betreffen keine entscheidenden Tatsachen, weil eine qualifikationsbegründende Wertgrenze nicht berührt wird (RIS-Justiz RS0116586; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 401).
Aus welchem Grund die Aussage des Mitangeklagten Giorgi M*****, wonach der Beschwerdeführer nur einmal in der Woche bei ihnen im Asylantenheim gewohnt habe, den Urteilsannahmen zum Schuldspruch II./ entgegenstehen sollte und daher erörtert (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) hätte werden müssen, wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargetan. Denn die Behauptung, die Verurteilung wegen Vergehens der Hehlerei sei allein deshalb erfolgt, weil die Tatrichter - der oben bezeichneten Aussage zuwider - davon ausgingen, dass sich der Angeklagte laufend im Asylantenheim aufgehalten habe, ist schlicht aktenfremd und übergeht die logisch und empirisch einwandfreie Beweiswürdigung des Erstgerichts (US 60 ff).
Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus § 281 Abs 1 Z 9 oder Z 10 StPO gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).
Insoweit die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) argumentiert, die gewerbsmäßige Tendenz sei substanzlos und somit nicht wirksam festgestellt worden, ist festzuhalten, dass allein die Verwendung der verba legalia die Wirksamkeit von Tatsachenfeststellungen nicht beeinträchtigt, sofern diese den notwendigen Sachverhaltsbezug aufweisen (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8, 584). Dieser wird in den Entscheidungsgründen aber hergestellt, indem sich das Erstgericht auf die zahlreichen Angriffe, die arbeitsteilige und professionelle Vorgangsweise sowie die finanzielle Situation des Angeklagten stützte (US 15, 65). Weshalb eine rechtliche Beurteilung auf dieser Sachverhaltsgrundlage nicht möglich sein soll und welche weiteren - nach der Aktenlage indizierten - Konstatierungen erforderlich seien, legt die Rüge aber nicht dar (RIS-Justiz RS0099620).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96020European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00155.10V.1213.000Im RIS seit
04.02.2011Zuletzt aktualisiert am
04.02.2011