Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer, in der Strafsache gegen Viktor F***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 18. August 2010, GZ 12 Hv 76/10w-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Viktor F***** der Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und §§ 15, 169 Abs 1 StGB (I./) sowie des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in T*****
I./ an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst
A./ verursacht, und zwar am 20. Juni 2009 an der landwirtschaftlichen Lagerhalle des Matthias G*****, indem er Heuballen anzündete, welche auf einem Traktoranhänger deponiert waren, und von denen aus das Feuer auf die gesamte Lagerhalle übergriff und diese samt den darin befindlichen Maschinen und Fahrzeugen fast vollständig zerstörte;
B./ zu verursachen versucht, und zwar am 27. März 2010 an einem Wohnhaus, das zu zwei Dritteln in seinem und zu einem Drittel im bücherlichen Eigentum der Charlotte S***** steht, indem er ca eineinhalb Flaschen „Grill-Anzündehilfe“ an verschiedene Stellen im Wohnhaus versprühte und danach mit einem Feuerzeug anzündete (wobei der Brand vor Ausbreitung gelöscht werden konnte - US 12);
II./ am 27. März 2010 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung seines Versicherungsbetreuers Johann Go***** über den Verursacher der Brandstiftung und durch Abgabe einer Schadensmeldung die U***** zur Ausbezahlung einer Entschädigungssumme für den durch die in Punkt I./B./ genannte Tat entstandenen Schaden in Höhe von 46.400 Euro, sohin zu einer Handlung, die diese am Vermögen schädigt, zu verleiten versucht (wobei die Vollendung zufolge vorzeitiger Aufdeckung unterblieb - US 22).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO.
Hinsichtlich seiner Mängelrüge (Z 5) ist der Beschwerdeführer grundsätzlich daran zu erinnern, dass ein aus diesem formalen Nichtigkeitsgrund geltend gemachter Begründungsmangel den Ausspruch über entscheidende Tatsachen betreffen muss, das sind solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes (also die Subsumtion) Einfluss üben (RIS-Justiz RS0106268, RS0099497; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399). Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist eine Urteilsbegründung, wenn sie erhebliche Verfahrensergebnisse nicht erörtert. Diese müssen die Eignung haben, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0116877, RS0118316; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409, 421). Offenbar unzureichend ist eine Begründung, welche den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht, also als willkürlich zu werten ist (RIS-Justiz RS0118317; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Die Auswahl unter mehreren solcherart zulässigen Schlüssen ist den unter dem Eindruck der mündlichen und in der Regel unmittelbaren Beweisaufnahme stehenden (mehreren) Tatrichtern vorbehalten. Nur der Einzelrichter-Prozess, nicht aber das Verfahren vor Kollegialgerichten sieht eine Berufung wegen Schuld vor, die zur Beweiswiederholung führen kann und daher das Vorbringen eigener Beweiswerterwägungen ermöglicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 450, 451).
Die Ausrichtung an diesen Anfechtungskriterien lässt der Nichtigkeitswerber indes vermissen:
Es ist irrelevant, ob der Angeklagte oder seine Lebensgefährtin im Zusammenhang mit Faktum I./A./ einen Umweg gingen (vgl zum angeblichen Ziel des Angeklagten [Haus der Großmutter] überdies US 15), ob die Feuerwehr vom Mobiltelefon des Angeklagten oder dessen Lebensgefährtin verständigt wurde und ob die Letztgenannte selbst „starke Raucherin“ ist. Ebenso wenig entscheidend ist das Motiv für die von diesem Schuldspruch umfasste Brandstiftung sowie das Ausmaß seiner Alkoholisierung bei Begehung von Faktum II./ (vgl dazu überdies die explizite Annahme der Alkoholisierung US 21). Von teilweise nachträglichem Ausfüllen des „Schadensformulars“ durch den Versicherungsvertreter ging das Schöffengericht ohnedies aus (US 14). Dessen Schlüsse zur Überführung des hinsichtlich der Fakten I./A./ und II./ leugnenden Angeklagten (US 16 bis 18: Enthemmung durch Alkohol, „Kurzschlusshandlung“ nach Streit mit Lebensgefährtin, räumliche und zeitliche Nähe, Parallelen zu Faktum I./B./; wechselnde Verantwortung; US 20 bis 22: Aussagen des Versicherungsvertreters, denen der Beschwerdeführer letztlich nicht widersprach) sind im Einklang mit Logik und Empirie.
Die übrigen Erwägungen des Rechtsmittelwerbers (Brandstiftung als Reaktion auf eine Meinungsverschiedenheit „ungewöhnlich“, Entdeckungswahrscheinlichkeit wegen der in der Nähe befindlichen Lebensgefährtin, keine Löschversuche durch diese, trotz Nachtzeit Möglichkeit des Antreffens wacher Personen im Haus der Großmutter, [Nicht-]Wahrnehmungen des Zeugen M*****, Beendigung der Lebensgemeinschaft und darauf folgendes Aussageverhalten der früheren Lebensgefährtin; Unterschriftsleistung auf der Schadensmeldung) sind eigenständig beweiswürdigend und verlassen somit den Ausführungsrahmen der Mängelrüge.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch II./ hebt hervor, dass der Versicherungsvertreter als Zeuge bei seiner ersten Vernehmung (noch) nicht darauf hingewiesen habe, Teile der Schadensmeldung nachträglich ausgefüllt zu haben, und dass unklar blieb, auf wessen Veranlassung der Genannte sich beim Objekt der Brandstiftung I./B./ einfand. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken, gelingt dem Beschwerdeführer dadurch nicht.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565, RS0117247, RS00998724; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584, 588).
Einen „sekundären Feststellungsmangel“ (gemeint: Rechtsfehler mangels Feststellungen - Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605) erblickt der Beschwerdeführer aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO in der Verwendung der verba legalia bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Faktengruppe I./, übergeht dabei aber deren jeweiligen konkreten Sachverhaltsbezug (US 6, 10; US 11 f; vgl RIS-Justiz RS0098664, RS0119090).
Beweiswürdigende Kritik an Urteilsfeststellungen kann nie Gegenstand prozessordnungsgemäßer Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit sein. Der Hinweis auf eine eingeholte neurologisch-psychiatrische Expertise - die beim Angeklagten gerade keine krankhaften Zustände auswies - bleibt in diesem Zusammenhang unverständlich.
Der Beschwerdeführer versäumt eine methodisch-korrekte Darstellung, welchen Einfluss seine „Übermüdung und Alkoholisierung“ zum Zeitpunkt der Schadensmeldung (Schuldspruch II./) auf die Tatbestandsverwirklichung haben solle. Er übergeht weiters das dazu konstatierte dolose Verschweigen des von ihm selbst verschuldeten Brandes (US 13 f). Sein Bereicherungsvorsatz war - dem Rechtsmittelvorbringen entgegen - keineswegs auf die (gar wohl festgestellte) gesamte Schadenssumme gerichtet (US 14).
Schließlich orientiert sich die Behauptung einer bloßen Vorbereitungshandlung beim Faktum II./ - einmal mehr - nicht am Ersturteil: Die Tatrichter gingen nämlich davon aus, dass der Angeklagte die Versicherung „dadurch betrügen wollte, indem er eine Schadensmeldung abgab und nicht darauf hinwies, dass er selbst das Feuer angezündet hatte“ (US 22).
Sobald aber - so sei der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) betont - (wie hier) eine Ausführungshandlung gesetzt wird, verlässt der Täter den straflosen Bereich bloßer Vorbereitung strafbaren Verhaltens (RIS-Justiz RS0090410, vor allem T3).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96018European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00145.10Y.1213.000Im RIS seit
04.02.2011Zuletzt aktualisiert am
04.02.2011