Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** GmbH (früher A***** M***** GmbH), *****, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OEG in Salzburg, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei T***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1.016.760,50 EUR sA und Feststellung (Streitwert 70.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Juni 2010, GZ 3 R 35/10b-112, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. November 2009, GZ 7 Cg 294/04b-104, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1) Der für den Rechtsstreit maßgebliche Vertrag wurde vor dem 1. 1. 2002 geschlossen, sodass - worauf bereits die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben - gemäß Art IV GewRÄG, BGBl I 2001/48 das Gewährleistungsrecht nach den vor diesem Gesetz geltenden Bestimmungen anzuwenden ist. Nach § 932 ABGB alt setzt der Verbesserungsanspruch voraus, dass die Sanierung keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Unverhältnismäßigkeit liegt vor, wenn der dem Besteller aus der Beseitigung des Mangels erwachsende Vorteil im Vergleich zu dem dafür erforderlichen Aufwand so geringfügig ist, dass ein offensichtliches Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0021717). Unbeachtlich ist, ob der Verbesserungsaufwand den Sachwert übersteigt (RIS-Justiz RS0022063). Liegt eine Unverhältnismäßigkeit nicht vor und verweigert der Unternehmer ernsthaft die Verbesserung oder wurde ihm eine Nachfrist erfolglos gesetzt, kann der Besteller das zur Verbesserung notwendige Deckungskapital sofort einklagen (Reischauer in Rummel ABGB³ § 932 Rz 13 mwN; RIS-Justiz RS0004753; RS0115060).
Die von der Berufungsinstanz gebilligten Feststellungen des Erstgerichts lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin nach den vertraglichen Grundlagen die Herstellung eines Abwasserkanalsystems erwarten konnte, dessen Lebensdauer etwa 80 Jahre beträgt. Tatsächlich fällt die Lebensdauer des Kanalsystems aufgrund der von der Beklagten der Klägerin gegenüber zu vertretenden Mangelhaftigkeit deutlich kürzer aus. In der Verneinung der von der Revisionswerberin angesprochenen Unverhältnismäßigkeit durch das Berufungsgericht liegt damit keine Fehlbeurteilung.
2) Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt - auch unter Berufung auf die deutsche Rechtsprechung - ausgesprochen, dass ein Vorteilsausgleich, wie ihn die Revisionswerberin vor Augen hat, mit dem Wesen des Gewährleistungsrechts nicht in Einklang steht (3 Ob 91/02g; RIS-Justiz RS0018699). Bei der Verbesserung geht es nämlich nicht darum, den Erwerber einer mangelhaften Sache vermögensmäßig so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde, sondern darum, dem Gläubiger eine Leistung zu erbringen, die der Schuldner bisher nicht oder nur mangelhaft erbracht hat. Auch wenn im Schrifttum zur Frage des Vorteilsausgleichs im Gewährleistungsrecht zwar unterschiedliche Standpunkte vertreten werden (Kurschel, Gewährleistung beim Werkverrag 74 ff; Welser, Schadenersatz statt Gewährleistung 17; Ofner in Schwimann ABGB3 § 932 Rz 13; Kolmasch in Schwimann ABGB-TaKomm § 932 Rz 4; Fenyves, Vorteilsausgleichung im Gewährleistungsrecht?, JBl 1959, 2; B. Jud, Vorteilsausgleichung im Gewährleistungsrecht, JBl 2000, 2) entspricht die Ablehnung eines Vorteilsausgleichs der mehrheitlich vertretenen Auffassung und steht mit der Entscheidung 3 Ob 91/02g im Einklang, dass jedenfalls dann ein Vorteilsausgleich nicht in Betracht kommt, wenn der Vorteil auf einer Verbesserung des Gewährleistungspflichtigen nach jahrelanger Verschleppung des Erfüllungsanspruchs beruht, weil die Verbesserungspflicht nicht in einem Synallagma mit einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung steht. Mit den nur kursorischen Revisionsausführungen (releviert wird nur der bislang einwandfreie Betrieb der Anlage) wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
3) Mit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2005/120 (HaRÄG) wurde die Bestimmung des § 1333 Abs 2 ABGB idF des Zinsenrechts-Änderungsgesetzes BGBl I 2002/118 (ZinsRÄG) aufgehoben und durch § 352 UGB ersetzt. § 352 UGB tritt am 1. Jänner 2007 in Kraft und ist auf zuvor verwirklichte Sachverhalte noch nicht anzuwenden (§ 906 Abs 14 UGB) und ist nach der Übergangsbestimmung des § 907 Abs 18 UGB auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2006 abgeschlossen wurden. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen ist § 352 UGB auf den vorliegenden Fall daher nicht anwendbar. Für den Standpunkt der Revisionswerberin ist dadurch aber nichts gewonnen, weil auf die Gesetzeslage vor dem HaRÄG und damit auf die wortgleiche Bestimmung des § 1333 Abs 2 ABGB idF nach dem ZinsRÄG abzustellen ist. Diese Bestimmung erfordert nicht das Vorliegen eines Schadens, wie die Revisionswerberin meint, sondern gilt generell für jede verspätete Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmen aus einem unternehmerischen Geschäft (RIS-Justiz RS0120608).
4) Die Klägerin begehrt das Deckungskapital zur Mängelbehebung. In einem solchen Fall kann die Verzinsung ab jenem Zeitpunkt gefordert werden, auf dem die Berechnung der Höhe der Behebungskosten beruht (5 Ob 21/09p; 6 Ob 616/93). Darauf, dass die Verbesserung noch nicht durchgeführt wurde, kommt es nicht an.
5) Arglist liegt vor, wenn zunächst auf die Verjährung verzichtet und dann im Prozess die Verjährung doch eingewendet wird (RIS-Justiz RS0014828). Die Beklagte hat einen Verjährungsverzicht abgegeben und dennoch im Verfahren den Verjährungseinwand erhoben. Diesen Umstand ignoriert die Revision und geht damit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wenn sie sich gegen die vom Berufungsgericht angenommene Arglist wendet.
Textnummer
E95876European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00183.10Y.1214.000Im RIS seit
12.01.2011Zuletzt aktualisiert am
30.09.2011