Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schilhan als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas E***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 8. Oktober 2009, GZ 40 Hv 13/09h-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas E***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am „11. Mai 2008 in T***** Martina M***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie an den Brüsten und an der Scheide grob berührte, wobei er insoweit Gewalt anwendete, als er sie zunächst mit beiden Händen an den Oberarmen ergriff, sie rückwärts auf das Bett stieß und sie anschließend gegen ihre Willen festhielt und sie mit Körperkraft auf das Bett drückte.“
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider durfte das Schöffengericht den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf „Einholung des Disziplinaraktes Edwin H***** von der BIA, insbesondere die Einholung des Protokolls von letzter Woche zum Beweis dafür, dass der Zeuge P***** erstmals derartige Angaben dazu machte, dass die Zeugin M***** von Sex sprach bzw aus ihren Aussagen der Eindruck gewonnen werden konnte, dass der Angeklagte Sex wollte und zum Beweis dafür, dass die Aussage der Zeugin Martina M***** hinsichtlich ihrer Schilderung vor der Polizei unrichtig ist“, schon deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen (ON 23 S 24 f), weil er nicht darlegt, weshalb die unter Beweis gestellte Aussage des genannten Zeugen der Schilderung des Tathergangs durch das Tatopfer entgegenstehen und das Beweisthema somit einen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutsamen Umstand betreffen sollte.
Auch das Begehren auf „Ladung und Einvernahme des Zeugen Markus G***** zum Beweis dafür, dass Martina M***** am nächsten Abend wieder das Pfingstfest besuchte, in der Nähe des Angeklagten stand und keine Anzeichen von Angst oder Gefährdung zeigte (Hv-Protokoll vom 23. 7. 2009) sowie ergänzend dahingehend zum Beweis dafür, dass die Zeugin Martina M***** am folgenden Tag ausgiebig auf dem Pfingstfest feierte, die versuchte Vergewaltigung nicht erwähnt hat und insbesondere keinen beeinträchtigten Eindruck hinterließ und den Angeklagten in eindeutiger Weise wahrnahm und ihn erkannte“, verfiel zu Recht der Abweisung. Denn die Zeugin M***** hat anlässlich ihrer Vernehmung am 8. Oktober 2009 angegeben, am Sonntag den 11. Mai 2008 nochmals auf dem Pfingstfest gewesen zu sein (ON 23 S 20). Auch ihr Verhalten an diesem Tag und eine allfällige Begegnung mit dem Angeklagten lassen Rückschlüsse auf die Frage der Täterschaft des Beschwerdeführers nicht zu und berühren daher ebenfalls keinen für die Lösung der Schuldfrage erheblichen Umstand.
Auf die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe für diese Anträge war nicht weiter einzugehen, weil allein der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag den Gegenstand der Entscheidung der Tatrichter bildet. Deshalb prüft der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325; Schroll/Schillhammer, AnwBl 2006, 449; RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) stehen die Angaben der Zeugin Martina M*****, keine Verletzungen davongetragen zu haben (ON 2 S 36), ihre Aussage im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung, es habe ihr im Intimbereich wirklich lange weh getan (ON 7 S 9), und ihre Deposition in der Hauptverhandlung („ich wurde damals nicht verletzt. Ich wurde nicht äußerlich verletzt nur innerlich“; ON 23 S 22) in keinem erörterungsbedürftigen Widerspruch, sodass die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt.
Angesichts der - von der Beschwerde übergangenen - Angaben von Martina M***** vor der Polizei, es sei dem Angeklagten nicht gelungen, seine Hände unter den Pullover bzw in die Hose zu bekommen (ON 2 S 35), musste sich das Erstgericht mit der Aussage ihrer Mutter Irene M*****, der Angeklagte habe versucht, die Hose ihrer Tochter zu öffnen (ON 2 S 43), ebenfalls nicht auseinandersetzen.
Dass die Angaben der Martina M***** und jene der beteiligten Polizeibeamten über den Ablauf und den Gegenstand ihrer Vorsprache bei der Polizeiinspektion Sch***** am 12. Mai 2008 divergieren, hat das Erstgericht eingehend erörtert (US 10 f), sodass die der Sache nach offenbar behauptete Unvollständigkeit nicht besteht.
Mit dem Einwand, bei Einholung des Disziplinaraktes betreffend Edwin H***** hätten sich für den Angeklagten günstigere Schlüsse ergeben, wird ein Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht zur Darstellung gebracht.
Die Aussage der Irene M*****, wonach die Zeugin Martina M***** am Folgetag das Haus nicht verlassen hat, schließt eine zeitweise Abwesenheit ihrer Tochter keineswegs aus (vgl ihrer weiteren Angaben: „Genau kann ich mich nicht erinnern. Meiner Meinung war sie damals nicht mehr auf dem Fest.“; ON 17 S 20). Die Tatrichter waren daher nicht verhalten, sie zu erörtern.
Soweit der Nichtigkeitswerber mit eigenständigen Beweiswerterwägungen aus dem Besuch des Pfingstfests auch am 11. Mai 2008 und aus dem aus seiner Sicht geschilderten Aufsuchen der Polizei erst zwei Tage nach dem Vorfall für ihn günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen sucht, ergeht er sich in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung.
Der behauptete Widerspruch zwischen einer isoliert wiedergegebenen und solcherart aus dem Kontext gelösten Passage der Aussage der Zeugin Martina M***** vor der Polizei und ihren Angaben in der Hauptverhandlung vom 9. (richtig: 8.) Oktober 2009 zum eigentlichen Tatgeschehen liegt bei verständiger Lesart nicht vor und konnte von den Tatrichtern daher auch nicht erörtert werden, sodass die auch in diesem Umfang behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht besteht.
Die zur Glaubwürdigkeit der am 12. Mai 2008 mit dem Vorbringen der Martina M***** befassten Polizeibeamten in der Rüge angestellten eigenständigen Plausibilitätserwägungen verlassen ebenfalls den Anfechtungsrahmen einer Mängelrüge und erschöpfen sich in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Beweiskritik.
Das Vorbringen, „insoweit auch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen betreffend der sexualbezogenen Handlungen besteht, wird hilfsweise auch Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO geltend gemacht“, ist mangels sachbezogenen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.
Dass es zur Beurteilung einer Tatbestandsmäßigkeit nach § 202 Abs 1 StGB trotz der erstgerichtlichen Konstatierungen („In der Folge ließ er ihre linke Hand los und fasste ihr mit seiner rechten Hand grob an die Brüste und an die Scheide, wobei er so zudrückte, dass es für Martina M***** schmerzhaft war. Er schaffte es jedoch nicht unter ihre Kleidung zu gelangen. Martina M*****, deren linke Hand nun frei war, drückte den Kopf des Angeklagten nach hinten weg und forderte diesen erneut auf aufzuhören. Da der Angeklagte jedoch nicht von ihr abließ … “; US 5) darüber hinausgehender Feststellungen zu einer (längeren) Dauer der geschlechtlichen Handlung bzw der Berührung bedurft hätte, wird von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) bloß begündungslos behauptet, jedoch nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet. Sie verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116565, RS0116569).
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die vom Erstgericht angenommenen mehrfachen intensiven und überdies schmerzhaften Berührungen, die erst durch die Gegenwehr des Tatopfers ein Ende fanden, jedenfalls sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit sind und damit eine unzumutbare, sozial störende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich darstellen (RIS-Justiz RS0095733; Philipp in WK2 § 202 Rz 9).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96066European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00067.10K.1214.000Im RIS seit
06.02.2011Zuletzt aktualisiert am
06.02.2011