TE OGH 2010/12/15 4Ob193/10a

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Veröffentlicht am 15.12.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** KG, *****, vertreten durch Dr. Josef Strasser und Dr. Maria Weidlinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei H***** F*****, vertreten durch Dr. Otto Trenks, Rechtsanwalt in Wels, wegen 34.295,40 EUR sA (Revisionsinteresse 3.633,49 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Juli 2010, GZ 2 R 7/10b-87, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 28. Oktober 2009, GZ 28 Cg 64/05p-83, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte erzeugt in seinem landwirtschaftlichen Betrieb Hühnerbruteier mit Mastelterntieren, die er im Alter von sechzehn Wochen von einem Aufzuchtbetrieb bezieht. Im Alter von etwa 21 Wochen beginnen die Hennen Eier zu legen; die Legehöchstleistung erreichen sie mit ungefähr 30 Wochen. Die unbeschädigten Bruteier werden vom Beklagten verkauft, wobei sich das vom Käufer zu leistende Entgelt nach dem Schlupferfolg richtet, also nach dem Anteil jener Eier, aus denen nach dem Verkauf gesunde Küken schlüpfen. Wenn die Legeleistung der Hennen zu stark nachlässt, veräußert sie der Beklagte als Suppenhühner und stallt neue Jungtiere ein.

Die nicht bestrittene Klageforderung resultiert aus Futtermittellieferungen der Klägerin an den Beklagten.

Der Beklagte macht als Gegenforderung einen ihm aus mangelhaften Futtermittellieferungen der Klägerin entstandenen Vermögensschaden geltend. Das gelieferte Futtermittel habe nicht der vereinbarten Dosierung von Vitamin D3 entsprochen; dieser Vitaminmangel habe zu verminderten Betriebseinnahmen (ua infolge verminderten Schlüpferfolgs, vorzeitig notgeschlachteter Hennen, Minderproduktion an Bruteiern, gänzlicher Produktionsausfall in der 64. Lebenswoche) geführt.

Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang aus, dass die Klageforderung mit 51.388,70 EUR sA, die Gegenforderung mit 34.236,91 EUR sA zu Recht bestehe und verpflichtete den Beklagten, zusätzlich zum mit Teilurteil zugesprochenen Betrag von 17.093,30 EUR sA weitere 58,49 EUR sA zu zahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte das angefochtene Urteil im Umfang der Abweisung von 5.907,50 EUR sA und änderte es bezüglich weiters abgewiesener 207,86 EUR sA in einen Zuspruch ab, sodass es - einschließlich seiner unbekämpft gebliebenen Bestandteile - als Teilurteil zu lauten hat:

„1. Die (nach Zuspruch von 17.093,30 EUR sA mit Teilurteil vom 3. 7. 2007 verbliebene) Klagsforderung von 34.295,40 EUR sA besteht zu Recht.

              2. Die (insgesamt 67.231,12 EUR ausmachende, bereits mit Teilurteil vom 3. 7. 2007 im Umfang von 32.935,72 EUR endgültig für unberechtigt erkannte) Gegenforderung über (restlich) 34.295,40 EUR besteht mit (jedenfalls) 30.262,55 EUR zu Recht und mit (zumindest) 266,35 EUR nicht zu Recht.

              3. Der Beklagte ist daher schuldig, der Klägerin (zusätzlich zu den ihr bereits mit Teilurteil vom 3. 7. 2007 zuerkannten 17.093,30 EUR sA weitere) 266,35 EUR sA zu zahlen.

4. Ein 30.262,55 EUR sA betragender Teil des Klagebegehrens wird abgewiesen.“

Im Übrigen (Bejahung der Berechtigung restlicher 3.766,50 EUR der Gegenforderung betreffend Produktionsausfall 64. Lebenswoche, Abweisung eines entsprechenden Teilbetrags des Klagebegehrens sA, Kostenentscheidung) hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung (nach allfälliger Verfahrensergänzung) auf, es sprach darüber hinaus aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer im Anwendungsbereich des § 22 UStG zulässig sei.

Zu den in dritter Instanz noch maßgeblichen Rechtsfragen führte das Berufungsgericht aus, der Betrieb des Beklagten sei nicht buchführungspflichtig, sodass eine Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen (Pauschalierung der Umsätze) nach § 22 UStG stattfinde. Die als Gegenforderung geltend gemachten Positionen (verminderter Schlüpferfolg, vorzeitig notgeschlachtete Hennen, Minderproduktion an Bruteiern, Produktionsausfall 64. Lebenswoche) seien Betriebseinnahmen, die dem Beklagten als Folge des falsch zusammengesetzten Futtermittels entgangen seien. Wäre der Mangel nicht vorgelegen, hätte der Beklagte die (nun als Schadenersatz begehrten) Einnahmen erzielt, ohne die darin enthaltene Umsatzsteuer abführen zu müssen. Auch die nicht erzielte Umsatzsteuer sei daher Teil des Vermögensschadens.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer aus dem Titel des Schadenersatzes, soweit sie in den als Gegenforderung geltend gemachten Positionen „verminderter Schlupferfolg, vorzeitig notgeschlachtete Hennen und Minderproduktion an Bruteiern“ enthalten ist. Bei den genannten Positionen handle es sich um „echten“ Schadenersatz, weil ihnen kein Leistungsaustausch und somit kein umsatzsteuerbarer Vorgang nach dem UStG zu Grunde liege. Eine gar nicht entstandene Umsatzsteuerschuld könne nicht als Schaden geltend gemacht werden. Dem Beklagten sei im Zuge der Schadensbehebung keine Rechnung nach dem UStG ausgestellt worden, der Beklagte habe deshalb auch der Klägerin als Schädigerin keine Umsatzsteuer ausweisende Rechnung legen können, die die Klägerin sodann zum Vorsteuerabzug berechtigt hätte. Folge man der Auffassung des Berufungsgerichts, hätte die Klägerin im Rahmen ihrer Schadenersatzpflicht Umsatzsteuer zu tragen, die sie nicht als Vorsteuer geltend machen könnte; dies widerspreche dem Konzept der Umsatzsteuer als einer vom Endverbraucher zu tragenden Steuer, die an einem die Steuerpflicht begründenden Verkehrsvorgang (Lieferung, sonstige Leistung) anknüpfe.

1. Der Schadenersatzanspruch hat den Zweck, einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen. Die primäre Funktion des gesamten Haftpflichtrechts liegt in der Verwirklichung dieses Ausgleichsgedankens (RIS-Justiz RS0022586). Der Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln; es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (RIS-Justiz RS0030153).

2.1. Bei den von der Klägerin aufgezeigten Gegenforderungspositionen handelt es sich um Mangelfolgeschäden in Form von dem Beklagten infolge des mangelhaften Futtermittels entgangenen Betriebseinnahmen: Wäre der Mangel nicht aufgetreten, dann hätte der Beklagte im Ausmaß der geltend gemachten Positionen erhöhte Einnahmen aus dem Verkauf von Bruteiern und Suppenhühnern erzielt.

2.2. Der Beklagte ist nicht buchführungspflichtiger Landwirt iSd § 22 UStG. Für die im Rahmen solcher Betriebe mit Unternehmern erzielten Umsätze wird ein eigener Steuersatz festgesetzt. Die entsprechende Steuer kann im Fall einer umsatzsteuerpflichtigen Lieferung oder sonstigen Leistung dem Abnehmer gesondert in Rechnung gestellt werden (Ruppe, Umsatzsteuergesetz³ § 22 Rz 4).

2.3. Aus dieser Gesetzeslage folgt, dass der Beklagte bei Berechnung seines in entgangenen Betriebseinnahmen bestehenden zivilrechtlichen Schadens die bei den schadenskausal nicht zustande gekommenen Verkaufsgeschäften verrechenbare Umsatzsteuer berücksichtigen darf, handelt es sich doch bei der in Rechnung gestellten und vereinnahmten Umsatzsteuer wirtschaftlich gesehen um eine Ertragsposition (Ruppe aaO Rz 5).

3.1. Aus steuerrechtlicher Sicht werden bei der Besteuerung nach § 22 UStG die mit den erzielten Umsätzen zusammenhängenden Vorsteuern nicht exakt erfasst, sondern stets in gleicher Höhe wie die Umsatzsteuer des Betriebs festgesetzt. Da durch die automatische Äquivalenz von eigener Steuerschuld und Vorsteuer weder eine Zahllast noch ein Überschuss entstehen kann, entfällt die Notwendigkeit der Ermittlung der Steuer und ihrer Berechnungsgrundlagen. Die betroffenen Land- und Forstwirte sind daher weder verpflichtet, Aufzeichnungen zu führen, noch Voranmeldungen oder die Jahreserklärung abzugeben (Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer § 22 Rz 20; Ruppe aaO Rz 4).

3.2. Diese umsatzsteuerrechtliche Beurteilung spielt aber - entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung - bei der Ermittlung der Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzes vorerst keine Rolle. Der Schadenersatz umfasst nämlich zunächst immer den vollen Betrag inklusive Umsatzsteuer (Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts I9 Rz 1264; Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1323 Rz 73).

3.3. Das Gericht hat deshalb bei der Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz einer Sache oder Leistung die Umsatzsteuer, die aus dem Titel des Schadenersatzes, der Bereicherung, der Verwendung oder des Prozesskostenersatzes begehrt wird, nicht gesondert zu behandeln und auch nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden, ob der Ersatzberechtigte die Umsatzsteuer im Weg des Vorsteuerabzugs vergütet erhalten könnte (RIS-Justiz RS0038172).

3.4. Der Ersatzbetrag wird in derartigen Fällen zunächst brutto (also einschließlich der auf die Lieferung oder Leistung entfallenden Umsatzsteuer) zugesprochen. Ob dem Ersatzpflichtigen gegenüber dem Ersatzberechtigten ein Rückersatzanspruch gemäß Art XII Z 3 EGUStG 1972 in Höhe jenes Umsatzsteuerbetrags zusteht, den der Ersatzberechtigte als Vorsteuerabzug geltend machen könnte (vgl RIS-Justiz RS0075909, RS0037853, RS0037844, RS0037872; einen Fall fehlender Rückerstattungspflicht bei pauschaliertem Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen behandelt die Entscheidung 6 Ob 712/76 = SZ 50/26 mit Besprechungsaufsatz Pfersmann in ÖJZ 1980, 513) könnte nur in einem allenfalls nachfolgenden zweiten Verfahren geklärt werden.

4. Die voranstehenden Erwägungen lassen sich in folgender Weise zusammenfassen:

Ein nicht buchführungspflichtiger Landwirt iSd § 22 UStG ist berechtigt, dem Abnehmer im Fall einer umsatzsteuerpflichtigen Lieferung oder sonstigen Leistung Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Erleidet er einen in entgangenen Betriebseinnahmen bestehenden zivilrechtlichen Schaden, darf er bei Berechnung der Schadenshöhe nach der Differenzrechnung die bei den schadenskausal nicht zustande gekommenen Verkaufsgeschäften verrechenbare Umsatzsteuer berücksichtigen, weil es sich bei einer in Rechnung gestellten und vereinnahmten Umsatzsteuer wirtschaftlich gesehen um eine Ertragsposition handelt. Ob dem Ersatzpflichtigen gegenüber dem Ersatzberechtigten, der nach § 22 UStG zum pauschalierten Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen berechtigt ist, allenfalls ein Rückersatzanspruch nach Art XII Z 3 EGUStG 1972 zusteht, bleibt im Schadenersatzverfahren ungeprüft.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Ein Rechenfehler war zu berichtigen.

Textnummer

E95944

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00193.10A.1215.000

Im RIS seit

13.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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