Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fries als Schriftführer in der Strafsache gegen Samir K***** und Nedzad Z***** wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 4 Z 1, Abs 5 Z 4 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter sowie die Berufungen des Angeklagten Nedzad Z***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Februar 2010, GZ 42 Hv 2/09h-97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Erstangeklagten enthält, wurde Samir K***** der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 4 Z 1, Abs 5 Z 4 StGB (I./1./), des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 iVm § 161 StGB (I./2./), des Betrugs nach § 146 StGB (I./3./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./4./), Nedzad Z***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 12 dritter Fall, 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung - Samir K***** in Wien als faktischer Geschäftsführer der A***** und Handelsgesellschaft mbH
I./1./ zwischen April 2004 und 26. November 2004 grob fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt, indem er es unterließ, Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen oder diese so führte, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft erheblich erschwert wurde oder sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick verschafft hätten, zu treffen, wodurch er einen Befriedigungsausfall der Gläubiger der Gesellschaft in Höhe von zumindest 1.500.000 Euro herbeiführte;
I./2./ zwischen Mai und Oktober 2004 auch als zur Einzahlung der Beiträge der Dienstnehmer zur Sozialversicherung Verpflichteter Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 169.437,78 Euro einbehalten und der Wiener Gebietskrankenkasse als berechtigtem Versicherungsträger vorenthalten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Samir K*****, die ihr Ziel verfehlt.
In seiner Mängelrüge behauptet der Angeklagte K***** der Sache nach das Fehlen von Urteilsgründen für die - jedoch unerhebliche, weil nur auf die tatsächliche Einflussnahme abzustellen ist (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 161 Rz 13) - „gesetzliche Grundlage“ seiner faktischen Geschäftsführung, indem er auszugsweise Passagen des Urteils herausgreift, argumentiert, „keinen Einfluss auf das Unternehmen“ gehabt zu haben und - der Sache nach aus Z 9 lit a - Feststellungen hiezu vermisst. Die Tatrichter stützten ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf eine im Akt erliegende Vollmacht sowie auf die Aussagen der Zeugen Alois Ka*****, Dr. Annemarie Ko***** und Karl B*****, wonach dieser ihnen als Geschäftsführer bekannt, stets ihr Ansprechpartner sowie (auch gegenüber dem de jure Geschäftsführer Sven O*****) der Entscheidungsträger war (US 11). Mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten hat sich das Erstgericht ebenfalls auseinandergesetzt und diese - mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 447 f) - verworfen. Insgesamt stellt die Mängelrüge ohne an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504) den Urteilsannahmen bloß eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüber und bekämpft damit die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer im Schöffenverfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099455).
Den Ausführungen unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO zuwider hat das Erstgericht den Eintritt der herbeigeführten (§ 159 Abs 1 StGB) Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ohnedies festgestellt (US 9), während ihre Erkennbarkeit mangels darauf bezogenen Vorwurfs nach § 159 Abs 2 StGB nicht von Bedeutung ist, sodass es dem Rechtsmittel auch diesbezüglich an prozessordnungsgemäßer Ausführung gebricht. Gegenstand der Rechtsrüge ist nämlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts einschließlich prozessualer Verfolgungshindernisse mit dem festgestellten Sachverhalt, wobei dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen den Bezugspunkt bildet (RIS-Justiz RS0117247).
Die angemeldete (ON 96 S 37), aber nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nedzad Z***** erweist sich als unzulässig, weil auch bei ihrer Anmeldung kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet wurde (§ 285 Z 2 StPO; vgl RIS-Justiz RS0100168).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Nedzad Z***** und der Staatsanwaltschaft ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96055European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00143.10H.1215.000Im RIS seit
04.02.2011Zuletzt aktualisiert am
04.02.2011