TE OGH 2010/12/15 4Ob171/10s

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Veröffentlicht am 15.12.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Prof. F***** M*****, 2. T***** Gesellschaft m.b.H., *****, beide vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 10. Juni 2010, GZ 3 R 33/10k-12, womit infolge Rekurses der klagenden Parteien der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 26. Februar 2010, GZ 18 Cg 29/10v-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 2.157,58 EUR (darin 359,59 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im Jänner 2010 begann eine Informationskampagne des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur zur Bildungsreform. Unter dem Titel „Heimat bist du großer Söhne und Töchter“ war es das Ziel dieser Initiative, die Bedeutung der Bildung für Kinder und die Zukunft des Landes zu unterstreichen. Wesentlicher Teil der von der beklagten Werbeagentur erarbeiteten Kampagne war ein rund einminütiger Kurzfilm mit einer Präsentation zahlreicher Kinderfotos großer Söhne und Töchter Österreichs, darunter Angelika Kaufmann, Wolfgang Amadeus Mozart, Ignaz Semmelweis, Marie von Ebner-Eschenbach, Paula Wessely, Helmut Qualtinger, Valie Export, Mirna Jukic uva. Nach Kinderfotos historischer und lebender Persönlichkeiten endet der Film mit Fotos von namentlich genannten, aber unbekannten Knaben und Mädchen von heute und dem Text: „Unser Land hat so viele Talente. Wir müssen sie fördern. Bildungsreform für Österreich.“

Dieser Kurzfilm wurde im Rahmen der Informationskampagne zur Bildungsreform ua in den Fernsehsendern des ORF gesendet und ist im Internet (zB „www.youtube.com“) abrufbar. Er wird musikalisch von einer Interpretation der Österreichischen Bundeshymne durch den österreichischen Popstar Christina Stürmer untermalt; sie singt zu einer „Rock-Version“ der Melodie folgenden (gegenüber der offiziellen Fassung abgewandelten und verkürzten) Text, der allein Gegenstand des Verfahrens ist:

„Land der Berge, Land am Strome,

Land der Äcker, Land der Dome,

Land der Hämmer, zukunftsreich.

Heimat bist du großer Söhne und Töchter,

vielgerühmtes Österreich.

Heiß umfehdet, wild umstritten,

liegst dem Erdteil du inmitten,

einem starken Herzen gleich.

Heimat bist du großer Söhne und Töchter,

vielgerühmtes Österreich,

vielgerühmtes Österreich.“

Der Erstkläger ist Sohn der 1951 verstorbenen Paula von Preradovi? und war gemeinsam mit seinem mittlerweile verstorbenen Bruder deren Erbe. M***** K***** H***** ist als Witwe des verstorbenen Bruders des Erstklägers auch dessen Erbin.

Die Zweitklägerin betreibt ein Verlagsunternehmen. Am 26. 9./2. 10. 2006 schlossen der Erstkläger und die Witwe seines Bruders (im folgenden: Erben) mit der Zweitklägerin folgende „Ergänzende Vereinbarung“ zu den bereits bestehenden Verträgen vom 12. 8. 1991 und 9. 10. 1991 über den von Paula von Preradovi? vertonten Text der Österreichischen Bundeshymne:

„[Erstkläger] erklärt für sich und die Rechtsnachfolger und die Rechtsnachfolgerin nach [Bruder des Erstklägers], dass sämtliche bisher nicht ausformulierten oder nicht übertragenen Rechte, die die Erben als Rechtsnachfolger der Urheberin im Sinne der Urheberrechte, Nutzungsrechte, Leistungsschutzrechte und Urheberpersönlichkeitsrechte inne haben, auf [Zweitklägerin] übergehen. Im Übrigen bevollmächtigen [Erben] [Zweitklägerin], in unserem Namen, aber auf Rechnung [Zweitklägerin], Rechte in allen Belangen des Urheberrechtes, aber auch die Persönlichkeitsrechte, geltend zu machen. Desweiteren übertragen [Erben] jegliche Verfolgung des Persönlichkeitsurheberrechtes, zB jegliche Veränderung des Textes der Bundeshymne, auf [Zweitklägerin]. Es steht [Zweitklägerin] auch frei, in dieser Angelegenheit auf eigene Kosten und eigenes Risiko Anwälte beizuziehen oder Gerichte in Anspruch zu nehmen. [Zweitklägerin] und [Erben] sind der Auffassung, dass es zwischen Text und Musik eine Werkverbundenheit gibt und [Erstkläger] als Zeuge des Vorgangs bei der Schaffung der Bundeshymne bestätigt, dass die Musik zur Bundeshymne von Dr. Viktor Keldorfer in gemeinsamer Arbeit mit Paula von Preradovi? entstanden ist. Es wurde nicht einfach die sogenannte 'Freimaurerkantate' von Wolfgang Amadeus Mozart genommen, sondern die von Viktor Keldorfer hergestellte Vorfassung wurde gemeinschaftlich erarbeitet und begründet. Anhand des vom [Zweitklägerin] geführten Prozesses wurde festgestellt, dass die Eigentumsrechte am bestehenden Text der Bundeshymne der Republik Österreich zustehen. In welchem Umfang und mit welchen Rechten wurde im Detail nicht festgehalten. So kann man davon ausgehen, dass zB die Rechte nur territorial begrenzt übertragen wurden, dh nur für Österreich. Die urheberrechtliche Grundlage zwischen Österreich und anderen Ländern ist unterschiedlich, sodass eine andere Rechtsposition im Ausland gegeben erscheint. Dies zu prüfen und abzuklären ist ebenfalls Auftrag und Aufgabe [Zweitklägerin]. […] Sollten aus den vorgenannten übertragenen Rechten Werknutzungen entstehen, zB eine CD zur weltweiten Verwertung, so sind wir an diesen Einnahmen, sofern uns solche zustehen, mit einem Prozentsatz von 50 : 50 [Zweitklägerin : Erben] beteiligt. Dieser wird einmal jährlich an uns zur Verrechnung gebracht, und zwar jeweils zum 31.12. jedes Jahres mit einem Zahlungsziel von zwei Monaten. Auf die zu erwartenden Erlöse aus diesem Vertrag wird ein Vorschuss in der Höhe von 5.000 EUR bezahlt [...]. Diese Vereinbarung gilt für die Rechtsnachfolger nach [Erben]. Beide sind in der Erbfolge nunmehr Alleinerben nach Paula von Preradovi?.“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die vormals als Österreichische Nationalhymne in Verwendung stehende „Haydn-Hymne“ als Hymne des Dritten Reichs historisch belastet. Aus diesem Grund beschloss der Ministerrat der Österreichischen Bundesregierung über Initiative des damaligen Unterrichtsministers Dr. Felix Hurdes ein Preisausschreiben zur Schaffung einer neuen österreichischen Volkshymne durchzuführen. Darüber wurde in der Wiener Zeitung vom 11. 4. 1946, Ausgabe Nr 86, berichtet. In diesem Zusammenhang wurden auch die Bedingungen des Preisausschreibens wie folgt bekannt gegeben:

„10.000 Schilling für die beste Hymne

Der Ministerrat der österreichischen Bundesregierung beschloss in seiner Sitzung vom 9. April 1946 mit einem Preisausschreiben zur Schaffung einer neuen österreichischen Volkshymne an die breiteste Öffentlichkeit heranzutreten: Gegenstand des Preisausschreibens: Ein Lied hymnischen Charakters, das den neuen Österreichischen Bundesstaat und seine Menschen im In- und Ausland sowohl textlich als auch musikalisch würdig zu repräsentieren vermag. Bedingungen des Preisausschreibens: a) Teilnahmeberechtigt ist jeder österreichische Bundesbürger, der nicht vom Wahlrecht zur Nationalratswahl vom 25. November 1945 ausgeschlossen war. b) Einzusenden ist eine komplette Hymne mit möglichst drei Textstrophen zur gleichen Melodie, komponiert für Klavier und Singstimme. Allenfalls können auch passende Texte oder geeignete Melodien allein eingesandt werden. c) Alle Einsendungen sind zu richten an das Bundesministerium für Unterricht, Kunstabteilung, […] e) Über die Auswahl der eingesandten Werke und über die Zuerkennung der Preise entscheidet ein vom Bundesministerium für Unterricht bestelltes Jurorenkomitee nach bestem Wissen und Gewissen unter Ausschluss des Rechtsweges. [...]. f) Der erste Preis in Höhe von 10.000 Schilling entfällt auf das zur künftigen Volkshymne bestimmte Lied, wogegen der Autor bzw die Autoren sämtliche Urheberrechte an der Dichtung, bzw Komposition dem österreichischen Bundesstaat abtreten. Falls mit dem ersten Preis nur eine Komposition oder nur eine Dichtung ausgezeichnet wird, so kann der Preis entsprechend verringert werden. Für sonstige Preise ist ein Betrag von 5.000 Schilling ausgesetzt, über dessen Verteilung das Jurorenkomitee ebenfalls unter Ausschluss des Rechtsweges entscheidet.“

Am 22. 10. 1946 beschloss der Ministerrat, die Melodie des Wolfgang Amadeus Mozart zugeschriebenen und vom Jurorenkomitee an die erste Stelle gesetzten „Bundeslieds“ („Brüder reicht die Hand zum Bunde“) zur künftigen Volkshymne zu erklären. Über diesen Beschluss des Ministerrats wurde in der Wiener Zeitung vom 23. 10. 1946, Ausgabe Nr 247, unter der Rubrik „Beschlüsse des Ministerrates“ wie folgt berichtet:

„[…] Anschließend berichtete Bundesminister für Unterricht Dr. Hurdes über das Preisausschreiben zur Schaffung einer österreichischen Hymne. Der Ministerrat beschloss über seinen Antrag, das Bundeslied (Brüder reicht die Hand zum Bunde) von Mozart zur künftigen Volkshymne zu erklären. Da die zu dieser Melodie im Preisausschreiben eingereichten Texte den Anforderungen noch nicht voll entsprechen, wird an namhafte Lyriker mit der Bitte um Textierung dieser Mozartmelodie herangetreten werden. Der beste eingesandte Text wird wieder vom Jurorenkomitee ausgewählt werden.“

Zu den Dichtern und Dichterinnen, die in der Folge eingeladen wurden, zur ausgewählten Melodie einen Text für die neue Bundeshymne zu verfassen, gehörte auch Paula von Preradovi?. Diese übermittelte dem Bundesministerium für Unterricht mit Schreiben vom 17. 12. 1946 folgenden von ihr verfassten Text:

„Land der Berge, Land am Strome,

Land der Äcker, Hämmer, Dome,

Arbeitsam und liederreich.

Großer Väter freie Söhne,

Volk, begnadet für das Schöne,

Vielgerühmtes Österreich.

Heiss umfehdet, wild umstritten,

Liegst dem Erdteil du inmitten,

Einem starken Herzen gleich.

Hast seit frühen Ahnentagen,

Hoher Sendung Last getragen,

Vielgeprüftes Österreich.

Aber in die neuen Zeiten

Sieh uns festen Glaubens schreiten,

Stolzen Muts und hoffnungsreich.

Lass ihn brüderlichen Chören,

Vaterland dir Treue schwören,

Vielgeliebtes Österreich.“

Mit Beschluss des Ministerrats vom 25. 2. 1947 wurde der Text der zukünftigen Hymne beschlossen. Darüber wurde in der Wiener Zeitung vom 26. 2. 1947, Ausgabe Nr 48, unter der Artikelüberschrift „Text der Bundeshymne genehmigt“ wie folgt berichtet:

„Vor Beginn des Ministerrates war im Bundeskanzleramt ein kleiner Chor der Wiener Sängerknaben unter der Leitung von Hofrat Schnitt erschienen, der den versammelten Regierungsmitgliedern die neue österreichische Bundeshymne nach den beiden Texten von Paula Preradovi? und Dr. Sigmund Guggenberger vortrug. Der Ministerrat beschloss, den Text der Dichterin Paula Preradovi? nach Vornahme einiger kleiner textlicher Änderungen als offiziellen Text der neuen Österreichischen Bundeshymne zu genehmigen.“

In der Wiener Zeitung vom 9. 3. 1947, Ausgabe Nr 58, wurde unter der Überschrift „Die neue Bundeshymne“ auszugsweise (unter teilweiser Wiedergabe einer Rundfunkansprache von Minister Hurdes) wie folgt berichtet:

„Die Melodie des Bundesliedes von Mozart wurde mit dem vom Jurorenkomitee im Preisausschreiben 'Österreichische Bundeshymne' gewählten Text aus der Feder der österreichischen Lyrikerin Paula Preradovi? durch einen Ministerratsbeschluss zur künftigen Volkshymne erklärt. [...] Ein aus prominenten Vertretern des Kultur- und Volksbildungswesens von Wien und den Bundesländern zusammengesetzes Jurorenkomitee hat nach eingehender Überprüfung aller Textvorschläge das Gedicht von Paula Preradovi? 'Land der Berge, Land am Strome' als geeigneten Text erklärt. Diese Wahl wurde vom Ministerrat bestätigt. […]

Text der Bundeshymne von Paula Preradovi?

Land der Berge, Land am Strome,

Land der Äcker, Land der Dome,

Land der Hämmer, zukunftsreich.

Heimat bist du großer Söhne,

Volk, begnadet für das Schöne,

Vielgerühmtes Österreich.

Heiß umfehdet, wild umstritten,

Liegst dem Erdteil du inmitten,

Einem starken Herzen gleich.

Hast seit frühen Ahnentagen,

Hoher Sendung Last getragen,

Vielgeprüftes Österreich.

Mutig in die neuen Zeiten,

Frei und gläubig sieh uns schreiten,

Arbeitsfroh und hoffnungsreich.

Einig laß in Brüderchören,

Vaterland, Dir Treue schwören,

Vielgeliebtes Österreich.“

Dieser in der Wiener Zeitung vom 9. 3. 1947 abgedruckte Text der Bundeshymne wurde im „Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Unterricht“, Jahrgang 1947, vom 1. 7. 1947 unter der Überschrift „Text der Österreichischen Bundeshymne von P. Preradovi?“ bekanntgemacht. Am 4. 7. 1949 verfügte der Bundesminister für Unterricht zur GZ 31105-II-4a/49, das ihm persönlich übergebene Exemplar der vom Österreichischen Bundesverlag herausgegebenen offiziellen Ausgabe der Österreichischen Bundeshymne (bestehend aus Klaviernoten mit Singstimme und Text) zu den Akten zu nehmen. Diese „offizielle Ausgabe der Österreichischen Bundeshymne“ trägt die Überschrift: „Österreichische Bundeshymne Melodie von W. A. Mozart Text von Paula Preradovi?“. Die Textdichterin hat den im Preisausschreiben ausgelobten Geldbetrag erhalten.

Die Kläger beantragten zur Sicherung des gleichlautenden Unterlassungsbegehrens, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterlassungsbegehren zu verbieten, den Originaltext der Bundeshymne, sofern dazu die Zustimmung der Zweitklägerin bzw die gemeinsame Zustimmung der Erben nach Paula von Preradovi? nicht vorliegt, zu bearbeiten und/oder zu verändern und/oder in bearbeiteter und/oder in veränderter Form zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder zu senden und/oder zur Verfügung zu stellen oder sonst zu verwerten und/oder Dritte zu diesen Eingriffs- und Verwertungshandlungen zu beauftragen und/oder zu bestimmen. Die Beklagte habe den von Paula von Preradovi? geschaffenen Text der Österreichischen Bundeshymne ohne Zustimmung der Zweitklägerin und ohne gemeinsame Zustimmung der Erben nach der Textdichterin für den zur Bewerbung der „Bildungsreform für Österreich“ geschaffenen Kurzfilm verändert und bearbeitet. Die eigenmächtigen Zusätze, Kürzungen und Änderungen verletzten das Urheberpersönlichkeitsrecht des Werkschutzes nach § 21 UrhG. Der Originaltext stehe in der Versform des Hexameters und sei ein Werk „aus einem Guss“. Durch den Zusatz „und Töchter“ werde der Sprachrhythmus völlig verändert und in geradezu irritierender Weise gestoppt, was durch das „Anhalten“ der Melodieführung noch unterstrichen werde. Hinzu komme, dass auch die Reimfolge „Strome - Dome“ bzw „Söhne - Schöne“ gestört werde, wobei die vierte, mit „und Töchter“ endende Textzeile überhaupt ohne Reim bleibe und unvermittelt in die letzte Zeile „vielgerühmtes Österreich“ münde. Die zweite Strophe sei ab der vierten Textzeile überhaupt gestrichen und stattdessen nach den ersten drei Textzeilen des Originals wiederum der Text „Heimat bist du großer Söhne und Töchter“ und „vielgerühmtes Österreich“ (letzterer in Wiederholungsform) angefügt worden. Dadurch werde auch die Abfolge „vielgerühmtes - vielgeprüftes - vielgeliebtes Österreich“ in den Schlusszeilen der drei Strophen des Originals zerstört. Die vorgenommenen Änderungen entstellten den Originaltext. Selbst wenn man das Anliegen der Geschlechtsneutralität des Textes als berechtigt ansähe, dürfe der Text nur so gering wie möglich geändert werden. So ließe sich etwa die vierte Textzeile der ersten Strophe ohne Störung von Sprachrhythmus, Reim und Aufbau abwandeln, wenn sie „Heimat großer Töchter und Söhne“ laute. Die Republik Österreich habe die Verwertungsrechte am Text der Bundeshymne nur im Rahmen der von der Urheberin zu erwartenden Nutzung, also für Staatszwecke wie feierliche politische oder sportliche Anlässe oder eine Nutzung im Rahmen des „Protokolls“ erworben. Die Verwendung als musikalische Untermalung einer ministeriellen Kampagne sei vom Werknutzungsrecht der Republik Österreich nicht gedeckt und bedürfe der Zustimmung des Urhebers. Der Erstkläger sei als Erbe der verstorbenen Textautorin berechtigt, gegen die Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte vorzugehen. Die Zweitklägerin sei aufgrund der mit den Erben nach der Textdichterin geschlossenen Vereinbarung berechtigt, Urheberrechtsverletzungen auch im eigenen Namen gerichtlich und außergerichtlich zu verfolgen. Die beklagte Werbeagentur sei als Täter, Mittäter oder Teilnehmer an einer fremden Tat passiv legitimiert.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Die für den Kurzfilm zur Informationskampagne des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur zur Bildungsreform abgeänderte vierte Textzeile der ersten Strophe stamme nicht von Paula von Preradovi?. Der Ministerrat habe den von der Dichterin vorgelegten Textvorschlag nicht unverändert angenommen, sondern beschlossen, diesen Text nach Vornahme einiger kleiner textlicher Änderungen als offiziellen Text der neuen österreichischen Bundeshymne zu genehmigen. Es sei unbekannt, wer die Änderungen, insbesondere die Zeile „Heimat bist du großer Söhne“ textiert habe. Soweit sich die Klage auf einen angeblichen Rechteeingriff durch diese Textzeile stütze, fehle es an der aktiven Klagslegitimation. Die Beklagte sei nicht passiv legitimiert: Zwar habe sie die Informationskampagne zur Bildungsreform mitgestaltet, die Neuinterpretation der Bundeshymne und die Schaltung des Kurzfilms in verschiedenen elektronischen Medien sei jedoch vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur in Auftrag gegeben worden. Die Beklagte habe den Film weder verbreitet noch veröffentlicht noch als Gehilfin an einer Rechtsverletzung mitgewirkt. Bedingung des seinerzeitigen Preisausschreibens sei es gewesen, dass der Autor sämtliche Urheberrechte an der Dichtung dem Österreichischen Bundesstaat abtrete. Die Textdichterin habe durch ihre Teilnahme am Preisausschreiben dessen Bedingungen akzeptiert und sich diesen unterworfen. Sie habe auch den Preis entgegengenommen. Dadurch habe die Republik Österreich die zeitlich, örtlich und inhaltlich unbeschränkten Werknutzungsrechte erlangt. Die Nutzung der Bundeshymne im Rahmen einer offiziellen Informationskampagne des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur sei keine kommerzielle Nutzung, sondern diene einer hoheitlichen Zielsetzung, somit typischen Zwecken einer Staatshymne. Die beanstandete Änderung im Text sei gemäß § 21 Abs 1 UrhG zulässig. Seit dem Ministerratsbeschluss im Jahr 1947 hätten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend geändert; die Gleichstellung von Mann und Frau sei nunmehr mehrfach gesetzlich verankert. Es entspreche daher den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen, dass für eine sich vorwiegend an junge Leute richtende Informationskampagne zur Bildungsreform die Zeile „Heimat bist du großer Söhne“ auf „Heimat bist du großer Söhne und Töchter“ erweitert werde. Die Bundeshymne solle für alle Österreicherinnen und Österreicher Identität stiften; auch deshalb sei eine geschlechtsneutrale Änderung des Textes durch Art und Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert. Eine Entstellung, Verstümmelung oder Änderung des Werks liege nicht vor. Der Text der Bundeshymne sei durch Veröffentlichung in der Wiener Zeitung vom 9. 3. 1947 und im Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Unterricht vom 1. 7. 1947 zu einem gemeinfreien Werk iSd § 7 UrhG geworden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es traf ua noch folgende Feststellungen: Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur hat die Interpretation der Bundeshymne, die zur Untermalung des Kurzfilms von Christina Stürmer vorgetragen wird, in Auftrag gegeben, die Interpretin honoriert und die Schaltung des Films in elektronischen Medien veranlasst. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, die Verfasserin des Textes der Bundeshymne habe mit der Beteiligung an dem Preisausschreiben das Einverständnis zur Übertragung der Werknutzungsrechte an die Republik Österreich erteilt. Dass davon auch Bearbeitungsrechte umfasst gewesen seien, ergebe sich nicht nur aus dem Text der Auslobung, sondern auch aus der vom Ministerrat vorgenommenen Bearbeitung, die zum aktuellen Text der Österreichischen Bundeshymne geführt habe und von der Dichterin akzeptiert worden sei. Die Textdichterin habe der Republik Österreich das Werknutzungsrecht am Text der Bundeshymne eingeräumt, das Werk zeitlich, örtlich und inhaltlich unbeschränkt auf eine an sich dem Urheber vorbehaltene Art zu nutzen. Der Erstkläger habe in einer eidesstättigen Erklärung im Sicherungsverfahren selbst angegeben, seine Mutter als Urheberin des Textes habe das Wort „Söhne“ so verstanden, dass es für „Söhne und Töchter“ stehe. Deshalb sei eine Klarstellung dieses Wortes nach dem heutigen Geschlechterverständnis sogar im Sinne der Urheberin selbst. 60 Jahre nach Schöpfung des Textes der Bundeshymne würden männliche und weibliche Form eines Begriffs regelmäßig gleichberechtigt nebeneinander genannt; es sei daher legitim, dieses veränderte Geschlechterverständnis durch ein Bundesministerium zur öffentlichen Diskussion zu stellen, indem ein in Österreich anerkannter Popstar eine zeitgemäße Textfassung der Bundeshymne interpretiere. Die staatliche Initiative habe einen Denkanstoß zu einer möglichen Textänderung österreichweit publik gemacht und sei auch unter dem Blickwinkel des § 21 UrhG gesetzeskonform. Abgesehen davon ergebe sich aus der Vereinbarung Beilage ./D, dass der Erstkläger sämtliche Rechte, auch jenes der Verfolgung allfälliger Eingriffe, an die Zweitklägerin abgetreten habe, sodass dessen Aktivlegitimation zu bezweifeln sei. Die Beklagte sei für die Änderungen nicht verantwortlich, sondern habe im Auftrag eines Ministeriums gehandelt; damit scheide auch eine Gehilfenhaftung aus.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein von einer Privatperson geschaffenes Sprachwerk, das im Auftrag des Staats, der eine neue Staatshymne erlangen möchte, entstanden ist, durch amtliche Bekanntmachung als (offizieller) Text der Bundeshymne zu einem freien Werk iSd § 7 Abs 1 UrhG werde. Das Rekursgericht nahm nach der Urkundenlage ergänzend als bescheinigt an, dass Paula von Preradovi? Autorin der (gesamten) Textfassung der Österreichischen Bundeshymne ist, wie sie heute offiziell in Verwendung steht. Rechtlich sei davon auszugehen, dass der Text der österreichischen Bundeshymne mit dessen Bekanntmachung im Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Unterrichtsministeriums am 1. 7. 1947 zu einem freien Werk geworden sei, dessen Benützung ohne urheberrechtliche Einschränkungen, jedoch innerhalb der Schranken allfälliger sonstiger gesetzlicher Bestimmungen (insb § 248 StGB), jedermann offen stehe. Der Abdruck des Textes im Verordnungsblatt sei erkennbar zu dem Zweck erfolgt, diesen als Text der neuen Bundeshymne offiziell bekanntzumachen; damit handle es sich um eine „amtliche Bekanntmachung“ iSd § 7 Abs 1 UrhG. Zwar werde ein Werk, auf das in einer gerichtlichen (oder sonstigen behördlichen) Entscheidung Bezug genommen werde, nicht schon allein deshalb gemeinfrei; mit einer gerichtlichen (oder sonstigen amtlichen) Entscheidung, die ein urheberrechtlich geschütztes Werk zum Gegenstand habe, mache sich das Gericht (oder die sonstige Behörde) dieses nicht zu eigen. § 7 Abs 1 UrhG sei seinem Zweck nach so zu verstehen, dass damit nur das Ergebnis der schöpferischen Tätigkeit des amtlichen Organs gemeint sei. Werde eine ÖNORM per Gesetz als verbindlich erklärt und deren Text im Bundesgesetzblatt kundgemacht, mache sie sich der Staat insofern zu eigen, als sie als „sein Gesetz“ in Geltung stehen solle. Beim Text der Bundeshymne liege eine damit vergleichbare Sachlage vor. Dass dieser Text nicht durch ein Gesetz im materiellen Sinn (Gesetz oder Verordnung) in Kraft gesetzt worden sei, schade nicht, weil schon bloße amtliche Bekanntmachungen freie Werke seien. Der Unterlassungsanspruch sei aber auch dann nicht berechtigt, wenn man den Text der Bundeshymne nicht als freies Werk beurteile. In der Entscheidung 4 Ob 1105/94 gehe der Oberste Gerichtshof davon aus, Paula von Preradovi? habe der Republik Österreich (schlüssig) die Werknutzungsrechte an dem von ihr verfassten Text der Bundeshymne für typische Zwecke einer Staatshymne (dort: das Abspielen der Bundeshymne zum Sendeschluss des ORF) übertragen. In vergleichbarer Weise sei die Verwendung der Bundeshymne im Rahmen einer ministeriellen Kampagne zur Bildungsreform, einem wichtigen gesellschaftspolitischen Anliegen, ebenfalls keine kommerzielle Verwendung zu Werbezwecken, sondern eine Verwendung im Rahmen der Erfüllung einer staatlichen Aufgabe, die vom eingeräumten Werknutzungsrecht gedeckt sei. Wer für den Staat den Text der Bundeshymne verfasse, müsse damit rechnen, dass der Staat in Reaktion auf die Änderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen bei Verwendung der Hymne zu einem vom eingeräumten Werknutzungsrecht gedeckten Zweck auch geringe textliche Änderungen vornehmen wolle, wenn dies notwendig sei, um das kommunizierte Anliegen (hier: die Betonung der Gleichstellung von Mann und Frau bzw der Chancengleichheit von Burschen und Mädchen im Bildungsbereich in einer vor allem an ein jüngeres Publikum gerichteten Initiative) zu unterstreichen. Die Bundeshymne sei als Staatssymbol für den Staat und seine Staatsbürger so wichtig, dass es nicht gerechtfertigt sei, ihre Verwendung durch ein oberstes Staatsorgan zur Unterstützung eines gesellschaftspolitisch wichtigen Anliegens im Rahmen einer Informationskampagne in einer zeitgemäßen, die primären Adressaten der Kampagne ansprechenden, abgewandelten Fassung durch enge Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 21 Abs 1 zweiter Satz UrhG rigorosen Schranken zu unterwerfen. Die beanstandete textliche Änderung und die damit verbundene Aufgabe der ursprünglichen Reimfolge sowie die Textkürzungen im Rahmen der Untermalung des Kurzfilms würden vom Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert und seien daher zulässig, zumal der Text dadurch nicht entstellt oder verstümmelt werde. Mangels Eingriffs in Urheberrechte durch die Verwendung des Textes der Bundeshymne in der beanstandeten Form scheide auch jede Mit- oder Beitragstäterschaft der beklagten Werbeagentur aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Kläger machen geltend, der Text der Bundeshymne falle nicht unter „zum amtlichen Gebrauch hergestellte amtliche Werk“ (§ 7 Abs 1 UrhG) und sei daher vom Urheberrechtsschutz nicht freigestellt; daran ändere auch seine Veröffentlichung im Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Unterricht nichts. Die Verwendung des bearbeiteten Textes sei durch das der Republik Österreich für die typischen Zwecke einer Staatshymne eingeräumte Werknutzungsrecht nicht gedeckt. Die beanstandeten Veränderungen gingen über das gemäß § 21 Abs 2 zweiter Satz UrhG Zulässige hinaus und beeinträchtigten geistige Interessen der Urheberin am Werk schwer (§ 21 Abs 3 UrhG).

1.1. Ob der Text der Bundeshymne unter die in § 7 Abs 1 UrhG erschöpfend (Mitteis, Grundriß des Urheberrechts 32) aufgezählten freien Werke fällt, falls nicht, ob er als ein nicht-amtliches Werk durch eine amtliche Veröffentlichung zum amtlichen Werk wurde, ist im Schrifttum umstritten (abl Walter, Urheberrecht Rz 306; ders, MR 1995, 186; ihm folgend Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG² § 7 Rz 4 ff und Schumacher in Kucsko, urheber.recht 174; aA Dittrich, Urheberrechtsschutz für die österreichische Bundeshymne? RfR 1992, 1, 7 ff; Ciresa, Urheberrecht § 7 Rz 13).

1.2. Diese in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bisher nicht beantwortete Frage bedarf auch im Anlassfall keiner näheren Prüfung, handelt es sich doch - wie nachfolgend aufzuzeigen ist - bei der von den Klägern beanstandeten Verwendung der Bundeshymne mit bearbeitetem Text zur Unterstützung einer ministeriellen Informationskampagne zur Bildungsreform um eine durch die vertragliche Rechteeinräumung gedeckte Werknutzung durch die Republik Österreich (dazu 2.), bei der sich die Textänderungen im Rahmen des gesetzlich Erlaubten (§ 21 Abs 1 zweiter Satz UrhG) halten (dazu 3.).

2.1. In der Entscheidung 4 Ob 1105/94 (= MR 1995, 185 [zust. Walter] = RIS-Justiz RS0053075) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass Nationalhymnen Ausdruck des nationalen Selbstverständnisses sind, bei feierlichen politischen und sportlichen Anlässen gespielt und gesungen werden und zum sogenannten „Protokoll“ gehören. Da der Textautorin der Bundeshymne der Zweck einer Bundeshymne klar sein musste, hat sie schon mit der Beteiligung am Preisausschreiben der Republik Österreich stillschweigend ein Werknutzungsrecht zur Verwendung für typische Zwecke einer Staatshymne eingeräumt, worunter auch die Verwendung der Musik der Bundeshymne zum Sendeschluss des ORF fällt, der als einziger Rundfunk des Staats auch staatliche Aufgaben zu erfüllen hat.

2.2. An die Beurteilung, ob die Bundeshymne im Einzelfall für den typischen Zweck einer Staatshymne verwendet wird, ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Diesem Erfordernis wird schon genügt, wenn es sich um eine Verwendung im Rahmen der Erfüllung einer staatlichen Aufgabe handelt und die Verwendung in diesem Zusammenhang der Bedeutung des Anlasses angemessen ist.

2.3. Das Schul- und Erziehungswesen ist grundsätzlich Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung (Art 14 Abs 1 B-VG).

2.4. Hat die werknutzungsberechtigte Republik Österreich, repräsentiert durch den Bundesminister für Unterricht, Kunst und Kultur als oberstes Organ der Vollziehung (Art 19 Abs 1 B-VG), die beanstandete Textversion der Bundeshymne für Zwecke der musikalischen Untermalung eines Kurzfilms im Rahmen einer ministeriellen Informationskampagne zum Thema „Bildungsreform“ verwendet, ist auch diese Nutzung durch die vertragliche Rechteeinräumung gedeckt.

Daran ändert nichts, dass der Kurzfilm im Rahmen der Kampagne auch zum Abruf im Internet bereitgestellt wurde, weil die Verknüpfung dieser Verwendung der Bundeshymne mit dem beabsichtigten Zweck durch das private Abrufen des Kurzfilms (der optisch mit den Worten „Bildungsreform für Österreich“ endet) nicht aufgehoben wird.

Dass es sich hingegen um eine (gemeint offenbar: kommerzielle) Verwendung des Hymnentextes „zu Werbezwecken“ handle, wie die Kläger meinen, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil nicht erkennbar ist, auf welche Weise die Republik Österreich durch die Informationskampagne zum Thema „Bildungsreform“ einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil anstreben oder erzielen hätte können.

3.1. Nach § 21 Abs 1 UrhG dürfen auch von dem zur Werknutzung Berechtigten an dem Werk selbst, an dessen Titel oder an der Urheberbezeichnung keine Kürzungen, Zusätze oder andere Änderungen vorgenommen werden, soweit nicht der Urheber einwilligt oder das Gesetz die Änderung zulässt. Zulässig sind insbesondere Änderungen, die der Urheber dem zur Benutzung des Werks Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht untersagen kann, namentlich Änderungen, die durch die Art oder den Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert werden.

3.2. Es ist nicht möglich, den Umfang des in § 21 Abs 1 UrhG normierten Änderungsrechts, also jener Änderungen, die der Urheber dem zur Nutzung des Werks Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht untersagen kann, nach generell abstrakten Kriterien zu bestimmen. Es bedarf einer Interessensabwägung im Einzelfall zwischen dem Werkschutz als zentraler Bestimmung des Urheberpersönlichkeitsrechts und dem Gebrauchsinteresse des Nutzungsberechtigten, bei der vor allem auf die Kriterien der Art und Intensität des Eingriffs, der Gestaltungshöhe des Werks (seines künstlerischen Rangs) und seines konkreten Gebrauchszwecks Bedacht zu nehmen ist (4 Ob 49/10z mwN).

3.3. Jede Nutzung stellt ein Werk in einen technisch-ökonomischen Gebrauchszusammenhang, der die Erhaltung der ursprünglichen Werkgestalt in ihrer absoluten Reinheit in den seltensten Fällen erlaubt. Der Gebrauchszweck eines Werks tritt umso deutlicher hervor, je mehr das Werk nicht nur dem künstlerisch-ästhetischen Genuss, sondern auch praktischen Zwecken dient. Da der Urheber bei der Verwertung seines Werks in der Regel auf die Mithilfe von Werknutzern angewiesen ist, müssen deren Nutzungs- und Gebrauchsinteressen sowie die Sachzwänge im Rahmen der Interessensabwägung gebührend berücksichtigt werden (4 Ob 49/10z mwN).

3.4. Ihre Grenze findet das Änderungsrecht dort, wo die geistigen Interessen des Urhebers am Werk schwer beeinträchtigt werden (§ 21 Abs 3 UrhG). Sinn und Wesen des benutzten Werks dürfen durch die Änderung auf keinen Fall entstellt werden (vgl RIS-Justiz RS0126129).

3.5. Zu einer auf Gleichbehandlung der Geschlechter gerichteten textlichen Änderung der österreichischen Bundeshymne meint Dokalik (Zur Änderung des Textes der österreichischen Bundeshymne aus urheberrechtlicher Sicht, ÖBl 2005, 250, 251), es könne vertreten werden, dass Zweck der Bundeshymne auch eine identitätsstiftende Wirkung für alle Österreicherinnen und Österreicher sei. Ohne die textliche Anpassung ginge durch die fortschreitende sprachliche Sensibilisierung der Gesellschaft für Aspekte der Gleichbehandlung diese Identifizierung eines Teils der Gesellschaft verloren. Die Änderung wäre demnach durch die „Art und den Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert“ und bedürfte keiner Einwilligung der Urheberin.

3.6. Im Anlassfall hat die werknutzungsberechtigte Republik Österreich den Text der Bundeshymne nicht ganz allgemein, sondern für einen konkreten Verwendungszweck dadurch abgeändert, dass in der ersten Strophe die vierte Zeile „Heimat bist du großer Söhne“ durch den Zusatz „und Töchter“ ergänzt wird, hingegen die fünfte Zeile und Wiederholung der Schlusszeile entfallen; nach den ersten drei Zeilen der zweiten Strophe wird sodann die vierte Zeile der ersten Strophe in der beschriebenen veränderten Form angefügt und abschließend die wiederholte Schlusszeile der ersten Strophe angefügt.

3.7. Diese Veränderungen am Text verfolgen erkennbar die Absicht, zum einen den Grundsatz der Gleichbehandlung beider Geschlechter zum Ausdruck zu bringen, zum anderen eine Kurzfassung der Bundeshymne zu schaffen, die für junge Menschen (verglichen mit dem Originaltext, einem Hymnus in klassischer Versform) ansprechender ist und die in ihrem formalen Aufbau dem Schema vieler Pop-Songs (Strophe-Refrain-Strophe-variierter Refrain) entspricht. Die Veränderungen sind im Kontext der konkreten Verwendung des Werks durch Art und Zweck der erlaubten Werknutzung gerechtfertigt.

3.8. Die mit dem Kurzfilm beworbene Informationskampagne zur Bildungsreform wendet sich in erster Linie an junge Menschen in Österreich und soll aufzeigen, wie wichtig Bildung gleichermaßen für Knaben und Mädchen ist. Die moderne, rhythmisierte „Rock-Version“ der Melodie ist ein auf das Zielpublikum der Kampagne ausgerichtetes Stilmittel; die Anziehungskraft dieser musikalischen Bearbeitung wird durch die Auswahl der Interpretin (einer beliebten jungen österreichischen Sängerin mit „Kultstatus“) noch gesteigert. Unter diesen Umständen verstärken und unterstreichen die aufgezeigten Textveränderungen gleichsam als „akkustisches Pendant“ den optischen Eindruck des Kurzfilms (Kinderfotos großer Söhne und Töchter Österreichs) und dienen zugleich dem verfolgten Zweck der Kampagne, mit einem so spröden Thema wie „Bildungsreform“ bei einem jungen Publikum Aufmerksamkeit zu erwecken.

3.9. Die vorgenommenen Änderungen lassen den Sinn des Textes unberührt; die Veränderungen in Sprachrhythmus und Reimfolge passen im Stil zur rhythmisierten „Rock-Version“ der Melodie und entstellen das Werk nicht. Ob - wie die Rechtsmittelwerber meinen - allenfalls andere geschlechtsneutrale Textversionen „werkverträglicher“ gewesen wären als jene der Beklagten, ist unter den aufgezeigten Umständen ohne Bedeutung. Dem Revisionsrekurs kann daher auch unter diesem Aspekt kein Erfolg beschieden sein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Schlagworte

Bundeshymne II/Rock me Paula,Gewerblicher Rechtsschutz,Urheberrecht

Textnummer

E95974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00171.10S.1215.000

Im RIS seit

18.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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