TE OGH 2010/12/15 1Ob158/10g

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Veröffentlicht am 15.12.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Sailer als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang L*****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ferdinand Rankl, Rechtsanwalt in Micheldorf, wegen 92.621,33 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Mai 2010, GZ 1 R 180/09k-65, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 4. August 2009, GZ 3 Cg 94/08w-52, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 23.070,47 EUR (darin 3.022,06 EUR USt und 4.938 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat für den Kläger eine Reithalle und einen Pferdestall samt Dacheindeckung geplant und errichtet. Bei der zuerst in Angriff genommenen Reithalle war abgesprochen, dass sie mit Welleternit einzudecken sei. Entsprechend war im Anbot der Beklagten vom 21. 10. 1992 die Eindeckung der Reithalle mit Welleternit-Wirtschaftsplatten angeführt. Da dem Kläger der Gesamtpreis zu hoch war, entschied sich der Mitarbeiter der Beklagten, zur Kostenreduktion Wellfaserzementplatten eines italienischen Herstellers zu verwenden. Er war der Ansicht, dass Welleternit bzw Eternit eine Produktbezeichnung für ein bestimmtes Material sei und er daher zwischen den Produkten mehrerer Hersteller von Wellfaserzementplatten frei wählen könne. Der Kläger dagegen hatte vor diesen Aufträgen über viele Jahre beruflichen Kontakt zur Firma E***** H***** in V*****. Daher wusste er, dass Eternit eine Markenbezeichnung dieses Unternehmens ist, und wollte angesichts seiner Kontakte ein H*****-Produkt verwendet haben. Angesichts des Ausdrucks Welleternit-Wirtschaftsplatten im Anbot ging der Kläger davon aus, dass ohnehin Material der E***** H***** angeboten werde und erörterte diesen Punkt nicht weiter. In der (von einem Mitarbeiter der Beklagten „ausgefüllten“) Bestellung des Klägers zum verringerten Gesamtpreis findet sich bei der Dacheindeckung das Wort Wellasbestplatten. In der letztgültigen Auftragsbestätigung vom 22. 7. 1994 wird eine Wellplatten-Eindeckung angeführt. Der Kläger beanstandete diese Auftragsbestätigung, die er zum Einverständnis unterschrieb, in mehreren Punkten, ohne die Wellplatten-Eindeckung zu erwähnen.

Das Anbot vom 2. 7. 1995 für die Errichtung des Pferdestalls nennt als Dacheindeckung Welleternit-Wirtschaftsplatten, die Auftragsbestätigung formuliert dagegen „Eindeckung mit italienischen Wellplatten“. Der Kläger nahm an, die Lieferung erfolge aus einem italienischen Werk der E***** H*****.

In beiden Fällen erfolgte keine mündliche oder sonstige Erörterung des Dacheindeckungsmaterials.

Im Herbst 2007 waren die Dächer erheblich undicht. Im Juli 2008 fehlte auf den Dächern beider Gebäude bei den Wellfaserzementplatten des italienischen Herstellers die farbgebende Deckschicht, die Innenstruktur der Platten war desolat. Die Ursache für diese Schäden liegt in einem Produktionsfehler des italienischen Herstellers bei der für das Dach des Klägers verwendeten Charge. Dieser Produktionsfehler wäre vor und bei der Verlegung durch die beklagte Partei nur durch eine technische Materialuntersuchung erkennbar gewesen, wie etwa durch eine Rasterelektronenmikroskopie oder durch eine Röntgendiffraktometrie mit einem Kostenrahmen von etwa 30.000 S bis 50.000 S je Untersuchung. An beiden Dächern liegen keine Verlegefehler vor, die Verlegeart hat auch die tatsächliche Lebensdauer nicht beeinflusst. Teilweise wurden auch Platten der E***** H***** sowie Platten des italienischen Herstellers aus einer anderen Charge verwendet, diese bedürfen keiner Erneuerung.

Der Kläger begehrt zuletzt 92.621,33 EUR sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden mit dem Vorbringen, die Beklagte habe nicht das vereinbarte Welleternit der Firma E***** H***** in V*****, sondern minderwertige Wellfaserzementplatten eines italienischen Erzeugers geliefert und die Dacheindeckung unfachmännisch hergestellt, sodass eine Neueindeckung nach nur 14 anstatt der bei Eternit üblichen 30 bis 50 Jahre erforderlich sei.

Die Beklagte bestritt. Ihre Haftung sei nach ihren AGB auf grobes Verschulden eingeschränkt, die Schadenersatzansprüche seien verjährt. Die Verlegung sei fachgerecht erfolgt. Das Material habe den Normen und marktüblichen technischen Anforderungen entsprochen. Die Verwendung des Worts Eternit für Wellfaserzementplatten aller Hersteller, also nicht nur jener der Firma H*****, habe der gängigen umgangssprachlichen Diktion entsprochen. Die Verwendung des italienischen Materials sei aufgrund der Preisvorgaben des Klägers notwendig gewesen. Im Übrigen sei ein Abzug „neu für alt“ von 50 % vorzunehmen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen gelangte es in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass unter Eternit im allgemeinen Sprachgebrauch sämtliche Zementfasererzeugnisse subsumiert werden könnten, sofern sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls nichts anderes ergäbe. Eine besondere Präferenz des Klägers aus seiner Geschäftsbeziehung hätte offen gelegt werden müssen. Bei einem nicht markenrechtlichen Verständnis von Eternit habe nach der Vertrauenstheorie keine ausreichende Grundlage für den Kläger bestanden darauf zu vertrauen, die Beklagte biete ausschließlich Platten der E***** H***** an. Das hier verwendete italienische Produkt sei grundsätzlich tauglich gewesen, es seien lediglich im Einzelfall Produktionsfehler vorgelegen. Eine von vornherein gegebene Untauglichkeit oder Mangelhaftigkeit der italienischen Wellfaserzementplatten liege nicht vor. Eine Überprüfung im Einzelfall sei auch im Hinblick darauf, dass Vorschadensfälle nach der Aktenlage zumindest bis 2000 nicht vorlagen, nicht indiziert gewesen. Da der Händler dem Käufer gegenüber nur für die Erfüllung der ihn selbst treffenden Pflichten, nicht aber für jene des Produzenten hafte und letzterer auch nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers sei, könne auch der Endhersteller wegen eines bei der Produktion unterlaufenden Mangels nicht in Anspruch genommen werden. Die Klage sei daher abzuweisen, ohne dass die Frage der AGB oder der Verjährung zu beurteilen sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Fraglich sei, ob ein Vertragspartner einen Hersteller frei wählen könne, wenn ein Markenbegriff synonym für eine gesamte Produktpalette verwendet werde (sogenanntes „Marken-Branding“). Inhaltlich verwarf das Berufungsgericht die geltend gemachten Berufungsgründe der Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und legte in rechtlicher Hinsicht dar, dass sowohl Angebot als auch Auftragsbestätigung von einem fachkundigen Mitarbeiter der Beklagten stammten. Verwende eine solche Person einen Fachbegriff aus der Bauwirtschaft, dürfe der Kläger nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont davon ausgehen, dass tatsächlich originale Wellfaserplatten der Firma H***** (Eternit) gemeint seien. Das günstigere Angebot habe den Kläger nicht zwingend zur Annahme führen müssen, dass der Dachplattenerzeuger gewechselt worden sei. Daher sei der Werkvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen und es liege Nichterfüllung des Werkvertrags vor. Das Erstgericht habe sich daher mit dem Einwand „neu für alt“ und dem Feststellungsbegehren auseinander zu setzen. Es werde auch zu klären sein, ob bei solchen Dächern ein linearer oder degressiver Wertverlust anzusetzen sei bzw ob ab einem gewissen Alter die reduzierte Marktakzeptanz zu erhöhten Wertabschlägen führe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Abänderungsantrag, das Ersturteil wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen und darüber hinaus der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist eine Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0017915). Die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte, oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RIS-Justiz RS0014205). Zur Auslegung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen sind alle Umstände heranzuziehen, aus denen Schlüsse auf die Absicht der Parteien gezogen werden können (RIS-Justiz RS0017817).

Wendet man diese Auslegungsgrundsätze auf die Frage an, welche Dacheindeckung Gegenstand der Vereinbarung war, so ist davon auszugehen, dass mündlich und im ursprünglichen Anbot von Welleternit die Rede war, in der Bestellung von Wellasbestplatten und auch in den - nachfolgenden Änderungen Rechnung tragenden - Auftragsbestätigungen von einer Wellplatteneindeckung bzw italienischen Wellplatten. Daraus konnte aber der Kläger als Erklärungsempfänger nicht auf die erkennbare Absicht des erklärenden Angestellten der Werkerstellerin schließen, es würden für die Dacheindeckung bestimmte markenrechtlich determinierte Produkte eines bestimmten Herstellers vertraglich zugesichert. Wenn es in dieser Situation dem Kläger auf Basis seiner speziellen Kenntnisse darauf angekommen wäre, nicht nur allgemein Wellfaserzementplatten, sondern konkret jene der Marke Eternit geliefert zu bekommen, hätte er das - auch unter Berücksichtigung der Umstände der Preisverringerung entsprechend seinen Vorstellungen und seiner Kenntnis der markenrechtlichen Situation - ausdrücklich klarstellen müssen. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Streitparteien mit den in der Bestellung genannten Wellasbestplatten tatsächlich die Lieferung von Welleternitplatten der Firma H***** vereinbart hätten, kann daher nicht beigetreten werden.

Im Übrigen waren nach den Feststellungen die gelieferten italienischen Platten ebenfalls nach dem „H*****-Verfahren“ hergestellt worden und hatten dieselbe chemische bzw mineralisch-kristalline Zusammensetzung. Dass diese italienischen Platten grundsätzlich minderwertiger wären, konnte nicht festgestellt werden. Vielmehr befinden sich auf dem Dach auch italienische Platten, die keiner Erneuerung bedürfen, und es waren nur die Platten einer bestimmten - allerdings ganz überwiegend verlegten - Charge durch einen Produktionsfehler mangelhaft.

Dass der Kläger aber - abgesehen von seiner beruflichen Verbindung - Markeneternitplatten zur Eindeckung in Auftrag geben hätte wollen, weil dadurch der tatsächlich Schaden verursachende Produktionsfehler einer bestimmten Charge verhindert hätte werden sollen oder können, hat er selbst nicht behauptet, ebenso wenig, dass beim österreichischen Markenhersteller fehlerhafte Chargen auszuschließen wären. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Bestellung von Markeneternitplatten der konkret eingetretene Schaden hätte ausgeschlossen werden können oder sollen. Seine Behauptung, die tatsächlich gelieferten Platten seien gegenüber dem bestellten Markenprodukt minderwertig, konnte er im Verfahren nicht beweisen.

Auch eine Haftung aus Verletzung einer Überprüfungspflicht ist zu verneinen. Dass Händler im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, eigene kostspielige Versuche zur Prüfung der Tauglichkeit einer Ware vorzunehmen und sich insoweit regelmäßig auf die bekannt gegebenen Hinweise der Produzenten verlassen dürfen, sofern ihnen nicht aufgrund bereits bekannt gewordener Schadensfälle Zweifel kommen müssen (vgl RIS-Justiz RS0023638), gilt grundsätzlich auch für Werkunternehmer (7 Ob 166/06x mwN). Nach den Feststellungen wäre eine Überprüfung der Tauglichkeit der italienischen Wellplatten darüber hinaus nur mit hohen Kosten möglich gewesen und der Beklagten waren im Zeitpunkt der Verlegung auch keine Schadensfälle bekannt, die Zweifel aufkommen lassen mussten.

Da es somit der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzung nicht bedarf, ist in der Sache selbst zu entscheiden, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird (§ 519 Abs 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 43 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Im Hinblick auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils in der Hauptsache ist vom Revisionsgericht über den Kostenrekurs der Beklagten zu entscheiden (RIS-Justiz RS0036069 [T1]). Kosten für die Äußerung zum Beweissicherungsantrag sind schon deshalb nicht zu ersetzen, weil sie sich in einer Zustimmung zum Antrag erschöpft. Der Schriftsatz vom 28. 8. 2008 war im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Tagsatzung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Daraus folgt ein Zuspruch von 12.340,80 EUR (statt des begehrten von 13.773,60 EUR) gegenüber jenem von nur 8.572,32 EUR durch das Erstgericht. § 11 RATG ist jedenfalls anzuwenden, weil der Rechtsmittelwerber keine Berufung in der Hauptsache, sondern lediglich Kostenrekurs erhob (RIS-Justiz RS0122796). Bei einer Bemessungsgrundlage von demnach 5.201,28 EUR bedeutet die Abänderung ein Obsiegen der Beklagten mit dem zweiseitigen Rekurs im Ausmaß von 72,5 %. Unter Berücksichtigung des Teilerfolgs des Klägers mit seiner Beantwortung sind der Beklagten 45 % der von ihr verzeichneten Rekurskosten (das sind 134,81 EUR) zuzusprechen (ebenso schon Oberlandesgericht Wien RIS-Justiz RS0000364).

Textnummer

E96006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00158.10G.1215.000

Im RIS seit

20.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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