TE OGH 2010/12/16 9Bs448/10s

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Veröffentlicht am 16.12.2010
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Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Rotter als Vorsitzenden und die Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Haißl und Mag.Ohrnhofer in der Strafvollzugssache des Peter J***** wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe nach § 46 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 9. November 2010, 2 BE 356/10h-7, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

              Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

              Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§§ 17 Abs 3 StVG, 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung:

Der am ***** geborene ungarische Staatsangehörige Peter J***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Juli 2008, 124 Hv 37/08g, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 6. Februar 2009, 31 BE 5/09w, wurde nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe eine bedingte Entlassung abgelehnt, jedoch gemäß § 133a StVG vorläufig vom Vollzug des Restes der Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen eines bestehenden Aufenthaltsverbotes abgesehen. Peter J***** ist in der Folge allerdings unter Missachtung des Aufenthaltsverbotes wieder nach Österreich eingereist; nunmehr wird die restliche Strafe vollzogen.

Weiters wurde Peter J***** mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 25. März 2009, 10 Hv 31/09v, abgeändert durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 30. Juni 2009, 11 Bs 206/09s, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die er nunmehr auch verbüßt.

Peter J***** verbüßt derzeit – entgegen der Darstellung im angefochtenen Beschluss – nicht zwei Jahre und sechs Monate an Freiheitsstrafen, sondern ein Jahr („Reststrafe“) und sechs Monate (aus der oben angeführten weiteren Freiheitsstrafe).

Rechtliche Beurteilung

Eine gesetzliche Grundlage für eine – den Verurteilten bei der Berechnung der Stichtage für eine bedingte Entlassung begünstigende – Berücksichtigung des vor der Gewährung des § 133a StVG bereits vollzogenen Strafteiles ist nicht gegeben:

Nach § 46 Abs 5 StGB ist, wenn ein Verurteilter mehrere Freiheitsstrafen, Strafteile oder Strafreste verbüßt, ihre Gesamtdauer nur dann maßgebend, sofern sie unmittelbar nacheinander verbüßt oder lediglich durch Zeiten unterbrochen werden, in denen er sonst auf behördliche Anordnung angehalten wird oder ein Zusatzstrafenverhältnis vorliegt. Die ein Rechtsinstitut sui generis (so 12 Os 131/08v) darstellende Maßnahme des §133a StVG ist auch nicht als Fall einer zu berücksichtigenden Unterbrechung der Freiheitsstrafe (siehe dazu Jerabek in WK-StPO § 46 Rz 11) zu werten. Nach § 133a Abs 5 letzter Satz StVG idgF ist, wenn der Verurteilte seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder er während der Dauer des Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet zurückkehrt, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wieder in Haft zu nehmen und in die nächstgelegene Justizanstalt zu überstellen. Der in der ursprünglichen Fassung des § 133a Abs 5 StVG (BGBl I Nr. 52/2009) noch enthaltene Satzteil „und die die Reststrafe zu vollziehen“ ist zwar in der novellierten aktuellen Fassung (BGBl I Nr. 142/2009) nicht mehr enthalten, allerdings ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass die Novellierung aufgrund eines als unklar empfundenen Verweises auf § 106 StVG erfolgt ist; in den Gesetzesmaterialien wird zudem ausdrücklich festgehalten, dass in § 133a Abs 5 StVG bestimmt wird, dass der Rest der Strafe zu vollziehen ist (vgl 487 der Beilagen XXIV. GP Seite 10).

Es liegt also der Vollzug eines Strafrestes vor, bei dem mangels eines der in § 46 Abs 5 StGB genannten Fälle eine Zusammenrechnung des Strafrestes und des vor dem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug bereits verbüßten Freiheitsstrafteiles für die Berechnung der Stichtage nicht zu erfolgen hat. Anzumerken ist, dass für das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke insofern kein Anhaltspunkt besteht, als gleichzeitig mit der zitierten Novellierung des § 133a Abs 5 StVG auch § 46 Abs 5 StGB novelliert wurde.

Im vorliegenden Fall errechnet sich daher der Zwei-Drittel-Stichtag nicht wie im angefochtenen Beschluss bzw in der Vollzugsinformation der Justizanstalt (in der im Übrigen der ursprünglich bereits verbüßte Teil der Strafhaft unrichtig unter den „anrechenbaren Vorhaften“ ausgewiesen wird) angeführt mit 11. Dezember 2010, sondern mit 11. April 2011.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landesgericht für Strafsachen Graz - übereinstimmend mit den Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Anstaltsleitung - eine bedingte Entlassung des Peter J***** aus spezialpräventiven Gründen abgelehnt.

Zum Inhalt der beiden Schuldsprüche, der Situation des Verurteilten sowie zur maßgeblichen Bestimmung des § 46 Abs 1 StGB wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss (Seite 2ff) verwiesen.

Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass im vorliegenden Fall spezialpräventive Gründe einer bedingten Entlassung des Peter J***** entgegenstehen, ist zutreffend. Bei dem nunmehr im 39. Lebensjahr stehenden Beschwerdeführer, der neben den angeführten Verurteilungen in Österreich - laut der ungarischen Strafregisterauskunft - zumindest weitere 18 Verurteilungen, insbesondere wegen Vermögens- und Gewaltdelikten, in Ungarn aufweist und nach seinen eigenen Angaben etwa zehn Jahre im Gefängnis zugebracht hat (siehe dazu das Protokoll vom 9. November 2010, ON 6), kann keine Prognose dahingehend gestellt werden, dass er auch unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Vor dem Hintergrund der bisherigen völligen Missachtung strafrechtlicher Sanktionen, insbesondere der Wirkungslosigkeit wiederholter Strafvollzüge, ist vielmehr konkret zu befürchten, dass er in Freiheit neuerlich strafbare Handlungen begehen werde, weshalb es schon deshalb des weiteren Vollzuges bedarf.

Soweit der Verurteilte in seinen Beschwerdeausführungen vorwiegend auf familiäre und gesundheitliche Probleme Bezug nimmt, ist festzuhalten, dass derartige Umstände - soweit ihnen wie im gegenständlichen Fall nicht im Rahmen der zu erstellenden Prognose nach § 46 Abs 1 StGB relevante Bedeutung zukommt - bei der Beurteilung der bedingten Entlassung nicht beachtlich sind.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 9

Textnummer

EG00075

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2010:0090BS00448.10S.1216.000

Im RIS seit

02.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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