TE OGH 2010/12/17 6Ob228/10p

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Veröffentlicht am 17.12.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Kropiunig, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die Antragsgegnerin B*****gmbH, *****, vertreten durch Mag. Martin Meier, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 22. September 2010, GZ 6 R 84/10k-18, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. April 2010, GZ 13 Cg 110/09y-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Aufgrund einer zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Schiedsvereinbarung wurde zwischen diesen ein Schiedsgerichtsverfahren abgehalten. Ein Verfahren für die Ablehnung eines Schiedsrichters wurde nicht vereinbart. Mit Schiedsspruch vom 28. 10. 2009 wurde das von der Antragstellerin erhobene Klagebegehren abgewiesen.

Am 11. 11. 2009 stellte die Antragstellerin beim Erstgericht den Antrag auf Feststellung, dass der von der Antragsgegnerin nominierte Schiedsrichter Dr. K***** K***** befangen, in eventu ausgeschlossen gewesen sei. Dieser werde von ihr gemäß § 589 ZPO abgelehnt, weil der Antragstellerin erst nach Fällung des Schiedsspruchs Umstände bekannt geworden seien, welche geeignet seien, dessen Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Gleichzeitig brachte die Antragstellerin beim Schiedsgericht einen Ablehnungsantrag gegen den Schiedsrichter Dr. K***** K***** ein. Die ehemaligen Schiedsrichter teilten der Antragstellerin darauf hin mit, dass ihr Amt als Schiedsrichter beendet sei; eine Entscheidung über den Ablehnungsantrag seitens des Schiedsgerichts erging nicht.

Beim Erstgericht ist außerdem zu 16 Cg 283/09h eine Aufhebungsklage anhängig.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Eine Sachentscheidung des Gerichts über die Ablehnung nach § 589 Abs 3 ZPO könne nicht ergehen, weil im vorliegenden Fall keine Entscheidung des Schiedsgerichts über die Ablehnung eines seiner Mitglieder vorliege. Im Übrigen könnten aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens Ablehnungsgründe, von denen die Schiedspartei erst nach Beendigung des Schiedsverfahrens Kenntnis erlangt habe, grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden. Eine Anfechtung sei nur im Rahmen eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public möglich. Weder die ehemalige, Jahre zurückliegende Tätigkeit des Antragsgegnersvertreters in der Kanzlei des Schiedsrichters Dr. K***** K***** noch die Mitgliedschaft des Schiedsrichters Dr. K***** K***** im Aufsichtsrat einer Großmuttergesellschaft der Antragsgegnerin würden ausreichen, eine derartige Schwere und Eindeutigkeit darzustellen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Amt der Schiedsrichter ende gemäß § 608 Abs 3 ZPO mit der Verfahrensbeendigung. Aus diesem Grund komme ein Verfahren nach § 589 Abs 2 und Abs 3 ZPO nicht mehr in Betracht. Ablehnungsgründe, von denen die Schiedspartei erst nach Beendigung des Schiedsverfahrens Kenntnis erlange, könnten aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen nach ergangenem Schiedsspruch bei nachträglich hervorgekommenen Ablehnungsgründen eine Anrufung des Gerichts möglich sei, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat zur Rechtslage vor dem SchiedsRÄG klargestellt, dass eine erst nach Fällung des Schiedsspruchs hervorgekommene (angebliche) Befangenheit eines Schiedsrichters iSd § 19 Z 2 JN nicht mit Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann (7 Ob 314/04h).

2. Mit dem SchiedsRÄG 2006 wurde das Ablehnungsverfahren in Anpassung an Art 13 des UNCITRAL-Modellgesetzes und § 1037 der deutschen ZPO neu geregelt. Gemäß § 589 ZPO haben nunmehr die Parteien, sofern sie für die Ablehnung des Schiedsrichters nichts vereinbart haben, die Ablehnungsgründe innerhalb von vier Wochen schriftlich unter Angabe der Ablehnungsgründe beim Schiedsgericht geltend zu machen. Bei einer negativen Entscheidung kann in weiterer Folge das Gericht angerufen werden. Ob ein erst nach Fällung des Schiedsspruchs hervorgekommener Ablehnungsgrund mit Aufhebungsklage geltend gemacht werden kann, ist im Schrifttum strittig (vgl Zeiler, Schiedsverfahren § 589 ZPO Rz 14; Pitkowitz, Die Aufhebung von Schiedssprüchen Rz 294; Rechberger/Melis in Rechberger, ZPO³ § 611 Rz 7; Hausmaninger in Fasching/Konecny² IV/2 § 589 Rz 42 und § 611 Rz 160; Reiner, Das neue österreichische Schiedsrecht § 611 ZPO Rz 199).

3. Inwieweit die von der Antragstellerin behaupteten Ablehnungs- bzw Ausschlussgründe im Aufhebungsverfahren geltend gemacht werden können, ist im vorliegenden Verfahren, in dem lediglich über den von der Antragstellerin gestellten Ablehnungsantrag zu entscheiden ist, nicht zu beurteilen. Dass - wie die Revisionsrekurswerberin vermeint - eine diesbezügliche klare Stellungnahme für sie im weiteren Verfahren „von Vorteil“ wäre, vermag daran nichts zu ändern.

4. Aus dem Zusammenhalt des § 589 Abs 2 und Abs 3 ZPO mit § 608 ZPO ergibt sich, dass nach Fällung eines Schiedsspruchs ein Ablehnungsverfahren nicht mehr in Frage kommt, weil mit Erlassung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren und auch das Amt der Schiedsrichter grundsätzlich beendet sind. Auch nach Auffassung der Lehre kann die Ablehnung gemäß § 589 ZPO nur während des laufenden Schiedsverfahrens geltend gemacht werden (Hausmaninger aaO § 589 Rz 37). Dies entspricht - entgegen den Behauptungen der Revisionsrekurswerberin - auch der Rechtslage in Deutschland. Auch zu § 1037 der deutschen ZPO entspricht es ganz herrschender Auffassung, dass nach Erlass des Schiedsspruchs grundsätzlich kein Raum mehr für die Ablehnung besteht (Geimer in Zöller, ZPO28 [2010] § 1037 Rz 4 und 7). Dort wird vielmehr vertreten, dass die ablehnende Partei nach Erlass des Schiedsspruchs bekannt gewordene Ablehnungsgründe nur ausnahmsweise im Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend machen könne, wenn ein besonders schwerwiegender und eindeutiger Fall von Befangenheit vorliege (BGH MDR 1999, 755; OLG München OLG R 2007, 361; Geimer aaO Rz 7). Für die Zulässigkeit des von der Antragstellerin gestellten Ablehnungsantrags im derzeitigen Verfahrensstadium lässt sich daraus aber nichts ableiten.

5. Die Entscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E95945

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00228.10P.1217.000

Im RIS seit

13.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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