TE OGH 2010/12/21 12Os164/10z

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Veröffentlicht am 21.12.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schilhan als Schriftführerin in der Strafsache gegen M***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 22. Juni 2010, GZ 36 Hv 33/10y-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Strafsache an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde M***** des Verbrechens des (richtig:) Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „am 25. April 2008 in E***** als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Überprüfung der Umwelt-, Verkehrs- sowie Betriebstauglichkeit von Kraftfahrzeugen zu schädigen, für den Pkw der Marke Ford Escort ein unrichtiges Gutachten gemäß § 57a Abs 4 KFG 1967 erstellte, wobei er die Umwelt-, Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs feststellte, obwohl dieses derart massive Durchrostungen aufwies, dass diese Bestätigung der Verkehrs- und Betriebssicherheit zu verweigern gewesen wäre.“

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten dagegen gestützt auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5) zeigt zutreffend auf, dass die Urteilsannahme, die am zu begutachtenden Pkw „auf den Längsträgern links und rechts hinten“ vorhandenen „massiven Durchrostungen“ (welchen zufolge das Fahrzeug nicht mehr der Verkehrs- und der Betriebssicherheit entsprochen habe; vgl US 4) wären „bereits im Begutachtungszeitpunkt“ vorgelegen und „bei korrekter Überprüfung eindeutig erkennbar“ gewesen (US 5), mit formalen Begründungsmängeln behaftet ist, weil sich die seitens des Erstgerichts zur Erkennbarkeit der Rostschäden durch den Angeklagten erfolgte Begründung (ua) auch auf die Aussage des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen A***** (dem Vorbesitzers des Pkws) stützte, diese im aber Urteil verkürzt - und insoweit, weil damit einen anderen Inhalt unterstellend, aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall; vgl RIS-Justiz RS0099431 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467) - wiedergegeben wurde. Denn das sinngemäße Zitat in den Entscheidungsgründen (vgl US 7: „der Zeuge A***** gab an, … er habe bereits im Jänner oder Februar 2009 Rostaufquellungen beim Heckscheibenwischer und an zwei Stellen links und rechts an den Längsträgern bemerkt …, welche er mit dem Schraubenzieher überprüfte und nach leichtem Draufschlagen mit der Handfläche auch durchstoßen konnte, worauf er sie in weiterer Folge mit einem Hammer vergrößerte“), subintellegiert das Vorhandensein bereits damals offenkundiger, zumindest ohne Demontage sonstiger Teile erkennbarer Rostschäden, womit die gegen eine solchen Annahme sprechenden Hinweise des Zeugen unerwähnt bleiben, er habe dies erst „dann gesehen, nachdem wir den Tank so halb zur Seite geschoben“ haben und er „herumgestochert habe“, dies sei „unter dem Tank“ gewesen (S 7 in ON 20), er „habe ein paar Klopfer gemacht, den Tank zur Seite geschoben und dort … gesehen, dass eben eine größere ‘Rostbletschn’ war“ (S 10 in ON 20).

Der zu Recht geltend gemachte Widerspruch zwischen dem Inhalt der in der Hauptverhandlung protokollierten Aussage des Zeugen A***** und ihrer Wiedergabe im Urteil ist insoweit erheblich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 466), als die Schlussfolgerung der Tatrichter, „diese massiven Durchrostungen“ wären „schon […] im April 2008 vorhanden und bei ordnungsgemäßer Überprüfung des Fahrzeugs auch zu bemerken“ gewesen, (ua) auch mit den Depositionen dieses Zeugen begründet wurde (US 8). Die übergangenen Teile seiner Aussage waren somit geeignet, sich auf die Lösung der Schuldfrage, nämlich auf die - hier allein entscheidungswesentliche (vgl RIS-Justiz RS0096721) - Beantwortung der Frage auszuwirken, ob „der Angeklagte […] die erforderliche umfassende und entsprechend sorgfältige Untersuchung des zu begutachtenden Fahrzeugs wissentlich nicht vorgenommen“ hatte (US 5), weshalb sie im Zuge der beweiswürdigenden Widerlegung der Verantwortung des Beschwerdeführers (wonach der betreffende Pkw zum Zeitpunkt der Überprüfung zwar verrostet gewesen sei, er aber „sonst keine Durchrostungen an der Karosserie [habe] erkennen können“; siehe US 6) zu erörtern (Z 5 zweiter Fall) gewesen wären (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 466).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Damit war auf die übrigen Einwände des Nichtigkeitswerbers nicht mehr weiter einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96159

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00164.10Z.1221.000

Im RIS seit

16.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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