TE OGH 2011/1/11 40R231/10g

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Veröffentlicht am 11.01.2011
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Das Landesgericht für ZRS Wien als Rekursgericht fasst durch die Richter des Landesgerichtes HR Dr. Garai als Vorsitzenden sowie Dr. Richter-Cermak und Mag. Dr. Hörmann in der Exekutionssache der betreibenden Partei Silvia E*****, D-82031 Grünwald-München, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in 1060 Wien, wider die verpflichtete Partei Dr. Armin R***** Wien, wegen zwangsweiser Räumung, infolge Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15. November 2010, 58 E 215/10v-5, den

B e s c h l u s s :

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:

"Der betreibenden Partei wird aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Versäumungsurteils des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6. April 2010, 58 C 104/10i-3, die Exekution durch zwangsweise Räumung der Wohnung Nr. 4 im Hause F***** Wien, bewilligt.

Die Kosten der betreibenden Partei für den Antrag auf Bewilligung der zwangsweisen Räumung werden mit € 242,50 (darin enthalten € 26,42 USt und € 84,-- Barauslagen) bestimmt und der verpflichteten Partei die Zahlung dieser Kosten binnen 14 Tagen auferlegt."

Die Androhung der Verwertung nach § 349 Abs 2 EO bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die mit € 280,75 (darin enthalten € 46,79 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu bezahlen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt € 5.000,--, nicht aber € 30.000,--).

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Betreibenden auf Bewilligung der zwangsweisen Räumung ab. Das Versäumungsurteil sei dem Verpflichteten am 13. April 2010 durch Hinterlegung zugestellt worden. Die 14-tägige Leistungsfrist habe am 27. April 2010 geendet, sodass es den am 9. November 2010 eingelangten Antrag auf Bewilligung der zwangsweisen Räumung als nicht innerhalb der 6-monatigen Frist des § 575 Abs 2 ZPO eingebracht erachtete.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Betreibenden, der berechtigt ist.

§ 575 Abs 2 ZPO lautet:

"Eine gerichtliche Kündigung oder ein Auftrag zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstands, wider welche nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben wurden, desgleichen die über solche Einwendungen ergangenen rechtskräftigen Urteile treten, vorbehaltlich des über den Kostenersatz ergangenen Ausspruchs, außer Kraft, wenn nicht binnen sechs Monaten nach dem Eintritt der in diesen Aufträgen oder im Urteil für die Räumung oder Übernahme des Bestandgegenstands bestimmten Zeit wegen dieser Räumung oder Übernahme Exekution beantragt wird." Dies bedeutet, dass im Fall nicht rechtzeitiger Antragstellung der Vollstreckungsanspruch des Betreibenden erlischt.

Die den Exekutionsverfahren zuzuordnende verfahrensrechtliche Frist des § 575 Abs 2 ZPO knüpft nach herrschender Auffassung nicht an den Zeitpunkt der Rechtskraft des Exekutionstitels, sondern an den Ablauf der Leistungsfrist an (RIS-Justiz RS0044978). Sie beginnt somit erst zu laufen, wenn die Vollstreckung möglich geworden ist und ist von Amts wegen wahrzunehmen. Dass die Frist des § 575 Abs 2 ZPO erst zu laufen beginnt, wenn die Vollstreckung möglich ist, ist allerdings nicht so zu verstehen, dass der Lauf der Frist auch dann mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckbarkeit beginnt, wenn - wie hier - Vollstreckbarkeit und Rechtskraft des Exekutionstitels zeitlich auseinander fallen. Der Wortlaut des § 575 Abs 2 ZPO ("die über solche Einwendungen ergangenen rechtskräftigen Urteile ...") spricht dafür, dass der Gesetzgeber den Lauf der Frist des § 575 Abs 2 ZPO nicht vor Eintritt der Rechtskraft des zugrundeliegenden Exekutionstitels beginnen lassen wollte.

Auch der Zweck der Regelung des § 575 Abs 2 ZPO spricht für die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung. Dem Bestandnehmer, der das Bestandobjekt nach Entscheidung weiter benützt, soll binnen angemessener (6-monatiger) Frist Klarheit verschafft werden, ob der Bestandgeber den sich aus dem Titel ergebenden Räumungsanspruch gegen ihn durchsetzt (3 Ob 179/07f). Solange aber der Exekutionstitel nicht in Rechtskraft erwachsen ist, kann der Bestandnehmer aus einem "Untätigbleiben" des Bestandgebers ab Eintritt der Vollstreckbarkeit (Ablauf der Leistungsfrist) nicht ernstlich ableiten, der Bestandgeber wolle von dem noch nicht rechtskräftigen Titel keinen Gebrauch machen.

Mit anderen Worten: Die 6-Monatsfrist des § 575 Abs 2 ZPO beginnt mit Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Räumungstitels (so schon MietSlg 58.712).

Das Versäumungsurteil wurde dem Verpflichteten am 13. April 2010 zugestellt, mangels Erhebung eines Rechtsmittels ist die Rechtskraft mit Ablauf des 11. Mai 2010 eingetreten, sodass der am 9. November eingelangte Exekutionsantrag rechtzeitig innerhalb der 6-monatigen Frist des § 575 Abs 2 ZPO erfolgte. Dem Rekurs war daher Folge zu geben, die zwangsweise Räumung zu bewilligen und dem Verpflichteten die tarifmäßig verzeichneten Kosten des Exekutionsantrages aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil die hier zu erörternde Rechtsfrage im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.7.2009, 3 Ob 76/09m, gelöst wurde.

Textnummer

EWZ0000160

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00003:2011:04000R00231.10G.0111.000

Im RIS seit

24.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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