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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des am 26. Juli 1977 geborenen AK, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. November 1998, Zl. 205.278/0-XI/35/98, betreffend die §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reiste am 17. August 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 19. August 1998 einen Antrag auf Asylgewährung. Anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab er an, Staatsbürger von Sierra Leone zu sein und in einer Stadt namens Bo gewohnt zu haben. Im Mai 1998 sei er von vier Soldaten verhaftet und in ein Lager transportiert worden. Bereits während der Fahrt, aber auch während seiner Gefangenschaft sei er mit Gewehrkolben geschlagen und von den Soldaten mit Füßen getreten worden. Die Soldaten hätten ihn beschuldigt, ein Rebell zu sein, und hätten ihm gedroht, ihn deswegen anzuklagen, sodass er entweder mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder mit dem Tod zu rechnen gehabt hätte. Er sei in einer großen Zelle gemeinsam mit etwa 100 anderen Gefangenen eingesperrt, aber nie eines Deliktes angeklagt oder vernommen worden. Er sei weder politisch aktiv gewesen noch gehöre er einer politischen Partei an. Er vermute, dass er zu Unrecht der Rebellion beschuldigt worden sei, weil er dem Stamm der Limba angehöre. Dies deswegen, weil viele Angehörige des Stammes der Limba den Politiker Koroma, der mittlerweile im März 1998 gestürzt worden sei, bei der seinerzeitigen Wahl unterstützt hätten. Sein Vater und sein jüngerer Bruder hätten ihm durch Bestechung eines Wächters die Flucht aus dem Gefängnis Ende Juli 1998 ermöglicht. Sein Vater und sein Bruder seien als Angehörige des Stammes der Limba vermutlich deshalb nicht verhaftet worden, weil er (der Beschwerdeführer) als Familienoberhaupt angesehen worden sei.
In der Folge sei der Beschwerdeführer nach einem kurzen Aufenthalt bei seinem Vater mit einem Boot zu einer Insel namens Sherbro gefahren und hätte dort mit Hilfe eines Österreichers flüchten können. Er müsse für den Fall seiner Rückkehr nach Sierra Leone mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder mit einer Verurteilung zum Tode rechnen.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 2. September 1998 den Antrag gemäß § 7 Asylgesetz, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone gemäß § 8 AsylG für zulässig. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig und daher nicht geeignet gewesen sei, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft zu machen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz und versuchte, die ihm vorgehaltenen "Unwahrscheinlichkeiten" seiner Fluchtgründe zu entkräften. Schließlich brachte er auch vor, die Behörde habe es unterlassen, amtswegige Ermittlungen über die Situation der Stammensangehörigen der Limba durchzuführen.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 1998 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, laut Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. September 1998 seien die erkennungsdienstlich behandelten Fingerabdrücke des Beschwerdeführers ident mit Fingerabdrücken, welche von einem gewissen Bat Christ, geboren am 26. Februar 1967 in Lagos/Nigeria, am 17. September 1995 in Paris wegen Suchtgiftschmuggels aufgenommen worden seien und welcher sich zum damaligen Zeitpunkt mit einem britischen Reisepass, lautend auf Wilshaw Simon, ausgewiesen habe. Laut Auskunft des Bundesministeriums für Inneres vom 18. September 1998 sei jener genannte Bat Christ am Flughafen in Paris festgenommen worden, als er versucht habe, ca. 1,7 kg Kokain von Südamerika via Paris nach Österreich und/oder Deutschland zu schmuggeln.
In seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 1998 bestritt der Beschwerdeführer, im September 1995 in Paris gewesen zu sein. Er habe niemals einen zweiten Namen gehabt und sei auch niemals auf französischem Boden gewesen. Die Untersuchung der Fingerabdrücke müsse auf einer Verwechslung bzw. auf einer ungenauen Auswertung beruhen.
In weiterer Folge stellte die belangte Behörde an die Bundespolizeidirektion Wien ein Ersuchen um Erstellung eines Gutachtens über die Identität der genannten Fingerabdrücke. Diese neuerliche Überprüfung der Fingerabdrücke ergab - so der Inhalt der gutachtlichen Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. November 1998 -, dass es sich auf Grund der anatomischen Merkmale bzw. nach der Form und Lage der Fingerabdrücke "einwandfrei um die gleiche Person handle".
Dies bestritt der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20. November 1998 und wies noch einmal darauf hin, nie in Paris gewesen zu sein. Dies mache schon aus dem Grund keinen Sinn, weil er nicht in seine Heimat zurückgekehrt wäre, wäre er bereits in Paris gewesen, um anschließend nach seiner Rückkehr in seine Heimat nach Österreich zu fliehen. Ebenso wenig seien ihm die Namen Bat Christ oder Oliver Wilshaw ein Begriff. Es gebe hinsichtlich der durchgeführten Vergleiche der Fingerabdrücke aber einen Unsicherheitsfaktor, weil zum einen nicht ersichtlich sei, ob es zu einer mikroskopischen Feinauswertung gekommen sei, und zum anderen deshalb, weil auf Grund der Tatsache, dass es sich bei den Fingerabdrücken um Fotokopien handle, einzelne der unter Punkt 1 bis 12 angezeigten Striche gar nicht bis zum offensichtlichen Markierungspunkt "zurück verfolgt" werden könnten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und erklärte gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 des FrG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone für zulässig. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei. Die Glaubwürdigkeit sei deshalb zu verneinen, weil der Berufungswerber unter anderen als dem im vorliegenden Asylverfahren genannten Namen bereits in Paris erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Der Beschwerdeführer sei dem im Verfahren erstellten kriminaltechnischen Gutachten, welches der Behörde schlüssig und nachvollziehbar erscheine und durch in Augenscheinnahme der Fingerabdruckkopien bestätigt werde, nicht auf selber fachlicher Ebene entgegen getreten. Der Beschwerdeführer habe lediglich betont, nie in Paris gewesen zu sein. Die Behörde habe daher von der Richtigkeit des Gutachtens ausgehen können und dieses der Entscheidung zu Grunde legen können. Wenn der Beschwerdeführer vorgebracht habe, die Verbindungspfeile auf der Kopie seien nicht erkennbar gewesen, so hätte er sich im Wege der Akteneinsicht diesbezüglich kundig machen können.
Demzufolge ergebe sich zunächst, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, seine Identität glaubhaft zu machen. Dadurch werde auch die Glaubwürdigkeit der übrigen Ausführungen des Beschwerdeführers, die angeblich zu seiner Flucht geführt hätten, massiv erschüttert. Die belangte Behörde schließe sich der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers der Behörde erster Instanz an. Mit näherer Begründung führte die belangte Behörde weiters aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone deswegen zulässig sei, weil auch eine Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG nicht hinreichend erfolgt sei. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe Abstand genommen werden können, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung zur Beurteilung ausreichend geklärt sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 7 Asylgesetz hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungsgründe oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Im vorliegenden Fall geht die belangte Behörde von der fehlenden Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe des Beschwerdeführers aus und stützt ihre Beweiswürdigung in erster Linie auf den Umstand, dass auf Grund eines kriminaltechnischen Gutachtens die Identität des Beschwerdeführers mit einem in Paris aufgegriffenen Suchtgiftschmuggler feststünde, was das Zutreffen seiner Identität und seiner Fluchtgründe unglaubwürdig mache.
Der Beschwerdeführer stützt sein Beschwerdevorbringen darauf, dass kein taugliches Sachverständigengutachten vorliege, insbesondere weil kein Vergleich des Berichtes des kriminaltechnischen Erkennungsdienstes mit seiner erkennungsdienstlichen Befundung durch einen Sachverständigen stattgefunden habe und darüber hinaus keine mikroskopische Feinauswertung durchgeführt worden sei.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass sich die gutachtliche Stellungnahme des Sachverständigen der Bundespolizeidirektion Wien (Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung) vom 7. November 1998 inhaltlich mit dem Vergleich des Ergebnisses der erkennungsdienstlichen Behandlung des Asylwerbers am 20. August 1998 in Traiskirchen mit dem anlässlich des Vorfalles in Paris am 17. September 1995 abgenommenen und an die Bundespolizeidirektion Wien übermittelten Fingerabdruck befasste und unter Beifügung der Ablichtungen der Fingerabdrücke mit den Verbindungslinien 1-12 zum Ergebnis der Identität der Fingerabdrücke gelangte. Die Identität der Fingerabdrücke zeigte sich dabei nach Feststellung des Sachverständigen "einwandfrei" bereits beim Vergleich der anatomischen Merkmale bzw. nach Form und Lage der Fingerabdrücke; dies wurde durch die Verbindungslinien, die im Gutachten ohne Schwierigkeiten bis an die Ausgangspunkte zurückverfolgt werden können, in jedem der beiden Abdrücke auch augenscheinlich dargestellt.
Der Beschwerdeführer bestritt die solcherart dargestellte Identität der Fingerabdrücke im Verwaltungsverfahren nur mit dem Vorbringen, dass nicht klar sei, ob eine feinmikroskopische Auswertung vorgenommen worden sei; warum die im Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen ohne diese Ergänzung in seinem Fall unzutreffend seien, wurde nur mit einem Hinweis auf ein angeblich bestehendes, nicht näher erläutertes "Fehlerkalkül", das nicht zu seinen Ungunsten gehen sollte, begründet. Auf gleicher fachlicher Ebene wurde aber kein Vorbringen erstattet, das die Unschlüssigkeit des Gutachtens oder die Notwendigkeit seiner Ergänzung aufzeigte. Die belangte Behörde war daher nicht verpflichtet, eine Ergänzung des Gutachtens oder - wie vom Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde gefordert - durch Einholung eines weiteren Gutachtens zu veranlassen.
Die Beweiswürdigung ist nach ständiger Rechtsprechung ein Denkprozess, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um dessen Schlüssigkeit oder darum handelt, ob die Beweise, die dabei gewürdigt werden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit. Die vorliegende Beweiswürdigung, in welcher in erster Linie ausgehend von der Absicht des Beschwerdeführers, die Asylbehörden hinsichtlich seiner Identität bzw. seiner früheren Aufenthalte in Europa zu täuschen, auf eine Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe des Beschwerdeführers geschlossen wird, kann aber nicht als unschlüssig erkannt werden.
Der belangten Behörde ist zwar ein Verfahrensmangel anzulasten, weil im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß der Verfahrensvorschrift des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG schon deswegen nicht vorlagen, weil die belangte Behörde selbst ein Ermittlungsverfahren durchführte und gestützt auf dessen Ergebnisse zusätzliche, neue Sachverhaltsfeststellungen traf, wobei der Beschwerdeführer auch die erstinstanzliche Beweiswürdigung ausdrücklich rügte. Jedoch ist weder aus den oben dargelegten Gründen offensichtlich, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, noch ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen selbst eine Relevanz des Verfahrensmangels, weil der Beschwerdeführer nicht ausführt, dass bzw. in welcher Weise er im Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der dabei möglichen Erörterung des Gutachtens die Schlüssigkeit des Gutachtens erschüttert hätte.
Konnte die belangte Behörde aber von der fehlenden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und der Fluchtgründe sowie seiner Darstellung einer Gefährdungssituation nach § 57 Abs. 1 FrG 1997 ausgehen, so erweist sich die Abweisung des Asylantrages und die Feststellung nach § 8 AsylG als frei von Rechtsirrtum.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Februar 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998200594.X00Im RIS seit
20.04.2001