TE OGH 2011/1/12 6Ob2/11d

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Veröffentlicht am 12.01.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin T***** K*****, Schweiz, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in Feldkirch als Verfahrenshelfer, gegen den Antragsgegner T***** K*****, vertreten durch Dr. Arnold Trojer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Rückführung nach dem HKÜ, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. Dezember 2010, GZ 3 R 404/10z-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach der derzeitigen Aktenlage befindet sich die am 31. 10. 2006 ehelich geborene Joelle - nach dem hier maßgeblichen (1 Ob 614/90 SZ 63/131; 1 Ob 167/08b iFamZ 2009/52 [Pesendorfer] = EF-Z 2009/62 [Nademleinsky]) Schweizer Recht - in der Obhut der Mutter (Antragstellerin); dem Vater (Antragsgegner) steht ein Besuchsrecht alle 14 Tage zu. Nach einem Besuchstermin Anfang Oktober 2010 brachte der Vater die Minderjährige nicht mehr zur Mutter in die Schweiz zurück. Damit ist ein nach den Bestimmungen des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ), BGBl 512/1988, zu beurteilender Entführungsfall gegeben.

2. Aufgrund des seit 1. 1. 2010 in Geltung stehenden § 111a AußStrG sind in Verfahren nach dem HKÜ die Bestimmungen des 7. Abschnitts des II. Hauptstücks des Außerstreitgesetzes sinngemäß anzuwenden. Daher ist auch in derartigen Verfahren das entführte minderjährige Kind nach Maßgabe des § 105 AußStrG anzuhören. Damit ist aber die vom Vater in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob das Kind in einem Rückführungsverfahren gehört werden muss, bereits vom Gesetzgeber eindeutig beantwortet.

3. Nach § 105 Abs 2 zweiter Fall AußStrG hat die Befragung des minderjährigen Kindes zu unterbleiben, wenn im Hinblick auf die Verständnisfähigkeit des Kindes offenbar eine überlegte Äußerung zum Verfahrensgegenstand nicht zu erwarten ist. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass diese (negative) Voraussetzung bei einem erst vierjährigen Kind gegeben ist, bedarf keiner Korrektur (vgl in diesem Sinn auch 5 Ob 272/03s zu einem dreijährigen Kind). Auf den vom Vater besonders hervorgehobenen Umstand, dass Joelle gerne bei ihm bleiben würde, kommt es hingegen nicht an (vgl etwa 1 Ob 632/86 EFSlg 52.784; zur Berücksichtigung des Willens des minderjährigen Kindes erst ab etwa dem 12. Lebensjahr vgl 6 Ob 7/10p EF-Z 2010/104; Beck, Kindschaftsrecht [2009] Rz 631 mwN).

4. Den vom Vater gerügten (angeblichen) Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge Nichtbeiziehung eines gerichtlichen Sachverständigen hat bereits das Rekursgericht verneint. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (etwa 4 Ob 298/97w; 5 Ob 47/09m EF 124.526, 124.528) sind in Rückführungsverfahren Sachverständigengutachten grundsätzlich nicht einzuholen.

5. Ob das Kindeswohl durch die Anordnung einer Rückführung iSd Art 13 Abs 1 lit b HKÜ gefährdet ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0112662).

Schlagworte

Familienrecht

Textnummer

E96012

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00002.11D.0112.000

Im RIS seit

21.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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