TE OGH 2011/1/18 4Ob202/10z

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Veröffentlicht am 18.01.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Dr. Daniel Bräunlich Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei N***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Margot Astrid Rest, Rechtsanwältin in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei P***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 14. September 2010, GZ 4 R 165/10b-31, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 4. Juni 2010, GZ 12 Cg 155/09f-26, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin betreibt ein Einkaufszentrum. Die Beklagte hat dort ein Geschäftslokal gepachtet. Nach dem Pachtvertrag ist es dem Pächter untersagt, in einem Umkreis von 4 km um das Einkaufszentrum herum ein gleichartiges oder ähnliches Geschäft zu betreiben. Die Nebenintervenientin verpachtet Geschäftslokale in einem „Outlet-Center“, unter anderem an die Beklagte.

              Die Klägerin beantragt - zusammengefasst -, der Beklagten zu untersagen, entgegen der Konkurrenzklausel, insbesondere im Outlet-Center der Nebenintervenientin, ein gleichartiges oder ähnliches Geschäft zu betreiben. Sie stützt sich dabei auf § 1 UWG. Ihrem dem Klagebegehren entsprechenden Sicherungsbegehren wurde rechtskräftig stattgegeben.

Die Verpächterin des „Outlet-Center“ trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei. Sie stützt ihr rechtliches Interesse an deren Obsiegen darauf, dass ein Erfolg der Klage die Beklagte daran hinderte, ihre Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag mit ihr zu erfüllen.

              Die Klägerin beantragte die Zurückweisung der Nebenintervention. Die Verpächterin habe lediglich ein wirtschaftliches Interesse am Obsiegen der Beklagten.

              Das Erstgericht ließ die Nebenintervention aus den von der Einschreiterin vorgebrachten Gründen zu.

              Das Rekursgericht wies die Nebenintervention zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Ausgang des Rechtsstreits wirke sich nicht auf den Rechtsbestand des Pachtvertrags zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin aus. Deren Interesse am Obsiegen der Beklagten gehe (selbst unter Berücksichtigung einer - durch ein stattgebendes Urteil bewirkten - Verletzung der Betriebspflicht durch die Beklagte) über das bloß wirtschaftliche Interesse, dass das verpachtete Geschäft in der derzeitigen Form weiter betrieben wird, nicht hinaus.

Rechtliche Beurteilung

              Der dagegen von der Nebenintervenientin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinne von § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

              1. Das für eine Nebenintervention erforderliche rechtliche Interesse liegt vor, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits unmittelbar oder mittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Beitretenden rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt (RIS-Justiz RS0035724). Dabei ist zwar kein zu strenger Maßstab anzulegen; es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS-Justiz RS0035638). Ein bloß wirtschaftliches Interesse reicht aber nicht aus (RIS-Justiz RS0035724).

              2. Die Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin, den Betrieb ihres Geschäfts im Outlet-Center zu unterlassen, steht ihrer Betriebspflicht gegenüber der Nebenintervenientin entgegen. Fraglich ist, ob damit bloß ein wirtschaftliches Interesse oder bereits die Rechtssphäre der Nebenintervenientin berührt wird.

              3. In der Rechtsprechung wird ein Eingriff in die Rechtssphäre Dritter regelmäßig verneint, wenn der Antragsgegner durch einstweilige Verfügung zur Unterlassung der Erbringung einer vertraglich geschuldeten Leistung an seinen Vertragspartner verpflichtet wird. So greift nach 4 Ob 112/99w das Verbot der Gewährung von Treuerabatten nur in die Rechtssphäre des Unternehmens ein, das die Rabatte zugesagt hat, nicht aber in die Rechte seiner Vertragspartner. Nach 4 Ob 170/99z greift ein Verbot der Zurverfügungstellung von Geschäftsflächen nicht unmittelbar in die Rechte der Bestandnehmer ein.

              Die Entscheidung 4 Ob 23/06w nimmt ausführlich zur Problematik Stellung, dass ein Vertragspartner mittels eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs an der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten gehindert wird: Ein Verbot der Belieferung greife nicht unmittelbar in die Rechte des Dritten (Vertragspartners) ein; weder werde der Vertrag für nichtig erklärt, noch werde dem Dritten verboten, die Leistung entgegenzunehmen.

              In den Fällen einer relativen, nur gegenüber bestimmten Personen wirkenden Leistungsunmöglichkeit braucht sich der in seinen Rechten verletzte Vertragspartner nicht auf den Schadenersatzanspruch nach § 920 ABGB verweisen lassen, sondern er kann weiterhin Erfüllung verlangen (RIS-Justiz RS0011210).

              4. Im vorliegenden Fall besteht die (allfällige) Unterlassungsverpflichtung der Beklagten nur relativ gegenüber der Klägerin. Der Bestand des Pachtvertrags ist dadurch nicht unmittelbar berührt. Die Beklagte wird nur faktisch an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Nebenintervenientin gehindert, die Unterlassungsverpflichtung beseitigt aber nicht die der Nebenintervenientin gegenüber bestehende vertragliche Verpflichtung. Die Rechtsstellung der Nebenintervenientin wird somit nicht berührt. Dies folgt aus der Relativität der vertraglichen Beziehungen. Eine absolute, gegen jedermann wirkende rechtliche Unmöglichkeit (vgl RIS-Justiz RS0011210 sowie RS0109498 betreffend individuelle oder generelle Hoheitsakte) liegt hier nicht vor.

              Die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach es der Nebenintervenientin am rechtlichen Interesse am Obsiegen der Beklagten mangle, steht mit der zitierten Rechtsprechung im Einklang und stellt keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

              5. Eine vor Zustellung der Mitteilung nach § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO erstattete Beantwortung ist nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0043690).

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E96242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00202.10Z.0118.000

Im RIS seit

16.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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