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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E237 EGV Art237;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2000/19/0078Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerden der am 18. September 1975 geborenen SG in L, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres 1. vom 21. September 1998, Zl. 123.751/2-III/11/98, und 2. vom 28. Februar 2000, Zl. 123.751/14-III/11/99, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde in Stattgebung eines Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin vom 9. Juni 1998 deren als auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewerteten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 4. April 1996 gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde einen am 28. August 1998 gestellten weiteren Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 und § 14 Abs. 2 FrG 1997 ab.
In der Begründung des erstangefochtenen Bescheides wird zunächst die Berechtigung des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin dargelegt. Weiters führte die belangte Behörde aus, auf Grund der nunmehr geltenden Rechtslage sei der Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. April 1996 als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten.
Im zweitangefochtenen Bescheid wird zunächst begründend dargelegt, die Beschwerdeführerin habe am 28. August 1998 bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn Anträge auf "Feststellung des assoziationsintegrierten Aufenthaltsrechtes" und auf Gewährung eines Ausreiseaufschubes sowie einen Eventualantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 13. Oktober 1998 sei der erstgenannte Antrag ab-, die beiden anderen Anträge seien dagegen zurückgewiesen worden. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben, über welche die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. September 1999 entschieden habe. In Ansehung des erstgenannten Antrages sei die Berufung abgewiesen, hinsichtlich des zweitgenannten Antrages zurückgewiesen worden. In Ansehung des Eventualantrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei der Berufung stattgegeben worden und der Bescheid vom 13. Oktober 1998 hinsichtlich der Versagung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgehoben worden.
Mit Ersatzbescheid vom 22. Oktober 1999 habe die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn den Eventualantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen. Dagegen richte sich die mit dem zweitangefochtenen Bescheid abgewiesene Berufung.
Weiters führte die belangte Behörde in den beiden angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleich lautend aus, die Beschwerdeführerin sei nach Stellung ihres Antrages vom 4. April 1996 bei der österreichischen Botschaft in Ankara mit einem Reisevisum (Visum C) mit einer Geltungsdauer vom 1. August 1998 bis 1. September 1998 nach Österreich eingereist. Die Beschwerdeführerin habe am 5. August 1998 in Österreich ein Kind zur Welt gebracht. Seither sei sie in Österreich polizeilich gemeldet und (auch noch im Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen Bescheide) aufhältig. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 sei die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden solle. Dieser Versagungsgrund liege hier vor. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, erübrige sich eine Auseinandersetzung mit den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin, weil bei Vorliegen des in Rede stehenden Versagungsgrundes ein Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht zulässig sei. Im zweitangefochtenen Bescheid wurde darüber hinaus die Anwendung (auch) des Versagungsgrundes nach § 14 Abs. 2 FrG 1997 begründet.
Gegen den erstangefochtenen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 15. Dezember 1999, Zl. B 2097/98-7, ab. Über Antrag der Beschwerdeführerin trat er die Beschwerde mit Beschluss vom 31. Jänner 2000, Zl. B 2097/98-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der ergänzten Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin ebenso wie in ihrer Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten "auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, auf Beachtung ihres von einer behördlichen Erteilung unabhängigen Aufenthaltsrechts nach Assoziations-/Gemeinschaftsrecht, auf richtige und vollständige Sachverhaltsfeststellung sowie auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide sowie deren Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, sie aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, rechtlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:
I. Zur Entwicklung der österreichischen Rechtslage:
Bis zum Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838/1992 (FrG 1992), am 1. Jänner 1993 war die Erteilung von Sichtvermerken im Passgesetz, BGBl. Nr. 422/1969 (PassG), geregelt. § 24 und § 25 PassG lauteten:
"§ 24. (1) Sichtvermerke werden erteilt als
a) gewöhnliche Sichtvermerke
oder
b) Dienstsichtvermerke in Dienstpässe, ...
oder
c) Diplomatensichtvermerke in Diplomatenpässe, ...
...
§ 25. (1) Ein Sichtvermerk kann einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt.
(2) Die Behörde hat bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen.
(3) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
d) die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Aufenthalt
des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde
..."
§ 6 Abs. 1 und 2 sowie § 10 Abs. 1 Z. 6 des am 1. Jänner 1993 in Kraft getretenen FrG 1992 lauteten demgegenüber:
"§ 6. (1) Sichtvermerke werden ausschließlich als
1. gewöhnliche Sichtvermerke;
2. Touristensichtvermerke;
3. Dienstsichtvermerke in Dienstpässen;
4. Diplomatensichtvermerke in Diplomatenpässen
erteilt.
(2) Touristensichtvermerke werden Touristen, Durchreisenden oder solchen Fremden erteilt, die Menschen mit ordentlichem Wohnsitz im Bundesgebiet besuchen wollen.
...
§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen
Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
Am 1. Juli 1993 trat das Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992 (AufG), in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes benötigten Fremde ab dessen Inkrafttreten zur Begründung eines Hauptwohnsitzes grundsätzlich eine besondere Bewilligung. § 3 Abs. 1 AufG räumte Ehegatten von im Inland niedergelassenen Fremden unter näher umschriebenen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, welcher jedoch voraussetzte, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorlag. Die Durchsetzung dieses Rechtsanspruches war darüber hinaus vom Vorhandensein eines freien Quotenplatzes abhängig.
Der die Ausschließungsgründe regelnde § 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
Mit 1. Jänner 1998 trat das Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - in Kraft.
§ 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 und 3, § 10 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 4, § 14 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Z. 3, § 20 Abs. 1, § 22, § 23 Abs. 1, § 30 Abs. 3 und § 112 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 6. (1) Die Einreisetitel (Visa) werden als
...
3. Reisevisum (Visum für den kurzfristigen Aufenthalt,
Visum C)
...
erteilt.
...
§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als
1. Aufenthaltserlaubnis oder
2. Niederlassungsbewilligung
erteilt.
...
(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind
jene, die
1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer
Lebensinteressen haben oder
2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit
an einem Wohnsitz niedergelassen sind,
brauchen außer in den in Abs. 4 genannten Fällen eine
Niederlassungsbewilligung.
...
§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder
Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn
...
2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein
Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;
...
(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. ...
...
§ 14. ...
(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; ...
...
§ 18. (1) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen festzulegen, die
...
3. Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die
sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben,
höchstens erteilt werden dürfen (Niederlassungsverordnung). ...
...
§ 20. (1) Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, ist auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12).
...
§ 22. Eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung darf nur erteilt werden, wenn die für den Fremden samt dem Familiennachzug nach § 21 Abs. 2 erforderlichen Bewilligungen in dem Land der beabsichtigten Niederlassung nach der Niederlassungsverordnung noch zur Verfügung stehen. ...
§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ...
...
§ 30. ...
...
(3) Niedergelassene, sichtvermerkspflichtige Drittstaatsangehörige, die auf Grund eines Staatsvertrages, eines Bundesgesetzes oder eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union ein Bleiberecht genießen, haben nach Maßgabe dieses Staatsvertrages, Bundesgesetzes oder Rechtsaktes Anspruch auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels.
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."
II. Zu den maßgeblichen Normen des Europarechtes:
Am 12. September 1963 schlossen die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Türkei ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation. Art. 9 dieses Abkommens lautet:
"Artikel 9
Die Vertragsparteien erkennen an, dass für den Anwendungsbereich des Abkommens unbeschadet der besonderen Bestimmungen, die möglicherweise auf Grund von Artikel 8 noch erlassen werden, dem in Artikel 7 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft verankerten Grundsatz entsprechend jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist."
Am 23. November 1970 wurde von den Vertragsteilen ein Zusatzprotokoll zu diesem Abkommen geschlossen. Art. 41 Abs. 1 dieses Zusatzprotokolles (im Folgenden: ZP) lautet:
"Artikel 41
(1) Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen."
Entsprechend seiner Art. 62 und 63 Abs. 2 ist das in Rede stehende Zusatzprotokoll am 1. Jänner 1973 in Kraft getreten (vgl. die Schlussanträge des Generalanwaltes La Pergola vom 25. November 1999 in der Rechtssache C-37/98, The Queen gegen Secretary of State for the Home Department ex parte:
Abdulnasir Savas, Rz 3).
Gestützt auf das Abkommen vom 12. September 1963 erließ der durch dieses Abkommen eingerichtete Assoziationsrat am 19. September 1980 den Beschluss Nr. 1/80 (im Folgenden: ARB). Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 13 dieses Beschlusses lauten:
"Artikel 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den
freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der
türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines
Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung
Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen
Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung -
vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
-
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung
freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
...
Artikel 7
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt
eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die
die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
- haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das
Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort
seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten
Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
...
Artikel 13
Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen."
Der mittlerweile aufgehobene Art. 237 EGV lautete:
"Jeder europäische Staat kann beantragen, Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Er richtet seinen Antrag an den Rat; dieser beschließt einstimmig, nachdem er die Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.
Die Aufnahmebedingungen und die erforderlich werdenden Anpassungen dieses Vertrages werden durch ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat geregelt. Das Abkommen bedarf der Ratifizierung durch alle Vertragstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften."
III. Zur Berechtigung der vorliegenden Beschwerden:
Die Beschwerdeführerin tritt in ihren Beschwerden der Schilderung des Verwaltungsgeschehens in den angefochtenen Bescheiden ebenso wenig entgegen wie den Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde, wonach sie mit einem Reisevisum eingereist ist und sich nach dessen Ablauf am 1. September 1998 weiterhin durchgehend (letztendlich bis zur Erlassung des zweitangefochtenen Bescheides vom 28. Februar 2000) im Bundesgebiet aufgehalten hat.
Die Beschwerdeführerin weist allerdings darauf hin, dass sie die in Rede stehenden Anträge zum Zweck des Familiennachzuges zu ihrem Ehegatten, welcher seinerseits die Voraussetzungen des Art. 6 ARB erfülle, gestellt hat.
In ihrer Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid bringt die Beschwerdeführerin überdies vor, dass sie den Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 1999 in Ansehung der Entscheidungen betreffend den Feststellungsantrag und den Antrag auf Gewährung eines Ausreiseaufschubes beim Verwaltungsgerichtshof angefochten habe. Dieses Verfahren behänge derzeit zur hg. Zl. 99/21/0313.
Ausgehend von der rechtskräftigen Erledigung dieser Hauptanträge der Beschwerdeführerin mit dem Bescheid vom 2. September 1999 bestehen keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gegen die Zuständigkeit der Niederlassungsbehörden zur Entscheidung über den am 28. August 1998 gestellten Eventualantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.
Die belangte Behörde wertete den Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. April 1996 und den Eventualantrag vom 28. August 1998, den ersteren in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997, aus folgenden Erwägungen zutreffend als solche auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen:
Die Beschwerdeführerin verfügte noch nie über einen Aufenthaltstitel. Die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung in Anwendung des § 23 FrG 1997 kam daher nicht in Betracht.
Freilich wäre der Beschwerdeführerin gemäß § 30 Abs. 3 FrG 1997 ein weiterer Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn sie auf Grund eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union ein Bleiberecht genießen würde. Im Hinblick auf ihr Vorbringen, ihr Ehegatte erfülle die Voraussetzungen des Art. 6 ARB, käme in diesem Zusammenhang Art. 7 ARB in Betracht. Die in der letztgenannten Bestimmung verankerten Rechte stehen einem Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers jedoch nur dann zu, wenn dieser die Genehmigung erhalten hat, zu ihm zu ziehen. Die Erteilung eines Reisevisums (Visum C) ist jedoch keine solche Genehmigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1999, Zl. 98/18/0424).
Die belangte Behörde hat vorliegendenfalls in beiden angefochtenen Bescheiden die Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 versagt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 98/19/0238, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist für die Beurteilung der Frage, ob der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 vorliegt, ausschließlich maßgeblich, dass sich der Fremde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Anschluss an eine mit einem Reisevisum erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält. Bedeutungslos ist es in diesem Zusammenhang, ob der Antrag auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung vor oder nach der mit diesem Visum erfolgten Einreise gestellt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis insbesondere dargelegt, dass der Gesetzgeber des FrG 1997 den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 (wie er in Ansehung von Touristensichtvermerken gegolten hat) in jener Ausprägung übernehmen wollte, die Letzterer durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfahren hatte.
Da die Beschwerdeführerin vorliegendenfalls nicht bestreitet, im Jahr 1998 mit einem Reisevisum nach Österreich eingereist zu sein und sich seither bis zur Erlassung der hier angefochtenen Bescheide in Österreich aufgehalten zu haben, liegt der in Rede stehende Versagungsgrund vor. Ist dies der Fall, so ist nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 FrG 1997 die Erteilung der Niederlassungsbewilligung zu versagen. Für eine Ermessensübung der Behörde besteht diesfalls kein Raum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 98/19/0233).
Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, der Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 stehe in ihrem Fall Europarecht entgegen. Die auf die in Rede stehende Bestimmung gestützte Versagung der Bewilligung verstoße hier sowohl gegen Art. 13 ARB als auch gegen Art. 41 Abs. 1 ZP. Nach der letztgenannten Bestimmung, welche unmittelbar anwendbar sei, hätten sich die Vertragsparteien verpflichtet, keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit einzuführen. Österreich habe den Beitrittsantrag zu den Europäischen Gemeinschaften am 17. Juli 1989 überreicht. Am 1. August 1991 sei der Avis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 237 EGV erstellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei Österreich anhand der damals geltenden rechtlichen und politischen Verhältnisse für beitrittstauglich befunden worden. Das gesamte Beitrittsverfahren verlöre jeden Sinn, wenn ein Bewerberstaat nach Vorliegen des Avis seine Rechtsvorschriften noch in zentralen Rechtsbereichen, und hiezu zähle das Fremdenrecht, im Widerspruch zu den aus dem Gemeinschaftsrecht resultierenden Verpflichtungen verschlechtern könnte. Nach dem damals gültigen Art. 237 Abs. 2 EGV habe der Avis dazu gedient, die Aufnahmebedingungen und erforderlichen Anpassungen abzuklären.
Insoweit sich die Beschwerdeführerin zunächst auf Art. 13 ARB beruft, ist ihr zu entgegnen, dass diese Bestimmung zwar unmittelbar anwendbar ist (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Mai 2000 in Sachen The Queen gegen Secretary of State for the Home Department ex parte:
Abdulnasir Savas, Rs C-37/98, Rz 49 mit weiteren Hinweisen), jedoch nach seinem unzweideutigen Wortlaut nur jene Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen begünstigt, deren Aufenthalt und Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ordnungsgemäß sind. Von einem ordnungsgemäßen Aufenthalt der Beschwerdeführerin, welcher lediglich ein Reisevisum erteilt wurde und die im Anschluss daran ohne Aufenthaltstitel in Österreich verblieben ist, kann aber keine Rede sein.
Der auf Art. 41 Abs. 1 ZP gegründeten Argumentation der Beschwerdeführerin ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in dem vorzitierten Urteil zunächst klargestellt, dass Art. 41 Abs. 1 ZP unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten hat (Rz 71 dieses Urteiles). Zur Tragweite der in Rede stehenden Bestimmung wurde nun Folgendes ausgeführt:
"Zum anderen ist festzuhalten, dass die in dieser Vorschrift des Zusatzprotokolls enthaltene Stillhalteklausel es einem Mitgliedstaat verwehrt, neue Maßnahmen zu erlassen, die den Zweck oder die Folge haben, dass die Niederlassung und damit verbunden der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen in diesem Mitgliedstaat strengeren Bedingungen als denjenigen unterworfen werden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Zusatzprotokolls gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat galten. (Rz 69)
...
Dagegen verbietet Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls die Einführung neuer nationaler Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Aufenthaltsrechts der türkischen Staatsangehörigen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls im Aufnahmemitgliedstaat. Es ist Sache des nationalen Gerichts, das innerstaatliche Recht auszulegen, um festzustellen, ob die auf den Kläger des Ausgangsverfahrens angewandte Regelung ungünstiger ist als diejenige, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls galt. (Rz 71)"
Das in Rede stehende Zusatzprotokoll ist gegenüber Österreich erst mit dem EU-Beitritt, also am 1. Jänner 1995, in Kraft getreten. Eine Verschlechterung ihrer Rechtsstellung in Ansehung des von der belangten Behörde gebrauchten Versagungsgrundes nach diesem Zeitpunkt, also etwa durch das Inkrafttreten des FrG 1997, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Eine solche liegt auch nicht vor, zumal der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 jenem des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 entspricht.
Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, als maßgeblicher Zeitpunkt der Wirksamkeit der Stillhalteklausel sei jener der Erteilung des Avis der Europäischen Kommission gegenüber Österreich, nämlich der 1. August 1991, anzusehen.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat die oben wiedergegebenen Rechtssätze zwar im Zusammenhang mit den Verpflichtungen des Vereinigten Königsreiches aus Art. 41 Abs. 1 ZP geprägt. Er hat sie aber abstrakt (für alle Mitgliedstaaten) formuliert und dabei insbesondere auch (arg. "Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Zusatzprotokolls gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat") die Möglichkeit unterschiedlicher Zeitpunkte des Inkrafttretens in den Mitgliedstaaten (infolge von Beitritten nach dem 1. Jänner 1973) bedacht. Dessen ungeachtet hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausschließlich auf das Inkrafttreten des Zusatzprotokolls im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat und nicht (in Ansehung nach dem 1. Jänner 1973 neu beigetretener Mitgliedstaaten) auf den von der Beschwerdeführerin postulierten Zeitpunkt der Einholung der Stellungnahme der Kommission nach Art. 237 Abs. 1 EGV, abgestellt. Im Übrigen hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit diesem Rechtssatz implizit auch eine Stillhalteverpflichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegenüber der Türkei im Zeitraum zwischen dem Abschluss des in Rede stehenden Protokolls und dessen Inkrafttreten verneint.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf Art. 237 EGV erzwingt kein anderes Ergebnis als jenes, welches sich aus der Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geprägten Rechtssätze ergibt. Zunächst ist festzuhalten, dass die Kommission in ihrer Stellungnahme zwar die Beitrittstauglichkeit des Beitrittswerbers beurteilt; die Aufnahmebedingungen und die erforderlichen Anpassungen werden aber nicht durch das Avis festgelegt, sondern durch das Beitrittsabkommen selbst. Es stand daher der Europäischen Union und ihren Organen durchaus die Möglichkeit offen, die österreichische Rechtsentwicklung auch noch zwischen der Erteilung des Avis am 1. August 1991 und der Ratifizierung des Abkommens über den Beitritt im Sinn des Art. 237 Abs. 2 letzter Satz EGV zu beobachten. Hinweise auf eine gegenteilige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften enthält die Beschwerde nicht. Erwähnt wird lediglich eine Stellungnahme der spanischen Regierung, wonach im Widerspruch zur Stillhalteklausel des EWR-Abkommens erlassene spätere grundverkehrsrechtliche Genehmigungstatbestände für den Baulandgrundverkehr der Stillhalteklausel widersprächen und daher ungültig seien. Damit wird aber nicht einmal behauptet, dass die spanische Regierung eine vorvertragliche Geltung von Stillhalteklauseln behauptet hätte. Eine Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften betreffend die Rechtssache Salzmann (C-178/99), in welcher die erwähnte Stellungnahme nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin abgegeben wurde, ist nicht bekannt.
Selbst wenn man aber der Auffassung der Beschwerdeführerin folgen würde, wonach Österreich eine Veränderung seiner Rechtsvorschriften in zentralen Rechtsbereichen im Widerspruch zu den im Beitrittsfall zu übernehmenden Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht schon seit 1. August 1991 verwehrt gewesen wäre, wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil sie sich auch diesfalls aus folgenden Erwägungen auf ein solches Verschlechterungsverbot nicht berufen könnte:
Zunächst ist die Beschwerdebehauptung unzutreffend, dass türkische Staatsangehörige noch im Zeitpunkt der Erteilung des Avis schlechthin zur sichtvermerksfreien Einreise nach Österreich berechtigt waren (vgl. hiezu die Kundmachung des Bundeskanzlers vom 23. Jänner 1990 betreffend die teilweise Aufhebung des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der türkischen Regierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 66/1990, sowie über die Verlängerung dieser teilweisen Aufhebung auf unbestimmte Zeit, BGBl. Nr. 222/1990, sowie weiters die teilweise Aussetzung des europäischen Abkommens über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates im Verhältnis zur Türkei, BGBl. Nr. 67/1990, sowie über die Verlängerung derselben, BGBl. Nr. 340/1990). Diese im Jahr 1990 gesetzten Rechtsakte bewirkten, dass die sichtvermerksfreie Einreise lediglich türkischen Staatsangehörigen, die Inhaber von Diplomaten- oder Dienstpässen waren, sowie, auf Grund der Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1990 über eine Ausnahme von der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 95a/1990, türkischen Staatsangehörigen, die Einreiseerlaubnisse in die Bundesrepublik Deutschland oder die Schweiz inne hatten, offen stand. Dass die Beschwerdeführerin diesem Personenkreis zuzurechnen wäre, wird nicht behauptet.
Im Übrigen benötigten türkische Staatsangehörige nach der Rechtslage zum 1. August 1991 zur Niederlassung in Österreich einen Sichtvermerk. Gemäß § 25 Abs. 2 PassG lag es im Ermessen der Behörde, einen solchen Sichtvermerk auf Antrag zu erteilen, falls kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorlag. Der Beschwerdeführerin ist nun zuzubilligen, dass § 25 Abs. 3 PassG keinen dem § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 entsprechenden Versagungsgrund enthielt. Dies erklärt sich freilich schon daraus, dass das PassG in seinem § 24 Abs. 1 nicht zwischen Sichtvermerken zu Besuchszwecken und Sichtvermerken zu anderen Zwecken differenzierte. Eine solche Differenzierung wurde erst durch § 6 Abs. 1 FrG 1992 eingeführt.
Nichtsdestotrotz war aber ein Fremder, der (im Ausland) die Erteilung eines Sichtvermerkes zur Einreise in das Bundesgebiet beantragte, gehalten, den Zweck seiner Einreise bekannt zu geben. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes galt betreffend dieser Angaben Folgendes:
Wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes macht, um sich die Einreise nach Österreich zu verschaffen, liegt ein Sachverhalt vor, der nach § 3 Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 der genannten Gesetzesstelle zu gelten hat und die Annahme rechtfertigt, dass der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Zufolge des § 25 Abs. 3 lit. d PassG ist aber die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0154, sowie vom 28. Jänner 1991, Zl. 90/19/0508). Im letztgenannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der Behörde, der Beschwerdeführer habe über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes unrichtige Angaben gemacht, in einem Fall nicht beanstandet, in dem der Beschwerdeführer zunächst als Zweck seiner Einreise den Besuch eines Verwandten angegeben hatte, nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihm dann erteilten Sichtvermerkes jedoch im Inland verbleibend sich auf den Aufenthaltszweck des Studiums gestützt hat.
Diese Fallkonstellation ist aber der hier vorliegenden durchaus vergleichbar. Die Beschwerdeführerin hat zur Einreise in das Bundesgebiet ein Reisevisum beantragt, ist aber - ohne dass sie hiefür triftige Gründe vorbrachte - nach Ablauf des ihr erteilten Visums im Bundesgebiet verblieben, um auf diese Weise die mit ihren Anträgen angestrebte Familienzusammenführung noch vor Erteilung der hiefür erforderlichen Niederlassungsbewilligung zu realisieren. In einer solchen Konstellation wäre aber nach dem Vorgesagten auch während der Geltungsdauer des Passgesetzes die Erteilung eines (weiteren) Sichtvermerkes im Wege einer Ermessensentscheidung ausgeschlossen gewesen, weil der Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 lit. d PassG vorgelegen hätte.
Im Falle der Beschwerdeführerin stünde Art. 41 Abs. 1 ZP daher der Anwendung des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 selbst dann nicht entgegen, wenn diese Bestimmung im Zusammenhalt mit der Erteilung des Avis eine Stillhalteverpflichtung Österreichs schon mit 1. August 1991 begründet hätte.
Unter dieser letztgenannten Voraussetzung könnte allenfalls erwogen werden, ob diese Bestimmung der Anwendung des in Rede stehenden Versagungsgrundes gegenüber jenen türkischen Staatsangehörigen entgegenstehen könnte, die sich nach Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom Ausland aus rechtmäßig während der Geltungsdauer eines Reisevisums im Bundesgebiet aufhalten, oder aber gegenüber jenen türkischen Staatsangehörigen, denen aus Gründen, die nach Erteilung des Reisevisums eintreten, eine Rückkehr in ihre Heimat nach dessen Ablauf unmöglich wurde. Für derartige - hier nicht vorliegende - Fälle käme aber ohnedies die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Anwendung des § 10 Abs. 4 erster Satz FrG 1997 in Betracht. Selbst wenn hiedurch die Stellung solcher türkischer Staatsangehöriger gegenüber dem PassG geringfügig verschlechtert worden wäre, läge insoweit aber wohl keine Verschlechterung in einem zentralen Punkt, wie sie nach Auffassung der Beschwerdeführerin nach dem Avis unzulässig wäre, vor.
Die Beschwerdeführerin meint weiters, Art. 7 ARB setze eine angemessene Familienzusammenführungspraxis in allen Mitgliedstaaten voraus. Europarechtlich geboten sei es, Anträge Fremder auf Erlaubnis, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, der seinerseits die Voraussetzungen des Art. 6 ARB erbringt, inhaltlich zu prüfen. Formfehler könnten den materiellen Rechtsanspruch nicht beseitigen. Die Beschwerdeführerin verweist weiters auf die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache Mehmet Birden vom 26. November 1998, Rs C-1/97, in welcher ausdrücklich ausgesprochen worden sei, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besäßen, übertragen werden sollten. Die Beschwerdeführerin beruft sich weiters auf Art. 5 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 sowie auf die Richtlinien 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG.
Es ist jedoch nicht zu erkennen, inwiefern diese europarechtlichen Normen der vorliegenden Versagung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung entgegenstehen sollten:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0641, mit näherer Begründung (unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, regelt der in Rede stehende Assoziationsbeschluss nicht den Familiennachzug, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die auf Grund anderer Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Eine solche Genehmigung erhielt die Beschwerdeführerin nach dem Vorgesagten jedoch nicht. Freizügigkeit genießt die Beschwerdeführerin nicht, weil ihr Heimatstaat, die Türkei, nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Diese Berechtigung kommt den türkischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen nur insoweit zu, als auf Grundlage des Assoziationsrechts Freizügigkeit mit innerstaatlicher Wirkung hergestellt worden ist. Auch das Assoziierungsabkommen selbst enthält keine unmittelbar anwendbaren, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und deren Angehörigen regelnden Vorschriften. Demgemäß gebietet auch das Assoziierungsabkommen selbst nicht, für türkische Staatsangehörige die gemeinschaftliche Freizügigkeit herbeizuführen, wie sie nach dem Gemeinschaftsrecht den Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingeräumt ist. Insbesondere wird durch Art. 7 ARB die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaates nicht berührt, den Familienangehörigen die Genehmigung zu erteilen, zu dem in diesem Staat ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu ziehen.
Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zitierten Richtlinien des Rates sowie die Freizügigkeitsbestimmungen des EG gelten ausdrücklich nur für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten, weshalb sich die Beschwerdeführerin, die Staatsangehörige der Türkei ist, nicht unmittelbar darauf berufen kann (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/18/0424).
Im Übrigen ist die Versagung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an einen Fremden, der - wie die Beschwerdeführerin - mit einem Reisevisum einreist und sich nach dessen Ablauf ohne die hiefür erforderliche Bewilligung im Inland niederlässt, nicht als unsachlich zu erkennen. Das von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Diskriminierungsverbot des Art. 9 des Abkommens vom 12. September 1963 steht daher der vorliegenden Versagung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - unabhängig von der Frage, ob es sonst auf die Beschwerdeführerin anwendbar wäre - nicht entgegen.
Die Beschwerdeführerin legt weiters umfangreich dar, weshalb ihres Erachtens Art. 8 MRK (nach einer gewissen Wartezeit) einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke des Familiennachzuges einräumt.
In diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführerin zunächst zu erwidern, dass - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Verhältnisse des Fremden im Sinne des Art. 8 MRK nicht geboten ist, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem zum gleichartigen Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 ergangenen Erkenntnis vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegt hat.
Im Beschwerdefall sind aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Art. 8 oder des Art. 14 MRK gegen die so verstandene Regelung entstanden. Auch in diesem Zusammenhang ist auf die Begründung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, zu verweisen, wonach eine derartige Bestimmung im Interesse der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung gerechtfertigt erscheint. Auf Härtefälle kann überdies nach der nunmehr geltenden Rechtslage gemäß § 10 Abs. 4 FrG 1997 durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis Bedacht genommen werden.
Im Hinblick darauf, dass der Verfassungsgerichtshof die vorliegende Beschwerde bereits abgelehnt hat, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof einen Gesetzesprüfungsantrag zu stellen, um, wie die Beschwerdeführerin dies anregt, das diesbezügliche System "einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen".
Ist aber nach dem Vorgesagten der - verfassungsrechtlich unbedenkliche und vorliegendenfalls auch nicht auf Grund entgegen stehenden Europarechts unanwendbare - Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 wirksam geworden, erweist sich die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an die Beschwerdeführerin schon deshalb als unzulässig. Ob die belangte Behörde im zweitangefochtenen Bescheid auch den Versagungsgrund des § 14 Abs. 2 FrG 1997 zu Recht in Anwendung gebracht hat, kann daher dahinstehen. Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin relevierte Frage, ob das für Anträge, deren Bewilligung kein Versagungsgrund entgegensteht, errichtete Kontingentsystem (in Ansehung türkischer Staatsangehöriger) dem Europarecht oder der Bundesverfassung widerspricht. Diese Frage würde sich nämlich überhaupt nur in Ermangelung von Versagungsgründen stellen.
Da schon der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung durch die beiden angefochtenen Bescheide nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.
Wien, am 16. Februar 2001
Gerichtsentscheidung
61998J0037 Savas VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000190029.X00Im RIS seit
30.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.09.2015