Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Bruck an der Mur zu AZ 4 Nc 19/09d anhängigen Verfahrenshilfesache des Antragstellers J***** B*****, wegen Ablehnung, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 14. Oktober 2010, GZ 3 Nc 2/10p-2, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 18. 9. 2009 bewilligte das Bezirksgericht Bruck an der Mur dem nunmehrigen Ablehnungswerber die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts für eine gegen das Land Steiermark beabsichtigte Klageführung. Der dem Rechtsmittelwerber beigegebene Verfahrenshilfeanwalt ersuchte das Bezirksgericht Bruck an der Mur unter Vorlage eines Klageentwurfs um Erteilung einer „Weisung, ob trotz der negativen Prozessaussichten eine Amtshaftungsklage im Rahmen der Verfahrenshilfe beauftragt“ werde. Das Bezirksgericht Bruck an der Mur lehnte die Erteilung einer solchen Weisung ab und gab dem Rechtsmittelwerber bekannt, dass seinem Vertreter „in Anbetracht der Aussichtslosigkeit der Prozessführung“ keine Weisung erteilt werde.
Diese Mitteilung fasste der Rechtsmittelwerber als Beschluss auf und erhob dagegen Rekurs, den das Bezirksgericht Bruck an der Mur mit Beschluss vom 7. 4. 2010 zurückwies. Dagegen erhob der Ablehnungswerber Rekurs an das Landesgericht Leoben, mit dem er die Ablehnung von Richtern der Rechtsmittelsenate in Zivilrechtssachen verband.
Gegen die im Ablehnungsverfahren vor dem Landesgericht Leoben ergangene Entscheidung (GZ 2 Nc 20/10i-3) erhob er Rekurs an das Oberlandesgericht Graz, den er mit einer Ablehnung „sämtlicher Richter des Oberlandesgerichts im Zivilrechtsberufungssenat mit Ausnahme von Dr. G***** G*****“ verband. Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung wies das Oberlandesgericht Graz den Ablehnungsantrag zurück. Die Ablehnung eines Richters könne nur aus persönlichen Gründen wegen einer bestimmten Person erfolgen. Die pauschale Ablehnung der in einer bestimmten Sparte eines Gerichts tätigen Richter ohne Angabe konkreter Befangenheitsgründe sei unzulässig.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Ablehnungswerbers wegen Nichtigkeit, unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Rechtssache an „eine oder die Unterinstanzen zwecks Verfahrensergänzung zurückzuverweisen; in eventu dem Rekurs selbst Folge zu geben“.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
In Ablehnungssachen richtet sich das Rekursverfahren und die Frage, ob für die Erhebung eines Rechtsmittels Vertretungszwang besteht, nach den Vorschriften, die für das Hauptverfahren maßgeblich sind (RIS-Justiz RS0006000; RS0035708). Besteht im Ausgangsverfahren kein Anwaltszwang, müssen schriftliche Rekurse nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein (RIS-Justiz RS0006000; Ballon in Fasching I² § 24 JN Rz 7). In Verfahrenshilfesachen ist gemäß § 72 Abs 3 ZPO keine Anwaltspflicht vorgesehen. Neben Protokollaranträgen kommen daher auch schriftliche Parteienrekurse in Betracht (Fucik in Rechberger3 § 72 ZPO Rz 3; Ballon aaO). Der Ablehnungswerber hat den Rekurs persönlich erhoben, sodass für die Frage der Anwaltspflicht zu prüfen ist, ob die bekämpfte Entscheidung noch in Verfahrenshilfefragen ergangen ist.
Es bedarf eines untrennbaren Zusammenhangs zwischen Ablehnungsverfahren und Verfahrenshilfe, damit für einen schriftlichen Rekurs gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrags keine Anwaltspflicht besteht (RIS-Justiz RS0036113). Fehlt es an einem solchen Zusammenhang, kommt die allgemeine Regel des § 520 Abs 1 letzter Satz ZPO zum Tragen, die für schriftliche Rekurse zwingend die Unterschrift durch einen Rechtsanwalt verlangt.
Zwar wurde für den Ablehnungswerber im Verfahren AZ 4 Nc 19/09d des Bezirksgerichts Bruck an der Mur die Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt und diesem durch die Rechtsanwaltskammer Steiermark ein Verfahrenshelfer zur Seite gestellt; die stufenweise Zurückverfolgung der Ablehnungsanträge führt jedoch zu der - infolge des Antrags des Verfahrenshelfers, ihm eine Weisung zu erteilen, an den Ablehnungswerber ergangenen - Mitteilung, die dieser als Beschluss auffasste, wonach in Anbetracht der Aussichtslosigkeit der Prozessführung keine Weisung erteilt werde.
Eine aussichtslose Prozessführung steht der Bewilligung der Verfahrenshilfe entgegen (§ 63 Abs 1 ZPO). Erweist sich nachträglich die weitere Rechtsverfolgung als aussichtslos, ist die Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs 1 ZPO - sofern sie nicht rechtsirrtümlich bewilligt wurde (1 Ob 164/02b ua) - für erloschen zu erklären. Da der Ablehnungswerber die ihm zugegangene Mitteilung als einen in diesem Sinn ergangenen Beschluss auffassen durfte und ein Zivilrechtsstreit im vorliegenden Fall gar nicht anhängig ist, muss solch ein Zusammenhang zwischen den Ablehnungsanträgen und dem Verfahren über die Verfahrenshilfe, der es rechtfertigt, den hier zu beurteilenden Ablehnungsantrag einer Prozesshandlung gemäß § 72 Abs 3 ZPO gleich zu setzen, bejaht werden. Der Oberste Gerichtshof hat den Rekurs des Ablehnungswerbers somit einer inhaltlichen Behandlung zu unterziehen, ohne dass ein Verbesserungsverfahren einzuleiten ist.
Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive (Mayr in Rechberger3 § 19 JN Rz 4). Daraus folgt, dass nur ganz bestimmte Richter, nicht aber pauschal ein ganzer Senat oder das ganze Gericht als Institution abgelehnt werden können. Die unsubstantiierte pauschale Ablehnung aller Richter oder einer Gruppe von (namentlich gar nicht genannten) Richtern eines Gerichtshofs ist unzulässig (stRsp; RIS-Justiz RS0045983; RS0046005; 1 Ob 209/09f).
Weder der Ablehnungsantrag noch die Rekursausführungen enthalten ein Tatsachensubstrat, das die Befangenheit oder auch nur den Anschein einer Voreingenommenheit eines bestimmten Richters erkennen ließe. Die Zurückweisung des Ablehnungsantrags erweist sich damit als berechtigt, sodass dem Rekurs ein Erfolg zu versagen ist.
Schlagworte
ZivilverfahrensrechtTextnummer
E96283European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00244.10Y.0119.000Im RIS seit
11.03.2011Zuletzt aktualisiert am
02.05.2013