TE OGH 2011/1/20 11Os158/10k

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Veröffentlicht am 20.01.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Andreas G***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 25. August 2010, GZ 35 Hv 50/10t-150, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien übermittelt.

Dem Angeklagten Andreas G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch einer Mitangeklagten enthaltenden - Urteil wurde Andreas G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB (I./) schuldig erkannt.

Danach hat er vom Winter 2006/2007 bis Mitte März 2007 in H***** und anderen Orten

I./ den abgesondert verfolgten Walter A***** durch Anwerben als Lkw-Lenker und Organisation eines Lkw-Frachttransports dazu bestimmt, dass dieser vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von zumindest 5,22 kg Cannabisharz Reinsubstanz (Bruttomenge: 104,4 kg) und 5,87 kg Cannabisharz Reinsubstanz (Bruttomenge: 293,5 kg) durch heimliche und undeklarierte Beifracht von Holland nach Belgien einführte und in weiterer Folge von Belgien über die Fährverbindung Zeebrugge-Hull nach England ein- bzw auszuführen versuchte, wobei das geschmuggelte Suchtgift von den englischen Zollbehörden aufgegriffen wurde;

II./ …

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 8 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Andreas G*****, die fehlschlägt.

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) erachtet sich der Beschwerdeführer durch Abweisung der Anträge des Zweit- und der Drittangeklagten, denen er sich „voll inhaltlich“ angeschlossen hat (ON 149 S 56), auf Einholung eines Gutachtens über den THC-Gehalt der sichergestellten Suchtgiftmengen zum Beweis dafür, dass es sich nicht um Suchtgift im Sinne des Suchtmittelgesetzes gehandelt hat (ON 141 S 3 iVm ON 149 S 55) bzw es „unter der relevanten strafbaren Grenze“ geblieben ist (ON 149 S 55), verletzt. Der Antrag verfiel jedoch zu Recht der Abweisung (ON 149 S 57 iVm US 16 f), weil er nicht darlegt, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327). Der Forensiker Julian D*****, dessen Aussage verlesen wurde (ON 149 S 59), bezeichnete nämlich das Cannabiskraut (von dem 104,466 Kilogramm sichergestellt wurde und das aus ausgewählten, blühenden oberen Teilen der weiblichen Pflanze besteht [ON 131 S 11]) als solches bester Qualität, und der Zeuge Walter A*****, der für den Schmuggel dieses Suchtgifts in England zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Jahren verurteilt worden war (ON 2 S 11), gab an, das Cannabiskraut und Cannabisharz habe einen durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 6 bis 8 % THC gehabt (ON 149 S 30). Darüber hinaus wurden die Suchtmittel undeklariert und in einer Ladung mit PET-Flaschen bzw -Verschlüssen versteckt geschmuggelt, sodass der Beschwerdeführer anzugeben gehabt hätte, weshalb diese Art des Transports auch bei legaler Einfuhr gewählt worden wäre. Im Ergebnis zielt der Antrag bloß auf eine Erkundungsbeweisführung (RIS-Justiz RS0099841, RS0099453) ab.

Der Versuch einer Antragsfundierung in der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Hinweis auf die - im Übrigen sinnentfremdet und unvollständig (weil die konkreten Angaben zum Wirkstoffgehalt negierend) wiedergegebene -
Aussage des Zeugen Walter A***** verstößt gegen das Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider, die spekulativ mit „erheblichen Zweifeln“ des Vorsitzenden an der Qualität des Suchtgifts argumentiert, hat das Erstgericht die getroffenen Urteilsannahmen zum Reinheitsgehalt der Cannabisprodukte fehlerfrei begründet (US 15 f).

Entgegen der Beschwerdeauffassung (§ 281 Abs 1 Z 8 StPO), die Anklageschrift ginge nur von einem Reinheitsgehalt von 1 % aus, während das Schöffengericht eine Reinsubstanz von 2 % annimmt und in dieser „Differenz von 100 %“ läge eine Überschreitung der Anklage, ist der Schuldspruch vom Anklagevorwurf umfasst. Ein Urteil überschreitet die Anklage nämlich dann nicht, wenn der Schuldspruch in dem im Anklagetenor und der Begründung der Anklageschrift geschilderten Lebenssachverhalt als historischem Geschehen (prozessualer Tatbegriff) Deckung findet (RIS-Justiz RS0113142 ua; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 512, 523). Im Übrigen geht die Anklage ohnedies von einem Reinheitsgehalt von „zumindest“ 1 % des sichergestellten Cannabisharzes aus (ON 138 S 3, 15).

Gegenstand einer Rechtsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus § 281 Abs 1 Z 9 StPO gerügten Fehlers klar zu stellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584). Die in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermissten bzw als „mangelhaft“ bezeichneten Feststellungen zur subjektiven Tatseite finden sich demgegenüber auf US 8.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96233

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00158.10K.0120.000

Im RIS seit

05.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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