Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufungen der Angeklagten A*****, C***** und T***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. Mai 2010, GZ 9 Hv 42/10p-107, und über die Beschwerde des Angeklagten C***** gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden A***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (II./) sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (VI./1./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (VI./2./), C***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./), der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 2 StGB (III./) und des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall StGB (V./) und T***** des Verbrechens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 12 zweiter Fall, 125, 126 Abs 2 StGB (IV./) schuldig erkannt.
Danach haben - soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz -
III./ C***** in Wien am 7. Dezember 2008 an der Sache eines anderen, nämlich an dem im Eigentum der G***** AG stehenden Gebäude ohne Einwilligung des Eigentümers dadurch, dass er im Eingangsbereich zum Wohn-/Esszimmerbereich der im zweiten Stock befindlichen Mietwohnung von Mag. W***** eine Zeitschaltuhr mit einem Heizstab deponierte, diese mit ca zwei Liter Benzin übergoss, in der gesamten Wohnung Textilien als Brandbrücken auslegte und darauf und auf Teppichen weitere ca 18 Liter Benzin vergoss, die Zeitschaltuhr auf zehn Minuten einstellte und über Verteilersteckdosen an das Stromnetz anschloss, sodann die Wohnung und das Gebäude verließ und auf dem gegenüberliegenden Gehsteig den Lichtschein des Feuers abwartete, vorsätzlich fremde Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert zerstört;
IV./ T***** in Wien C***** zur Ausführung der zu III./ geschilderten schweren Sachbeschädigung bestimmt, indem er ihn aufforderte, in der im zweiten Stock befindlichen Mietwohnung von Mag. W***** und M***** unter Vortäuschung eines Einbruchs einen Brand zu legen und diese „so erledigt zurückzulassen, dass die Versicherung den Totalschaden zahlen müsse“, ihm den Wohnungsschlüssel aushändigte und ihm hiefür einen Betrag von 3.000 Euro versprach, wobei er ihm 1.500 Euro vor und 1.500 Euro nach der Tat übergab.
Hingegen wurden C*****, T*****, M***** und Mag. W***** - soweit in diesem Zusammenhang von Bedeutung - von der wider sie erhobenen Anklage, es haben
I./ Mag. W***** und M***** in Wien
1./ C***** über T***** zu der zu Punkt III./ des Urteilsspruchs geschilderten Straftat bestimmt, indem sie T***** beauftragten, jemanden ausfindig zu machen, der gegen Entgelt in die Wohnung einbrechen und darin einen Brand legen solle, sodass die Haushaltsversicherung den Totalschaden bezahlen müsse;
2./ ab dem 9. Dezember 2008 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, Berechtigte der A***** AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Verschweigen, dass sie die Brandlegung in Auftrag gegeben hatten und durch die unrichtige Vorgabe, dass vier Waffen gestohlen worden wären, zur Auszahlung einer Versicherungsleistung aus der Haushaltsversicherung von 290.458,98 Euro verleitet und zu einer weiteren Zahlung von über 60.000 Euro zu verleiten versucht, wodurch die genannte Versicherung in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde bzw geschädigt werden sollte;
II./ C***** und T***** in Wien durch die zu Punkt III./ des Schuldspruchs angeführten Tathandlungen vorsätzlich zu den zu Punkt I./2./ des Freispruchs hinsichtlich M***** und Mag. W***** geschilderten strafbaren Handlungen beigetragen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Gegen diese Schuld- und Freisprüche richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung der in der Hauptverhandlung am 26. Mai 2010 gestellten Beweisanträge (S 57 ff in ON 103 iVm ON 118 und ON 124) die Strafverfolgung sichernde Rechte nicht verletzt.
Das Begehren auf Vernehmung der Rechtsanwälte Dr. K***** und Dr. F***** zum Beweis dafür, dass Geldprobleme und nicht eine Kompensandoforderung das Motiv des Mag. W***** für den Abschluss der Ratenvereinbarung (betreffend den im Verfahren AZ 71 E 278/08a des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien betriebenen Anspruch) waren, woraus sich ergebe, dass Mag. W***** entgegen seiner Verantwortung diese Forderung nur in Raten begleichen habe können und demnach finanzielle Probleme das Motiv für die ihm zur Last gelegten Taten gewesen seien, lässt die nach Lage des Falls gebotene Begründung vermissen, weshalb die beantragten Zeugen in der Lage sein sollten, über die Beweggründe des Angeklagten Mag. W***** für den Abschluss der Ratenvereinbarung, demnach über innere gedankliche Vorgänge, Auskunft zu geben. Die persönliche Einschätzung einer Person über Beweggründe des Handelns eines Dritten ist nicht Gegenstand eines Zeugenbeweises (vgl RIS-Justiz RS0097540, RS0097573). Ob diese Ratenvereinbarung von Mag. W***** persönlich abgeschlossen wurde, ist für die Schuld- oder Subsumtionsfrage ohne Belang (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO).
Die Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Hausbewohners Dr. R*****, des M*****, der als Mitarbeiter der C***** GmbH - nach Besichtigung des Gebäudes am 10. und 17. Dezember 2008 - eine gutachterliche Stellungnahme für die G***** AG zu Ausmaß und Höhe des Gebäudeschadens an den Wohnungen Top 4 (Mag. W*****) und Top 6 (Dr. R*****) erstattet hatte (ON 106), und des Ing. Fe***** als Verfasser des Einsatzberichts der Feuerwehr (S 19 f in ON 2 in ON 11 in ON 9) sowie die ergänzende Vernehmung des (sachverständigen) Zeugen Fr***** wurden ebenfalls zu Recht abgewiesen. Dass durch das Brandgeschehen auch Schäden an der darüberliegenden Wohnung des Dr. R***** entstanden sind, wurde vom Erstgericht ohnehin als erwiesen angenommen (US 40, US 52 f), sodass dieser Umstand nicht weiter beweisbedürftig war (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO). Soweit durch die Vernehmung der genannten Zeugen der Eintritt von Schäden auch an allgemeinen Teilen des Gebäudes bewiesen werden sollte, läuft der Antrag auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f), zumal er nicht darlegt, aus welchem Grund der in der Hauptverhandlung am 11. Mai 2010 vernommene Zeuge Fr***** bei einer ergänzenden Einvernahme von seinen bisherigen Angaben (S 26 ff in ON 90 iVm S 131 ff in ON 12 in ON 9 und ON 54) abweichen sollte bzw die übrigen Zeugen weitere zweckdienliche Angaben machen könnten, die über die im Einsatzbericht der Feuerwehr oder in der gutachterlichen Stellungnahme der C***** GmbH ohnehin bereits enthaltenen Darstellungen hinausgehen. Im Umfang des angestrebten Nachweises, „dass ohne die rasche Brandentdeckung und Bekämpfung durch die Feuerwehr sehr wohl die Eignung zu einem elementaren Schadensfeuer, damit einer Feuersbrunst bestand“, scheitert das Beweisbegehren schon daran, dass allein Tatsachenwahrnehmungen Gegenstand eines Zeugenbeweises sein können, nicht jedoch Schlussfolgerungen, Wertungen oder gar rechtliche Beurteilungen (vgl RIS-Justiz RS0097573).
Auch der Antrag auf ergänzende Gutachtenserstattung durch den gerichtlich bestellten (S 33 f in ON 1) Sachverständigen DI H***** verfiel zu Recht der Ablehnung, weil dem Beweisantrag die gebotene Darlegung fehlte, inwiefern der Experte, der in der Hauptverhandlung am 26. Mai 2010 ausführlich zu sämtlichen Fragen betreffend die Brandursache und das Brandausmaß, insbesondere auch zu den Angaben des (sachverständigen) Zeugen Fr***** Stellung genommen hatte (S 49 ff in ON 103), bei einer Gutachtensergänzung zu anderen Schlüssen kommen bzw aus welchen Gründen das Gutachten iSd § 127 Abs 3 StPO mangelhaft oder sonst ergänzungsbedürftig sein sollte.
Die im Rechtsmittel im Zusammenhang mit der gerügten Abweisung der Beweisanträge mehrfach neu vorgebrachten Gründe für eine Beweisaufnahme sind prozessual verspätet, weil die Berechtigung eines in der Hauptverhandlung gestellten Begehrens stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Auch die Mängelrüge (Z 5) verfehlt ihr Ziel.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider bezog das Schöffengericht die Angaben des C***** über die Information durch T*****, der ihm gegenüber von einer Auftragserteilung zur Brandlegung durch M***** und Mag. W***** gesprochen hatte (vgl dazu ausdrücklich US 41), in seine beweiswürdigenden Erwägungen im Zusammenhang mit den Überlegungen betreffend eine fehlende Kontaktaufnahme dieses Angeklagten zu den angeblichen Auftraggebern erkennbar mit ein (US 47 ff iVm US 41). Dabei erörterten die Tatrichter eingehend die Frage, aus welchen Gründen T***** dem C***** den Auftrag zur Brandlegung erteilt hatte, wobei sie - aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung der vorliegenden Beweisergebnisse - zur formell einwandfrei begründeten Überzeugung gelangten, dass eine Auftragserteilung zur Brandlegung durch die Viert- und den Fünftangeklagten nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen werden konnte (US 44 f, 47 ff, 54).
Entgegen der Beschwerdebehauptung nahm das Erstgericht in den Entscheidungsgründen hinsichtlich des (sich verschlechternden) Verhältnisses zwischen M***** und Mag. W***** einerseits und T***** andererseits nicht nur auf die Angaben des Mag. W*****, sondern auch auf jene der M***** sowie die Erstangaben des - damals noch als Zeugen vernommenen - T***** (der später zu keiner Aussage mehr bereit war), hinreichend Bedacht (vgl US 25 ff, 48), wobei es - im Licht des Gebots gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - zu einer Erörterung jedes Aussagedetails nicht verhalten war.
Ebenso wenig bedurfte es - der Mängelrüge zuwider - in diesem Zusammenhang eines Eingehens auf die von der Beschwerdeführerin reklamierten Angaben des C*****, zumal dieser selbst keine unmittelbaren Wahrnehmungen zum Verhältnis zwischen M***** und Mag. W***** einerseits und T***** andererseits gemacht hatte (vgl S 13 in ON 25 in ON 10).
Der Zeitpunkt, ab dem Probleme im Verhältnis zwischen T***** und der Viert- und dem Fünftangeklagten für Dritte, etwa für den Lokalbesitzer Ch***** erkennbar waren, ist für die Lösung der Schuldfrage irrelevant. Weshalb dieser Umstand für die Beweiswürdigung erörterungsbedürftig wäre, geht weder aus dem Akt hervor noch legt dies die Beschwerdeführerin dar, sodass der zur Wiedergabe der Aussage des Zeugen Ch***** erhobene Einwand einer (auf einen offenkundigen Schreibfehler zurückgehenden) Aktenwidrigkeit ins Leere geht.
Mit der Behauptung, die vom Schöffengericht festgestellte Vortäuschung eines Einbruchs „weise in Verbindung mit den übrigen Beweismitteln geradezu zwingend darauf hin, dass das Schadensfeuer letztlich der Begehung eines Versicherungsbetruges dienen sollte“, und mit den darüber hinaus in der Mängelrüge angestellten beweiswürdigenden Überlegungen, wonach die vom erkennenden Gericht vorgenommene Wertung einer aus Rache erfolgten Belastung der Viert- und des Fünftangeklagten durch T***** (US 48) „logisch unschlüssig“ sei, kritisiert die Rechtsmittelwerberin lediglich die vom Schöffengericht aus den aufgenommenen Beweisen gezogenen gegenteiligen Schlussfolgerungen und wendet sich damit bloß unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung, ohne formelle Begründungsmängel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, insbesondere einen Verstoß gegen die Gesetze logischen Denkens oder allgemeine Lebenserfahrung aufzuzeigen.
Dem weiteren Vorbringen zuwider hat das erkennende Gericht mit dem Hinweis, dass T***** oder eine andere im Gelegenheitsverhältnis stehende Person die Möglichkeit gehabt hätten, die als gestohlen gemeldeten Waffen mitzunehmen (US 51), hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, aus welchen Gründen es die Vortäuschung eines Waffendiebstahls und damit einen Versicherungsbetrug durch den Fünftangeklagten als nicht erwiesen angenommen hat.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten A*****, C***** sowie T***** und über die implizierte Beschwerde des Angeklagten C***** (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Da die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zur Gänze erfolglos blieb, fallen den Angeklagten A*****, C***** und T***** ungeachtet der noch unerledigten Berufungen bei gebotener abschnittsweise gesonderter Betrachtung des Rechtsmittelerfolgs (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 10 zum insoweit vergleichbaren Fall mehrerer eingebrachter Rechtsmittel) die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens nicht zur Last.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96294European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00184.10S.0125.000Im RIS seit
11.03.2011Zuletzt aktualisiert am
11.03.2011