Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bergmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ernestas G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter und vierter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Aivaras P***** und Edgaras V***** sowie die Berufungen des Angeklagten Ernestas G***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 22. September 2010, GZ 36 Hv 117/10y-264, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten Aivaras P***** und Edgaras V***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aivaras P***** der Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (I) und des schweren, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter und vierter Fall StGB (II), Edgaras V***** des Verbrechens des schweren, durch Einbruch und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter Fall StGB (II/a) schuldig erkannt.
Danach haben
(I) Aivaras P***** sich durch die zu II beschriebenen Taten an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Vermögen bedrohen, ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und andere einzuschüchtern versucht, als Mitglied beteiligt sowie
(II) im Rahmen der vom Schuldspruch I umfassten kriminellen Organisation jeweils im einverständlichen Zusammenwirken mit mehreren Mittätern fremde bewegliche Sachen anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz jeweils mittels Durchbrechens der Noteingangstür mit einem Pkw sowie Einschlagens von Vitrinen weggenommen, nämlich
a) Aivaras P***** und Edgaras V***** am 14. August 2009 in Salzburg Gewahrsamsträgern des S********** Elektroartikel im Wert von rund 89.000 Euro, wobei Aivaras P***** als unmittelbarer Täter wirkte und Edgaras V***** durch Chauffeurdienste sowie Übernahme der Beute zur Tat beitrug, und
b) Aivaras P***** am 4. September 2009 in Wels Gewahrsamsträgern des M***** Elektroartikel im Wert von etwa 61.000 Euro,
wobei Letztgenannter die Diebstähle durch Einbruch in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von Aivaras P***** aus Z 9 lit a, 9 lit b und 11, von Edgaras V***** aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Aivaras P*****:
Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Indem die Beschwerde (nominell Z 9 lit a und Z 11, der Sache nach Z 10) zum Schuldspruch I Verdrängung des angenommenen Verbrechens infolge Vorliegens des Scheinkonkurrenztypus der Spezialität (hiezu Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 32 bis 35) aus der Judikatur zum Vergehen der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (RIS-Justiz RS0119763) abzuleiten sucht, wird sie diesem Erfordernis nicht gerecht, weil der relevierte Schuldspruch wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation (§ 278a StGB) ergangen ist (US 5).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei in diesem Zusammenhang festgehalten, dass in jenen Fällen, in denen - wie hier - entsprechend der kriminellen Zielsetzungen der Organisation strafbare Handlungen der in § 278a Z 1 StGB bezeichneten Art tatsächlich begangen werden, auch dann echte Konkurrenz zwischen § 278a StGB und den jeweils ausgeführten Delikten besteht, wenn die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) eine Qualifikation darstellt (Plöchl in WK² § 278a Rz 36 mwN). Spezialität scheidet insoweit im Übrigen schon begriffslogisch aus, weil diese nur dann vorliegt, wenn zwei Deliktstypen im Verhältnis von Gattung und Art stehen, also ein Deliktstypus sämtliche Merkmale des anderen enthält und dazu noch mindestens ein weiteres - spezielles - Merkmal (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 32). Demgegenüber beinhaltet der hier in Rede stehende Qualifikationstatbestand des § 130 zweiter Fall StGB gerade nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 278a StGB, weil er nicht die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Organisation, sondern nur jene im Rahmen einer - gegenüber der Organisation (§ 278a StGB) minder-qualifizierten - kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) verlangt.
Der Einwand fehlenden Geltungsbereichs der österreichischen Strafgesetze (Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 634) entfernt sich von den Urteilsfeststellungen, wonach sich der Beschwerdeführer an der kriminellen Organisation (I) durch die Begehung von Einbruchsdiebstählen in Salzburg und Wels beteiligt hat (US 13 iVm US 11, 12).
Die Behauptung der Sanktionsrüge (Z 11), die mehrfache Qualifikation des Diebstahls (II) sei zu Unrecht erschwerend gewertet worden (US 18), entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Edgaras V*****:
Die Mängelrüge (Z 5), die unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung einwendet, das Überschreiten der Wertgrenze des § 128 Abs 2 StGB sei vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfasst gewesen (US 11 f), unterlässt die gebotene Gesamtbetrachtung der diesbezüglichen Urteilserwägungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Konkret übergeht sie die - unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandende - beweiswürdigende Bezugnahme auf die als glaubwürdig erachteten Aussagen des Zeugen Edgaras T***** und des Angeklagten Ernestas G*****, wonach die exakten Tatmodalitäten (auch) dem Beschwerdeführer offengelegt worden sind (US 15 f).
Das „Überschreiten der Wertgrenze des § 128 Abs 2 StGB“ wurde keineswegs erschwerend gewertet (US 19), womit die diesbezüglichen Ausführungen der Sanktionsrüge (Z 11) auf sich zu beruhen haben.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96389European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0140OS00172.10S.0125.000Im RIS seit
12.03.2011Zuletzt aktualisiert am
17.03.2014