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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. September 2000, Zl. MA 65-8/321/2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. September 2000 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Zeit von 24 Monaten, gerechnet ab 30. Juni 2000, ohne Einrechnung von eventuellen Haftzeiten, entzogen. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien aus, nach der Aktenlage sei über den Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. April 2000 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten (wovon 12 Monate bedingt, für eine Probezeit von drei Jahren, nachgesehen worden seien) verhängt worden. Es liege somit eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 4 FSG vor, die schon von der Erstbehörde zu Recht als Grundlage für die Entziehung der Lenkberechtigung herangezogen worden sei. Den vom Beschwerdeführer unbestrittenen Feststellungen zum Tathergang zufolge habe er am 17. Jänner 2000 in Wien eine namentlich genannte Frau mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich durch Würgen, Schläge ins Gesicht, Festhalten und durch Anpressen eines Polsters auf das Gesicht zur Duldung des Beischlafes genötigt, sowie das Opfer dieser Tat durch die Drohung, es ansonsten umzubringen, zur Unterlassung der Mitteilung an andere Personen und der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht. Die genannten Tathandlungen seien als sehr verwerflich und sehr gefährlich zu werten, zumal der Beschwerdeführer das Opfer sowohl durch tatsächlich ausgeübte Gewalt als auch durch Drohung mit unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben "zu Handlungen bzw. Duldungen oder Unterlassung" bestimmt oder zu bestimmen versucht habe. Dieses Aggressionspotenzial lasse auf eine äußerst gefährliche Sinnesart des Täters schließen, die der vom Lenker eines Kraftfahrzeuges zu erwartenden Einstellung gegenüber seinen Mitmenschen und deren Recht auf körperliche Unversehrtheit und freie Willensbestimmung zuwider laufe. Durch das vom Beschwerdeführer gezeigte strafwürdige Verhalten sei seine persönliche Verlässlichkeit im Hinblick auf die Verwendungsmöglichkeiten eines Kraftfahrzeuges nicht mehr gewährleistet, zumal sich durch Lenken von Kraftfahrzeugen auch erleichternde Umstände zur Begehung derartiger Delikte ergäben, dies sowohl durch die Verwendung des Kraftfahrzeuges als Transportmittel vom und zum Tatort, als auch als "Tatwerkzeug", weil wegen der räumlichen Enge in einem Fahrzeug die Abwehrmöglichkeiten gegen "tätliche Eingriffe" eingeschränkt seien. Da seit der strafbaren Handlung im Jänner 2000 noch keine so lange Zeit verstrichen sei, dass mit Sicherheit auf eine Änderung seiner schädlichen Sinnesart geschlossen werden könne, müsse der Beschwerdeführer auch "derzeit" noch als verkehrsunzuverlässig angesehen werden. Die von der Erstbehörde festgesetzte Frist von 24 Monaten müsse als erforderlich angesehen werden, da frühestens nach Ablauf dieser Bewährungsfrist aus einem bis dahin gezeigten Wohlverhalten auf eine entsprechende Änderung der Sinnesart geschlossen werden könne. Etwaige Haftzeiten seien vom Lauf der Entziehungsdauer auszunehmen gewesen, weil der Beschwerdeführer während dieser Zeiten wegen mangelnder Freizügigkeit nicht die Gelegenheit habe, die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit in der Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
§ 7.
...
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
2. eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat,
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen ...
...
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ..."
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde zum Tathergang der Vergewaltigung, deretwegen er strafgerichtlich verurteilt worden war. Er bestreitet auch nicht, vom Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilt worden zu sein. Vor dem Hintergrund dieses Sachverhaltes erweist sich jedoch der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig.
Zu Recht ging die belangte Behörde davon aus, dass auf Grund der vom Beschwerdeführer begangenen Handlung gegen die Sittlichkeit, im vorliegenden Fall gegen § 201 Abs. 2 StGB, eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG vorliegt. Unmaßgeblich ist hingegen entgegen dem Beschwerdevorbringen, ob der Beschwerdeführer die Tat im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges begangen hat, weil Straftaten wie die vorliegende typischerweise durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen wesentlich erleichtert werden (vgl. in diesem Sinne auch die Judikatur zur diesbezüglich gleichartigen Rechtslage nach dem KFG 1967, z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 93/11/0249).
Die belangte Behörde hat weiters zu Recht nach den Umständen des von ihr geschilderten Tathergangs angenommen, dass, insbesondere wegen der damit verbundenen Gewaltanwendung, das zweifellos schwer wiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers von besonderer Verwerflichkeit gekennzeichnet war.
Wenn der Beschwerdeführer meint, es könne schon deswegen nicht angenommen werden, dass er sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden, weil er sich mittlerweile von seiner Lebensgefährtin (dem Opfer der begangenen Straftat) getrennt habe, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gar nicht zum Ausdruck gebracht hat, es sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer neuerlich eine Straftat gegen dieselbe Person begehen werde. Die belangte Behörde hat vielmehr auf Grund ihrer nach § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung, in die sie dem Gesetz entsprechend die Verwerflichkeit des Fehlverhaltens und die seit der Begehung der Tat verstrichene kurze Zeit einbezogen hat, die Auffassung vertreten, es sei iSd § 7 Abs. 2 FSG anzunehmen, dass der Beschwerdeführer sich wegen der in seinem bisherigen Fehlverhalten äußernden Sinnesart weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden. Die diesbezügliche rechtliche Beurteilung der belangten Behörde kann im Hinblick auf die Umstände der Tatbegehung, die seit der Tat verstrichene kurze Zeit (8 Monate) sowie den Umstand, dass während der Dauer des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers sowohl das gerichtliche Strafverfahren als auch das Entziehungsverfahren durchgeführt worden waren, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen bis zur Begehung dieser Tat unbescholten war.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Festlegung der Dauer der Entziehungszeit wegen unrichtiger Ermessensübung rügt, ist ihm zunächst zu entgegnen, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Bestimmung der Entziehungsdauer keine Ermessensentscheidung darstellt. Gegen die Dauer der Entziehungszeit bestehen vorliegendenfalls angesichts des Tatherganges im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur zulässigen Entziehungsdauer bei Verkehrsunzuverlässigkeit infolge Begehung von Delikten wie dem vorliegenden keine Bedenken (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1996, Zl. 94/11/0329, und vom 22. April 1997, Zl. 95/11/0080). Auch die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Nichteinrechnung von Haftzeiten kann nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1999, Zl. 99/11/0124).
Schließlich entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass private und berufliche Umstände bei einer Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, ua. verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, außer Betracht zu bleiben haben (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0166).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Abweisung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Wien, am 20. Februar 2001
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000110281.X00Im RIS seit
08.08.2001