Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Leopold K*****, vertreten durch Mag. Barbara Helene Steindl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin Claudia K*****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 13.320 EUR sA) über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. April 2010, GZ 43 R 86/10f-18, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 28. Dezember 2009, GZ 7 Fam 87/09h-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - gemäß § 63 Abs 3 AußStrG geänderten Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab:
Ein Kind verliert seinen Unterhaltsanspruch nicht automatisch mit dem Abschluss der Berufsausbildung, sondern nur dann, wenn es die Aufnahme einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit aus Verschulden unterlässt (4 Ob 13/01t; 3 Ob 7/97v). Findet das Kind dagegen keine seiner Berufsausbildung entsprechende Arbeitsmöglichkeit wird dessen Selbsterhaltungsfähigkeit an sich verneint (3 Ob 7/97v). Das Weiterbestehen eines Unterhaltsanspruchs ist bei einer Zweitausbildung aber an strengere Voraussetzungen gebunden als jene, die für die Finanzierung der Erstausbildung maßgeblich sind (3 Ob 7/97v). Nach der bestehenden Judikatur kann einem Kind eine zweite Berufsausbildung zugebilligt werden, wenn es eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichenden Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt, es dem Unterhaltsschuldner zumutbar erscheint dafür Leistungen zu erbringen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Fortkommens des Kindes eintreten wird (RIS-Justiz RS0107722). Die Bestimmungsfaktoren stellen ein bewegliches System dar, das eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen soll (3 Ob 7/97v). Maßstab für die Belastbarkeit eines Geldunterhaltspflichtigen bei einer weiteren Ausbildung ist die Orientierung an der intakten Familie, dh ob auch solche Eltern einen durch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begrenzten finanziellen Beitrag zu einer weiteren Berufsausbildung leisten würden (6 Ob 87/99h; 1 Ob 49/02s).
Dabei wird nicht verlangt, dass die Verbesserung der Berufs- und Einkommenschancen durch die Weiterausbildung des Unterhaltsberechtigten mit Sicherheit feststeht (9 Ob 63/08t; vgl RIS-Justiz RS0043028), es reicht vielmehr nach der neueren Judikatur aus, dass die künftige Verbesserung der beruflichen Position nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls überwiegend wahrscheinlich ist (3 Ob 7/97v). Solche verbesserte Fortkommenschancen können nicht nur in einer „höherwertigen“ akademischen Ausbildung liegen, sondern auch darin, dass - auch wenn damit keine bessere Entlohnung verbunden ist - ein sicherer, krisenfesterer Ausbildungszweig angestrebt wird.
Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin nach Ablegung der Reifeprüfung ein 4-semestriges Kolleg einer Handelsakademie im IT-Bereich absolviert, danach aber trotz mehrfacher Bewerbungen keinen entsprechenden Arbeitsplatz gefunden. Sie hat sich daraufhin zur Absolvierung der 3-jährigen Krankenpflegeschule entschlossen. Hinweise auf eine fehlende Eignung der Antragsgegnerin oder eine fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Unter diesen Umständen ist in der Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Unterhaltsleistung dem Vater auch weiterhin zumutbar ist, keine aufzugreifende Fehlentscheidung zu erblicken. Aufgrund der zitierten Judikatur liegt auch keine erhebliche, in ihrer Bedeutung über den Anlassfall hinausgehende Rechtsfrage zur Entscheidung vor.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG, weil die Ausnahmebestimmung des § 101 Abs 2 AußStrG nicht anwendbar ist. Die (volljährige) Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen. Ihr Schriftsatz diente daher nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
Textnummer
E96419European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00179.10B.0127.000Im RIS seit
09.03.2011Zuletzt aktualisiert am
14.03.2013