TE OGH 2011/1/27 2Ob57/10m

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Veröffentlicht am 27.01.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Markus W*****, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei A*****AG, *****, vertreten durch Mag. Hans-Peter Pflügl und Mag. Stefan Hutecek, Rechtsanwälte in Herzogenburg, wegen 6.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 19. November 2009, GZ 21 R 343/09p-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 2. Juli 2009, GZ 20 C 774/07w-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am 10. 5. 1986 verschuldete der Lenker eines bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs einen Verkehrsunfall, bei dem die damals 26-jährige Mutter des 1982 geborenen Klägers getötet wurde. Aufgrund eines Versäumungsurteils vom 28. 4. 1988 steht fest, dass die beklagte Partei, beschränkt auf die Höhe der Deckungssumme aus einem bestimmten Haftpflichtversicherungsvertrag, dem Kläger für alle künftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall haftet.

Der Kläger heiratete am 1. 12. 2006. Mit der am 18. 6. 2007 eingebrachten Klage begehrte er, gestützt auf § 1327 ABGB und das erwähnte Versäumungsurteil, den Ersatz des ihm durch den Tod seiner Mutter entgangenen Ausstattungsanspruchs, den er mit 6.000 EUR bezifferte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 5.670 EUR sA statt und wies das auf 330 EUR sA lautende Mehrbegehren (unbekämpft) ab. Es traf Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers sowie zu den Einkünften, die die Getötete nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge im Zeitpunkt der Eheschließung des Klägers erzielt hätte. Auf dieser Grundlage sprach es dem Kläger an entgangener Ausstattung 30 % des hypothetischen Jahresnettoeinkommens seiner verstorbenen Mutter zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es begründete diesen Ausspruch damit, dass zu der von ihm bejahten Frage, ob auch der Ausstattungsanspruch nach den §§ 1220, 1231 ABGB (aF) als Unterhaltsanspruch iSd § 1327 ABGB zu verstehen sei, nur eine höchstgerichtliche Entscheidung aus den „70er-Jahren“ existiere und der damals beurteilte mit dem hier vorliegenden Sachverhalt „nicht ganz vergleichbar“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

I. In der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs wird eine derartige Rechtsfrage nicht dargetan:

1. Der Kläger stützte sein Begehren auf Ersatz des ihm entgangenen Ausstattungsanspruchs auf § 1327 ABGB. Danach muss, wenn aus einer körperlichen Verletzung der Tod erfolgt, den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden. Diese Bestimmung enthält eine Sonderregel zugunsten mittelbar Geschädigter und gewährt nach ständiger Rechtsprechung den nach dem Gesetz unterhaltsberechtigten Personen einen originären Anspruch auf Ersatz einer entgangenen tatsächlichen Unterhaltsleistung, jedoch keinen Unterhaltsanspruch (2 Ob 149/09i mwN; RIS-Justiz RS0031342). Da die zustehenden Schadenersatzansprüche in § 1327 ABGB erschöpfend aufgezählt sind, kommt ein Ersatz nur für entgangene Leistungen mit Unterhaltscharakter in Betracht (2 Ob 11/06s; 2 Ob 99/06g; 2 Ob 119/09b; 2 Ob 149/09i; RIS-Justiz RS0031423). Die Hinterbliebenen sind so zu stellen, wie sie stünden, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre (2 Ob 11/06s mwN; 2 Ob 150/08k; 2 Ob 119/09b; 2 Ob 149/09i; 2 Ob 40/10m; RIS-Justiz RS0031291). Dabei ist von den Verhältnissen (bis) zum Todeszeitpunkt auszugehen. Künftige Entwicklungen sind, soweit möglich, bei der Bemessung im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen (2 Ob 150/08k mwN; 2 Ob 119/09b; 2 Ob 149/09i; 2 Ob 40/10m; RIS-Justiz RS0031835).

2. Durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, wurde mit Inkrafttreten am 1. 1. 2010 (Art 18 § 2 leg cit) der Ausstattungsanspruch der Kinder (unter Aufhebung des bis dahin in Geltung gestandenen § 1231 ABGB) geschlechtsneutral in § 1220 ABGB geregelt. Die Voraussetzungen des Anspruchs blieben dieselben, sodass auf die bisherige Judikatur zurückgegriffen werden kann (7 Ob 137/10p).

Zweck des Ausstattungsanspruchs nach § 1220 ABGB ist eine angemessene Starthilfe bei der Gründung einer eigenen Familie durch das Kind. Damit erfüllen die Eltern letztmals ihre Unterhaltsverpflichtung. Der Anspruch auf Bestellung einer Ausstattung ist daher seiner Rechtsnatur nach im weitesten Sinn ein Unterhaltsanspruch und unterliegt - mit gewissen Einschränkungen - unterhaltsrechtlichen Grundsätzen (2 Ob 214/04s; 7 Ob 137/10p; RIS-Justiz RS0022246; Koch in KBB³ §§ 1220-1221 Rz 1; M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ II/1 § 1220 Rz 2; Fucik in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1220 Rz 1 f; Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 508; Jud, Ausgewählte Fragen zu Heiratsgut und Ausstattung [§§ 1220, 1231 ABGB], NZ 1999, 37 [39]).

3. Diese ständige, im Schrifttum gebilligte Rechtsprechung gründet ua auf der mehrfach veröffentlichten Entscheidung 2 Ob 124/72 = SZ 45/78 = ZVR 1973/175 = RZ 1972, 206, auf die sich auch die Vorinstanzen beriefen. Dort wurde nach Auseinandersetzung mit der älteren Lehre der Unterhaltscharakter einer dem Kind nach § 1220 ABGB (damals noch: Heiratsgut) geschuldeten Leistung iSd § 1327 ABGB ausdrücklich bejaht. Diese Rechtsansicht blieb im Schrifttum unwidersprochen und wird in den einschlägigen Kommentaren ausnahmslos zustimmend zitiert (vgl M. Bydlinski aaO § 1220 Rz 2; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2b § 1327 Rz 31; Hinteregger in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1327 Rz 15; Brauneder in Schwimann, ABGB³ V § 1221 Rz 6; Chr. Huber in Schwimann, ABGB-TaKomm § 1327 Rz 10 und 44).

4. Trotz des Vorliegens nur einer einzigen, älteren Entscheidung ist unter den genannten Voraussetzungen von einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auszugehen (RIS-Justiz RS0103384 [T2]). Eine erhebliche Rechtsfrage wird aber auch nicht schon dadurch begründet, dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden ist (2 Ob 210/09k mwN).

II. Auch die beklagte Partei zeigt in ihrer Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Der Umstand, dass der Ausstattungsanspruch des Klägers - anders als in dem zu 2 Ob 124/72 entschiedenen Fall - erst (lange) nach dem Unfalltod seiner Mutter entstanden ist, vermag den Schädiger ebenso wenig zu entlasten, wie die höchstpersönliche Natur des Anspruchs und dessen grundsätzliches Erlöschen mit dem Tod des (der) Verpflichteten (vgl RIS-Justiz RS0022452; Koch aaO § 1220 Rz 7; Fucik aaO § 1220 Rz 4).

Entscheidend ist vielmehr, ob der Anspruch bei fiktivem schädigungsfreiem Verlauf noch zu Lebzeiten der Mutter des Klägers entstanden wäre (vgl RIS-Justiz RS0031448; Reischauer aaO § 1327 Rz 24); dies hat auch das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt (BU Seite 5). Davon ist angesichts des Geburtsjahres der Mutter (1959) ohne Weiteres auszugehen, hätte sie im Zeitpunkt der Eheschließung des Klägers (2006) doch erst ein Lebensalter von rund 47 Jahren erreicht. Für die Annahme, dass die Mutter die Heirat ihres Sohnes missbilligt hätte (§ 1222 ABGB), findet sich in den Feststellungen kein Anhaltspunkt.

Der Möglichkeit des späteren Entstehens des Anspruchs wurde im Übrigen bereits durch das seinerzeitige Feststellungsbegehren und das darüber ergangene Versäumungsurteil Rechnung getragen (vgl 2 Ob 239/97d mwN; 2 Ob 150/08k; RIS-Justiz RS0047953, RS0048104; Reischauer aaO § 1327 Rz 17 und 25). Verjährungsrechtliche Aspekte werden von der beklagten Partei aber ohnedies nicht geltend gemacht.

2. Im Erbweg erworbenes Vermögen ist auf den Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB nicht als Vorteil anzurechnen. Dies gilt selbst dann, wenn der Hinterbliebene das Vermögen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ansonsten nicht erworben hätte (2 Ob 11/06s mwN). Eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich laufender Einnahmen, die aus letztwilligen Zuwendungen stammen und schon bisher zum Unterhalt verwendet worden sind (2 Ob 202/05z; 2 Ob 11/06s; RIS-Justiz RS0031636).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Inwieweit der Kläger „als gesetzlicher Erbe“ bei Zuerkennung des Ersatzanspruchs sonst noch bereichert sein könnte, zeigt die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel nicht auf. Ihre diesbezüglichen „Bedenken“ vermögen keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen.

III. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Schlagworte

Unterhaltsrecht

Textnummer

E96377

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00057.10M.0127.000

Im RIS seit

07.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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