Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am ***** geborenen mj C***** S*****, über den Revisionsrekurs des Kindesvaters A***** M*****, Belgien, vertreten durch Mag. Andreas Schütz, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Oktober 2010, GZ 43 R 615/10z-126, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 9. August 2010, GZ 1 Ps 72/10m-108, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Minderjährige lebt mit der alleinobsorge berechtigten Kindesmutter seit August 2006 in Wien; der Vater lebt in Belgien. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 5. 11. 2009 wurde der Antrag des Kindesvaters, ihm ein Besuchsrecht einzuräumen, abgewiesen.
Nunmehr beantragte der Kindesvater gemäß Art 7 und 21 HKÜ die Wiederherstellung des Kontakts und die Erwirkung des Besuchsrechts seiner Tochter.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass zum Besuchsrecht bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen sei und sich seitdem die Sachlage nicht geändert habe.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Der Vater habe kein Besuchsrecht; es liege keine widerrechtliche Vereitelung des Besuchsrechts durch die Mutter vor. Es ließ jedoch den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass es zu „vergleichbaren Fallkonstellationen“ keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gebe.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RIS-Justiz RS0107859) - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:
Das HKÜ strebt die Wiederherstellung der ursprünglichen Tatsachenverhältnisse nach einem unter Ausblendung von Rechtsfragen durchgeführten endformalisierten Schnellverfahren an (RIS-Justiz RS0074532). Zweck des HKÜ ist es, die ursprünglichen tatsächlichen Verhältnisse wiederherzustellen, um zu gewährleisten, dass das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht auf persönlichen Verkehr in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird (Art 1 HKÜ, RIS-Justiz RS0109515). Zielsetzung des HKÜ ist es, Elternteile von einem widerrechtlichen Verbringen abzuhalten und die Sorgerechtsentscheidung am früheren gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes sicherzustellen (RIS-Justiz RS0109515 [T18]).
Das HKÜ will rechtswidrige Besuchs- und Obsorgesituationen abstellen und den rechtmäßigen Zustand wiederherstellen. Nach der derzeitigen Rechtslage hat der Kindesvater aber überhaupt kein Besuchsrecht, das verletzt werden hätte können. Daher kann sich der Kindesvater nicht auf das HKÜ berufen.
Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049). Diese Voraussetzung ist bei dem vom Revisionsrekurswerber gerügten Unterbleiben der persönlichen Anhörung des Minderjährigen (§ 105 Abs 1 AußStrG) im vorliegenden Fall zweifelsfrei nicht erfüllt, ergibt sich doch schon aus der im vorigen geschilderten - insoweit unbestrittenen - Aktenlage, dass dem Kindesvater weder die Obsorge noch ein Besuchsrecht zusteht, sodass schon aus diesem Grund das HKÜ nicht anwendbar ist.
Damit bringt der Revisionsrekurs aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.
Schlagworte
FamilienrechtTextnummer
E96366European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00012.11Z.0128.000Im RIS seit
04.03.2011Zuletzt aktualisiert am
04.03.2011